Tokio, altes Olympiastadion. Katrin Krabbe, 22 Jahre jung, schaut entschlossen, zupft sich noch einmal den Zopf zurecht und kauert sich um 18.20 Uhr Ortszeit in ihren Startblock.
Der tiefe Fall der Katrin Krabbe
Nichts darf schiefgehen. Es soll ihr großer Abend werden, Krabbe ist in Topform.
Und sie explodiert, hat auf Bahn drei den besten Start, mit langen Schritten fliegt Krabbe Richtung Ziel, Gwen Torrence (USA) und die legendäre Merlene Ottey aus Jamaika haben keine Chance. 10,99 Sekunden. Krabbe, das blonde Mädchen aus Neubrandenburg, ist Weltmeisterin über 100 m.
Es war eine Sternstunde - auf die ein tiefer Fall folgte.
Krabbe: „Ich wusste, dass ich gewinne“
„Ich war an dem Tag mental so stark, ich wusste, dass ich gewinne“, sagte Krabbe einmal über den Tag, an dem sie zur „Grace Kelly der Tartanbahn” aufstieg.
Drei Tage später holt sie noch Gold über 200 m, Krabbe sitzt auf dem Sprint-Thron, die Welt liegt ihr zu Füßen. Aufgewachsen in der DDR, ist sie nach dem Fall der Mauer plötzlich der erste ganz große Sportstar im wiedervereinten Deutschland. Sie ist ganz oben. (NEWS: Alles Wichtige zur Leichtathletik)
Nur ein halbes Jahr später beginnt der Absturz der Sprint-Queen. Februar 1992: Krabbe sowie ihren Trainingskolleginnen Grit Breuer und Silke Möller wird vorgeworfen, manipuliert zu haben. Positive Dopingbefunde gibt es keine, aber ihre Urinproben, entnommen in Zinnowitz und im südafrikanischen Stellenbosch, sind absolut identisch.
Krabbe wird suspendiert
Das Trio wird vom Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) suspendiert, der Weltverband schließt sich an. Ende Juni werden Krabbe und Co. vom Schiedsgericht der IAAF wegen Formfehlern vom Doping-Verdacht freigesprochen.
August 1992: Krabbe hat es nicht zu den Olympischen Spielen in Barcelona geschafft, für Schlagzeilen sorgt sie dennoch. Krabbe und Breuer sind bei mehreren Trainingskontrollen im Juli der Einnahme von Clenbuterol überführt worden.
Krabbe wird wegen Medikamentenmissbrauchs gesperrt
Ihr Trainer Thomas Springstein bestätigt einen Tag später die Einnahme des in der Kälbermast verwendeten Mittels. Allerdings steht das anabol wirkende Clenbuterol zu diesem Zeitpunkt gar nicht auf der Verbotsliste. Krabbe und Breuer werden vom DLV wegen „Medikamentenmissbrauchs“ für ein Jahr gesperrt. Die IAAF verlängert die Sperre auf zwei Jahre.
„Es war plötzlich ein anderes Leben, ein Bruch“, sagte Krabbe dem Nordkurier einmal über die Zeit: „Das einzige, was ich mir vorwerfen lassen muss, ist, dass ich ein Medikament ohne Rezept genommen habe. Es macht aber keinen Sinn, zu fragen, was wäre, wenn.“ Krabbe geht damals rechtlich gegen die Sperre vor, klagt auf Schadenersatz in Millionenhöhe.
Krabbes Ehemann nimmt sich das Leben
Im Mai 1995 gibt ihr das Landgericht München Recht, erst sieben Jahre später, im April 2002, einigen sich Krabbe und die damalige IAAF auf eine Schadenersatzzahlung von rund 1,2 Millionen Mark. Krabbe selbst beziffert den Schaden auf „zehn bis zwölf Millionen Mark“.
Die Millionenzahlung bringt Krabbe aber auch nicht das nötige Glück. Sie und ihr Ehemann Michael Zimmermann versäumen es, die Zahlung bei der Steuererklärung anzugeben. 2009 wird das Ehepaar wegen Steuerhinterziehung verurteilt. Die Steuerschulden belaufen sich auf 100.000 Euro, Krabbe muss private Insolvenz anmelden. 2015 nimmt sich ihr Ehemann das Leben.
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Anmerkung der Redaktion: Wenn Sie sich selbst von Depressionen und Suizidgedanken betroffen fühlen, kontaktieren Sie bitte umgehend die Telefonseelsorge (http://www.telefonseelsorge.de). Unter der kostenlosen Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie Hilfe von Beratern, die schon in zahlreichen Fällen Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen konnten.
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Krabbe - nach dem Tod ihres Mannes mehrere Jahre lang mit Handball-Manager Bob Hanning zusammen - hat viel durchgemacht, sie schoss hoch hinaus und fiel so tief, dass es locker für zwei Leben reicht. Mittlerweile hat sie ihren Frieden gemacht. „Es ist alles gut“, sagte die einstige Leichtathletik-Heldin.
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Mit Sport-Informations-Dienst (SID)