Suchte man vor 20 Jahren nach einem Synonym für den Begriff Modellathlet, den Namen Tim Lobinger hätte man getrost dafür verwenden können.
Tragische Geschichte eines Helden
Der heute 50-Jährige war einst das Paradebeispiel eines durchtrainierten Profisportlers, der sich mit unzähligen Erfolgen in die Geschichtsbücher eintragen konnte. Als erster deutscher Stabhochspringer bezwang er die sechs Meter, vor allem bei Wettkämpfen in der Halle brillierte der gelegentlich als Diva auftretende Lobinger. (NEWS: alles zur Leichtathletik)
1998 wurde er in Valencia Europameister in der Halle, fünf Jahre später krönte er sich in Birmingham zum Weltmeister. Bei vier Olympischen Spielen vertrat er die deutschen Farben, bis 2008 gehörte er dem Team Deutschland an.
Lobinger kämpft gegen „aggressiven Krebs“
Nun, 14 Jahre später, ist der Status quo ein anderer. „Für jeden Tag, den ich leben und mit meiner Familie verbringen darf, lohnt es sich zu kämpfen. Heilung wird es bei mir nicht mehr geben. Mein Krebs ist zu aggressiv“, erklärte der ehemalige Sportler Anfang der Woche im Bild-Interview.
Im März 2017 hat sich das Leben des früheren Stabhochspringers schlagartig geändert. Seinerzeit erhielt er die Diagnose Leukämie. Und eigentlich sah es zunächst gut aus. Nach unzähligen Chemotherapien und einer Stammzellentransplantation galt der Krebs als eliminiert. Doch es kam anders. 2018 war die Krankheit zurück, ehe ein Jahr später der endgültige Sieg errungen zu sein schien.
Dass sich auch diese Hoffnung zerschlagen würde, wurde Lobinger Ende 2021 klar. „Los ging es mit Beschwerden an Gelenken. Plötzlich hatte ich überall sichtbare Dellen am Körper - an Beinen, Schulter, Kopf.“ Der Krebs war zurückgekehrt.
Eine neuartige Immuntherapie brachte in der Folge nicht den gewünschten Erfolg. Zwar schlug sie an, „aber nur zu 90 Prozent.“ Bei 1,93 Meter Körpergröße wiegt Lobinger laut Bild nur noch 66 Kilo.
Auseinandersetzung mit dem Tod
Seine Situation beschönigen will der kämpferische Ex-Athlet nicht. „Im Februar sagten mir die Ärzte, der Tod rücke näher. Ich solle Verfügungen treffen, mich mit meiner Beerdigung befassen und mich von meinen Liebsten verabschieden. Die Gespräche mit meinen Kindern waren hart. Sie wissen, wie schlecht es um mich steht.“
Umso schöner, dass es Lobinger zumindest vergönnt war, seine 27-jährige Tochter Fee im Juni zum Traualtar zu führen. Die Einschulung seines Sohnes Okkert im September verpasste er dagegen aufgrund einer Not-OP am Magen.
Mehr als 150 Tage verbrachte Lobinger im Jahr 2022 bereits im Krankenhaus. „Das ist kein wirkliches Leben. Das lebenswerte Leben findet draußen statt.“
Kimmich und Lobinger gute Freunde
Unterstützung bekommt der 50-Jährige indes nicht nur von seiner Familie, auch Kumpel und Bayern-Star Joshua Kimmich ist für ihn da. Im Jahr 2013 lernten sich beide in Leipzig kennen. Kimmich kam als Jugendspieler zum damaligen Drittligisten, Lobinger war als Athletiktrainer bei den Sachsen angestellt – und konnte seinem Schützling damals entscheidend weiterhelfen.
„Gerade in meiner Jugend, zwischen meinem 14. und 18., 19. Lebensjahr, nahm ich an keinem Training schmerzfrei teil“, erklärte Kimmich einst im Gespräch mit dem kicker. Probleme am Schambein belasteten den heutigen Bayern-Star damals sehr, „bis ich bei RB Leipzig nach meiner Verpflichtung für drei, vier Monate komplett rausgenommen wurde.“
Der „sehr gute“ Athletiktrainer Lobinger half Kimmich damals aus seinem Tief, die Arbeit neben dem Platz „hat schlussendlich sogar meine Karriere gerettet, weil ich da wirklich die Basis geschaffen habe“, so Kimmich im Rückblick
50. Geburtstag als Meilenstein
Inzwischen sind beide privat gut befreundet. Kimmich besuchte den 50-Jährigen bereits unzählige Male im Krankenhaus, an Weihnachten spielte er im Hause Lobinger sogar schon den Nikolaus.
Für den ehemaligen Stabhochspringer ist die Auseinandersetzung mit dem Tod ob der Diagnose zum täglichen Begleiter geworden. Aufgeben will er im Kampf gegen den Krebs deswegen aber noch lange nicht: „Es gibt immer kleine Wege, die es einem ermöglichen, Kraft zu schöpfen und nicht die Hoffnung zu verlieren.“
Und so schöpft er Kraft aus den kleinen Dingen. Seinen 50. Geburtstag am 3. September konnte Lobinger feiern – mit Luftballons und Waffeln. „Diesen Tag noch zu erleben, war einer meiner Meilensteine.“
Wie viele Tage noch kommen, das vermag niemand zu sagen.