Unter dem tosenden Jubel der Zuschauer im Münchner Olympiastadion drehte Konstanze Klosterhalfen eine Ehrenrunde.
Klosterhalfen über Kimmich: „Eine Ehre“
Als erste Deutsche kürte sich die 25-Jährige am Donnerstagabend zur Europameisterin über die 5000 Meter.
Einen Tag später konnte sie ihren Triumph immer noch nicht begreifen. Im SPORT1-Interview spricht Klosterhalfen über die besondere Bedeutung des EM-Titels, ihren Trainer, das Heimpublikum und ihre sportliche Zukunft.
SPORT1: Frau Klosterhalfen, Glückwunsch zum EM-Titel! Kann man nach so einem grandiosen Sieg überhaupt einschlafen?
Konstanze Klosterhalfen: Das Adrenalin war auf jeden Fall noch zu hoch. Ich konnte nur ganz schwer abschalten und lag noch einige Stunden wach im Bett.
Klosterhalfen erklärt Gold-Lauf: „Habe mich sehr stark gefühlt“
SPORT1: Wie haben Sie ihren Triumph im Anschluss gefeiert?
Klosterhalfen: Wir waren noch ein bisschen im Olympiapark unterwegs. Die Siegerehrung war auch noch am Abend, mit einer ganz besonderen Atmosphäre.
SPORT1: Wie hat sich der Lauf aus Ihrer Sicht gestaltet?
Klosterhalfen: Ich habe gesehen, dass sich Yasemin Can wie schon über 10.000 Meter absetzt. Aber dann hat sie den Abstand nicht weiter ausgebaut. Da habe ich gemerkt, ich kann ranlaufen und es kommt keiner mehr von hinten. An dieser Stelle habe ich mich sehr stark gefühlt und das Publikum wurde bei jedem Schritt, den ich näher herangekommen bin, lauter. Dann war mir alles egal und ich bin einfach durchgelaufen.
SPORT1: Was genau ist mit Ihnen passiert, als das Stadion so explodiert ist?
Klosterhalfen: Das ist ganz schwer zu beschreiben. Es war einfach der Wahnsinn, ich habe noch nie so ein lautes Stadion erlebt, während ich selbst auf der Bahn stand. Das hat mich wirklich beflügelt. Es war einfach so laut, dass ich die Schlussrunde nicht mehr richtig gehört habe. Insgesamt ein wunderschönes Gefühl.
Klosterhalfen dachte vorher nicht an den Sieg
SPORT1: Kann das Publikum einen Sportler wirklich so beflügeln, dass man alle Schmerzen vergisst?
Klosterhalfen: Auf jeden Fall. Ich habe gar nichts mehr gespürt, abgesehen davon, dass ich sowieso keine Schmerzen hatte. Am Ende hätte ich noch ein paar Runden dranhängen können.
SPORT1: Haben Sie ihren Sieg erst im Ziel realisiert oder schon vorher?
Klosterhalfen: Ich habe mich vorher keine Sekunde getraut, zu denken, dass ich hier gewinne. Ich glaube es auch bis heute noch nicht so ganz. Das ist was ganz Besonderes, wenn so ein Heimpublikum hinter einem steht.
SPORT1: Wie viel ist ihnen der EM-Titel wert?
Klosterhalfen: Es ist mein erster wirklicher Titel. Allein deshalb ist er besonders. Dann aber auch die Art und Weise, wie das passiert ist: Hier in München, mit Heimpublikum, wo ich wirklich keine Minute drüber nachgedacht habe, Gold zu holen. Und dann auch noch nach den 10.000 Metern, die ich schon in den Beinen hatte und die sich nicht so gut angefühlt haben. Auch die letzten Wochen mit der enttäuschenden WM und insgesamt die schwierigen letzten zwei Jahre - das ist alles zusammengekommen. Ich kann es immer noch nicht fassen.
Klosterhalfen: „Die Zweifel auszublenden ist nicht immer einfach“
SPORT1: Ist der EM-Titel für Sie eine Entschädigung für die Enttäuschung bei der WM?
Klosterhalfen: Ich will eigentlich nicht von Entschädigung sprechen, weil die tiefen und harten Momente einfach zum Sport dazugehören. Da muss man sich durchkämpfen. Aber dann gibt es diese schönen Momente wie hier. Es gab viele Herausforderungen für mich in den letzten Wochen. Die Zweifel auszublenden ist nicht immer einfach - aber das macht so einen Moment noch größer und besonderer.
SPORT1: Nach dem Titel sind Sie bestimmt froh, dass Sie nicht auf Ihren Trainer Pete Julian, der gegen einen Start war, gehört haben - oder?
Klosterhalfen: Auf jeden Fall. Aber er meinte schon vorher im Bus zu mir, dass er grundsätzlich an mich glaube. Meine Beine hatten sich nicht so gut angefühlt, woraufhin er sagte: „Du wirst schon okay sein, sobald der Schuss losgeht.“ Es war nicht die Frage, ob ich es schaffen kann. Es ging einfach um meine Gesundheit, deshalb wollte er mich schonen.
SPORT1: Wie hat Ihr Trainer nach dem Lauf reagiert?
Klosterhalfen: Er hatte Tränen in den Augen und war super happy. Er war mit uns anschließend noch im Olympiapark und bei der Siegerehrung. Überhaupt war es das erste Mal, dass ich mit ihm zusammen in Deutschland war.
„Kimmich hat mich beglückwünscht“
SPORT1: Auch Fußballnationalspieler Joshua Kimmich war bei Ihrem Erfolg vor Ort im Stadion. Haben Sie sich untereinander ausgetauscht?
Klosterhalfen: Ich habe ihn nur kurz gesehen. Aber das ist natürlich eine große Ehre, dass er da war. Er hat mich beglückwünscht.
SPORT1: Wie geht es jetzt für Sie sportlich weiter? Glauben Sie, sie können künftig wieder in der Weltspitze angreifen?
Klosterhalfen: Die EM war als erster Schritt wieder im gesunden Zustand gedacht, das ist gelungen. Das Wichtigste wird sein, weiterhin gesund zu bleiben. Gerade im letzten Jahr habe ich gemerkt, was Kontinuität im Training ausmacht. Wenn ich das so durchziehen kann, wird es künftig weiter nach vorne gehen.