Als die Lokomotive von Prag das letzte Bisschen ihrer einst so mächtigen Puste aushauchte, verfiel ein ganzes Land in tiefe Bestürzung.
Ein Kuss mit Jahrhundert-Story
Emil Zatopek war einer der besten Läufer der Geschichte, vielleicht der allerbeste. Den Tschechen war er aber so viel mehr: Zatopek, der am heutigen Montag 101 Jahre alt geworden wäre, ist noch mehr als zwei Jahrzehnte nach seinem Tod ein ikonischer Heldenmythos.
Die Geschichte des viermaligen Olympiasiegers ist mehr als nur eine sportliche: Zatopek wurde auch für seine Rolle in einem der wichtigsten politischen Ereignisse des 20. Jahrhunderts zu einem nationalen Symbol.
Roman- und filmreif ist außerdem auch die Geschichte seiner Liebe zu seiner Frau Dana Zatopkova, ebenfalls Top-Sportlerin und Olympiasiegerin. Unglaublich, aber wahr: Emil und Dana wurden am selben Tag, dem 19. September 1922, geboren - und beide wurden binnen einer Stunde am 24. Juli 1952 in Helsinki Olympiasieger.
Emil Zatopek und seine Frau Dana schrieben Geschichte
Zunächst holte Emil Gold über 5000 m, dann Dana, die sportlich gesehen immer im Schatten ihres Mannes stand, im Speerwurf. Zuvor hatte Zatopek schon über 10.000 m gewonnen, am Schlusstag siegte er auch im Marathon. Ein Dreifach-Triumph, wie er selbst dem großen Paavo Nurmi nicht gelungen war.
Zatopek war ein anderer Typ als Nurmi und andere Granden: Er lief es nicht so elegant auf Asche, Tartan und Asphalt, er war kein Ästhet wie Nurmi; Lasse Viren oder heute Eliud Kipchoge.
Sein während der Wettkämpfe stets verzerrtes Gesicht und seine rudernden Armbewegungen machten ihn zum Inbegriff des Kämpfers, hart zu sich selbst, bis weit über die Schmerzgrenze.
Seine Hochzeit hatte Zatopek zwischen 1946 und 1956, als er das Laufen in neue Bereiche führte, 18 Weltrekorde aufstellte. Nach Star-Ruhm suchte der als Person zurückhaltende Zatopek dabei nie. Sein berühmtes, leicht achselzuckendes Karriere-Motto: „Vogel fliegt, Fisch schwimmt, Mensch läuft.“ Aber wie.
Zatopeks Mut im Prager Frühling ging um die Welt
16 Jahre nach dem Dreifach-Triumph von Helsinki folgte der zweite Tag, der Zatopeks Leben verändern sollte. Im Prager Frühling 1968 unterstützte er die von der UdSSR niedergeschlagene Liberalisierungs-Bewegung von Alexander Dubcek. In Uniform kletterte der damalige Oberst der tschechoslowakischen Volksarmee auf einen Panzer, um die kommunistische zur Heimkehr aufzufordern - ein Bild, das um die Welt ging.
Zatopek wurde daraufhin aus der Armee ausgeschlossen und musste im Bergbau schuften: „Ich bin 600 Meter unter der Erde in einer Uranmine geendet“, sagte Zatopek später: „Der Sport hatte mich gestählt, auch das auszuhalten.“
Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wurde Zatopek rehabilitiert. Der Mann, der sieben Sprachen sprach, darunter fließendes Deutsch, warb für die Laufbewegung und wurde zum glühenden Verfechter des Breitensports.
Dana Zatopkova überlebte Emil um 20 Jahre
Am Ende eines Lebens im Laufschritt spielte seine Gesundheit nicht mehr mit, Zatopek erhielt eine Oberschenkel-Prothese, verbrachte die letzten Monate überwiegend im Krankenhaus, zuletzt ohne Bewusstsein. Am 22. November 2000 erlosch das Feuer der Lokomotive für immer.
Dana Zatopkova überlebte ihren Emil noch um 20 Jahre, erst am 13. März 2020 schied sie mit 97 aus dem Leben.