Die Heim-EM in München steht vor der Tür und Konstanze Klosterhalfen will nach der WM in Eugene (USA) wieder angreifen.
Klosterhalfen wieder konkurrenzfähig
Motivation zieht sie aus ihrer ansteigenden Formkurve. Bei der WM konnte sie aufgrund einer Corona-Infektion kurz vor dem Wettkampf nur geschwächt teilnehmen. Mittlerweile hat sie in Polen bewiesen, dass ihre Tempohärte wieder zurückkommt.
Diese aufstrebende Form erhöht auch wieder den Spaßfaktor der 25-Jährigen, wie sie im Gespräch mit SPORT1 zugab. „Sich nicht mehr nur mit sich beschäftigen zu müssen, sondern am Rennen teilnehmen zu können, das ist das, was Spaß macht.“
Diesen Spaß will sie nun in München auf die Tartanbahn bringen. Als deutsche Rekordhalterin über die 5.000 und 10.000 Meter geht sie über beide Distanzen an den Start. Wenn es nach ihr geht, sollen es schnelle Rennen werden. (NEWS: Alles zur Leichtathletik)
Zudem spricht sie bei SPORT1 über die Enttäuschung nach der WM, die Fans in München und die weitere Saisonplanung.
SPORT1: Frau Klosterhalfen, Sie waren nach ihrem 5000-Meter-Vorlauf in Eugene ganz schön kaputt. Haben Sie die Folgen der Corona-Erkrankung unterschätzt?
Klosterhalfen: Es war kein schönes Gefühl und eine komische Situation. Ich habe mich vorher körperlich eigentlich wieder gut gefühlt und das Training war auch wieder entsprechend gut, aber ich konnte es im Rennen überhaupt nicht abrufen. Es war wie ein Schalter, der umgelegt wurde, und dann ging gar nichts mehr. Sicherlich hatte die zweiwöchige Trainingspause vor dem Rennen insgesamt dazu beigetragen und ich vermute, dass beim Rennen die Infektion auch noch nicht ganz aus meinem Körper war. Man konnte das aber vorher nur schwer einschätzen.
Klosterhalfen über WM: „War kein schönes Gefühl“
SPORT1: Können Sie beschreiben, wie es Ihnen während des Rennens ergangen ist und wie Sie sich ins Ziel gequält haben?
Klosterhalfen: In den ersten Runden war alles gut. Ich dachte, ich hätte eine gute Position und würde vorne mitlaufen können. Dann habe ich wenige Runden vor Schluss gemerkt, dass ich nicht schneller konnte. Allerdings war ich der Meinung, dass es womöglich an der Hitze liegt und wenn ich müde bin, es die anderen sicher auch sind. Drei Runden vor Schluss ging dann nichts mehr. Als dann der Antritt kam, habe ich gedacht: „Uff, drei Runden, das wird noch ganz schön lang.“ Die letzte Runde war dann wahnsinnig hart. Als ich das Wasser auf der Gegengerade gesehen habe, schoss mir durch den Kopf, wie schön jetzt ein Schluck Wasser wäre, aber ich wollte den Lauf unbedingt ins Ziel bringen. Es war kein schönes Gefühl, denn ich habe nur daran gedacht, wie ich die Runde schaffe.
SPORT1: Wie lange haben Sie gebraucht, um die Enttäuschung zu überwinden?
Klosterhalfen: Es ging relativ schnell. Letztendlich war klar, dass da irgendwas nicht richtig war. Die Wochen davor waren keine einfachen, denn ich musste zwei Wochen vorher nochmal aussetzen. Ich habe es aber auch ganz schnell verdrängt, auch wenn ich nach dem Rennen und die Tage danach sehr enttäuscht war. Das hat schon an mir genagt.
SPORT1: Sie sind vergangene Woche in Polen die 3.000 Meter gelaufen. Würden Sie sagen, dass Sie wieder Ihren Leistungsstand von vor der Corona-Erkrankung haben?
Klosterhalfen: Das kann man nicht so einfach sagen. Ich denke aber, dass es auf jeden Fall wieder ein Schritt in die richtige Richtung war. Rein vom Gefühl war das ein deutlicher Unterschied zu Eugene, denn ich habe gespürt, dass ich wieder konkurrenzfähig bin. Es war vom Gefühl auch besser als in Oslo.
SPORT1: Spürt man da eine Erleichterung, wenn man merkt, es klappt wieder?
Klosterhalfen: Ja, total. Wieder zu seinem eigenen Renngefühl zurückzukommen und sich nicht mehr nur mit sich beschäftigen zu müssen, sondern am Rennen teilnehmen zu können, das ist das, was Spaß macht.
Hoffnung auf schnelle Rennen in München
SPORT1: Was haben Sie jetzt für München geplant?
Klosterhalfen: In München ist ein Doppelstart geplant - über die 10.000 Meter am Montag und die 5.000 Meter am Donnerstag.
SPORT1: Haben Sie sich für das 10.000-Meter-Rennen ein bestimmtes Ziel vorgenommen?
Klosterhalfen: Ich freue mich generell, wenn es zügige Rennen von Beginn an sind. In München geht es darum, das positive Gefühl aus dem Wettkampf in Polen mitzunehmen und die Leistung aus dem Training der vergangenen Wochen nun im Wettkampf zu zeigen.
SPORT1: Sie haben in letzter Zeit viel Pech gehabt mit Verletzungen und Erkrankungen. Hadert man da auch manchmal mit dem Schicksal?
Klosterhalfen: Ja, das waren keine einfachen Zeiten. Erst habe ich gedacht, dass ich es überstanden habe, und dann kam schlussendlich noch die Corona-Infektion. Ich hatte aber auch viele tolle Momente und bei schönen Momenten gehört ja auch immer etwas Glück dazu. Es gibt im Sport aber eben auch mal schwierige Phasen. Und wenn man die übersteht, dann kommt man auch noch stärker zurück. Ich habe auch so viele tolle Menschen um mich herum, die mich immer wieder positiv stimmen. Das hilft mir sehr.
SPORT1: In München werden Sie wahrscheinlich sehr viel Unterstützung von den Fans bekommen. Wie sehr freuen Sie sich darauf?
Klosterhalfen: Ich freue mich sehr. Ich hoffe auch, dass viele Freunde und Bekannte da sein können. Es wird ein großes Fest werden. Berlin 2018 war schon einzigartig, auch wenn ich im Vorhinein leider eine Verletzung hatte. Jetzt hoffe ich, dass ich hier ein positives Erlebnis haben werde.
Heftige Kritik an DLV-Bilanz bei der WM
SPORT1: Bei der WM gab es für das deutsche Team ziemlich heftige Kritik von den Medien. Das hat wiederum Kritik bei einigen Athleten wie Gina Lückenkemper ausgelöst. Wie stehen Sie zu ihrer Kritik?
Klosterhalfen: Ich habe mich damit nicht so sehr auseinandergesetzt, aber jeder einzelne Athlet geht aus einer anderen Situation in den Wettkampf. Ich denke, dass beim deutschen Team viel Negatives zusammengekommen ist - sei es Corona oder andere Situationen.
SPORT1: Ihr größter Erfolg war der dritte Platz bei der WM in Doha 2019. Gucken Sie sich ab und zu noch das Video vom Rennen an?
Klosterhalfen: Ich habe es in den letzten Jahren immer mal wieder vorgespielt bekommen, aber jetzt in letzter Zeit nicht. Aber vielleicht schaue ich es mir nochmal vor der EM an. (schmunzelt)
Ziel zum Saisonabschluss: Diamond League
SPORT1: In den letzten beiden Jahren ist es gerade im Langenstreckenbereich der Frauen zu großen Leistungssprüngen gekommen. So wurden die Weltrekorde über 5.000 und 10.000 Meter verbessert. Gleichzeitig gibt es im Schuhsektor große technologische Fortschritte. Lässt sich das veränderte Weltniveau damit erklären?
Klosterhalfen: Ich habe es selbst gemerkt vor meinen größeren Verletzungen, was mit Training möglich ist - und was dann für Zeiten möglich sind. Die Schuhe helfen da sicher auch nochmal mit. Und man sieht und bekommt ja mit, wie viel neue Technologie teilweise in den Schuhen steckt. Das hat sicherlich einen entsprechenden Impact auf die Zeiten- und Leistungsentwicklung.
SPORT1: Wie geht es für Sie nach München weiter in dieser Saison?
Klosterhalfen: Erstmal ist ein Start beim Diamond-League-Meeting in Lausanne über 3.000 Meter geplant, was schon kurz nach der EM stattfindet (am 26. August, Anm. d. Red.). Danach will ich auch beim True Athletes Classics-Meeting meines Heimatvereins in Leverkusen starten. Darauf freue ich mich schon. Der weitere Plan und weitere Starts werden sich dann noch ergeben.
SPORT1: Und was haben Sie sich für die kommenden Jahre vorgenommen?
Klosterhalfen: Das erste Ziel nach den letzten Jahren ist, gesund zu bleiben. Ich habe gemerkt, wie wichtig Kontinuität im Training und Wettkampf ist. Und dann hoffe ich, dass ich an diesen Leistungsschub der Weltspitze anschließen und wieder konkurrenzfähig schnell mitlaufen kann.