Lea Meyer schlug die Hände fassungslos vor ihr Gesicht und sank erschöpft auf die Bahn. Erst langsam rappelte sie sich auf und realisierte, was sie da geschafft hatte. Mit Freudentränen in den Augen holte sie sich eine Deutschland-Fahne und ließ sich feiern. (BERICHT: Doppelter Medaillen-Coup für Deutschland)
Die vielleicht schönsten Tränen der EM
Silber über 3000-m-Hindernis bei der Heim-EM nach dem Lauf ihres Lebens, die Fans im Olympiastadion tobten. Weil die Medaille so unverhofft kam. (SERVICE: Der Medaillenspiegel der European Championships)
„Was hier passiert ist, verstehe ich noch nicht so ganz“, sagte Meyer: „Ich wurde hier einfach getragen.“ Am ARD-Mikrofon ergänzte sie: „Gefühlt hatte ich die ganze Zeit ein Lächeln im Gesicht. Es war einfach wunderschön.“
Kurz danach kullerten vor laufender Kamera erneut die Tränen über ihr Gesicht - diesmal allerdings nicht in erster Linie vor Freude.
EM-Silber: Lea Meyer denkt an verstorbenen Trainer
ARD-Reporter Claus Lufen hatte Meyer gefragt, ob sie in diesem Moment des Triumphs auch an all das zurückdenken müsse, was ihr in jüngerer Vergangenheit in den Weg gelegt worden sei: den Sturz bei der WM, ihre Corona-Erkrankung - und den Tod ihres Trainers Henning von Papen Anfang des Jahres.
„Das schon, ja. Also gerade an meinen Trainer“, setzte Meyer an, ehe sie sich kurz wegdrehte, um Entschuldigung bat und sich eine Träne aus dem Auge wischte.
„Ich habe heute auch vor dem Rennen gedacht: ‚Henning, das Rennen ist für dich! Du hast die Basis gelegt dafür, dass ich heute hier stehe überhaupt‘“, fuhr sie fort.
Sturz bei WM machte Meyer berühmt
Wie Meyer da stand, sichtlich emotional, hin- und hergerissen zwischen der Freude über ihren größten Erfolg, der Erinnerung an ihren Mentor und der Erleichterung, alle Steine aus dem Weg geräumt zu haben, konnte man nicht anders, als sich mit der sympathischen 24-Jährigen zu freuen.
Von Papen und ihrem neuen Trainer Tobias Kofferschläger, der sie „so super aufgenommen“ habe, „verdanke ich wirklich alles, dass ich hier stehe. Die haben mich in den letzten Wochen zusammen mit Familien und Freunden einfach so sehr auch mental aufgebaut. Ich glaube, das war das viel Schwierigere als das Körperliche.“
Dabei war auch das nicht ohne: Bei der WM in Eugene hatte Meyer Berühmtheit erlangt, als sie im Vorlauf kopfüber in den Wassergraben stürzte. Danach galt sie in den sozialen Netzwerken als Symbolfigur für die Krise der deutschen Leichtathletik. Dann kam noch Corona hinzu.
Lea Meyer verrät ihre große Stärke
„Die letzten drei Wochen waren sehr belastend“, sagte sie vor ihrem EM-Auftritt im SPORT1-Interview: „Erst mit dem Sturz in Eugene, dann mit Corona. Das lief alles nicht so optimal.“ Auch deshalb stand hinter ihrem Start lange ein Fragezeichen.
Aber Meyer ließ sich nicht aufhalten.
„Ich glaube auch, das ist einfach meine riesengroße Stärke: Ich komme irgendwie immer dann am stärksten zurück, wenn ich dreimal gefallen bin - dann stehe ich das vierte Mal wieder auf und komme noch stärker zurück als vorher“, erklärte sie, während die vielleicht schönsten Tränen dieser Leichtathletik-EM langsam trockneten.
Krause fehlt - Gega holt EM-Titel für Albanien
In Abwesenheit von Titelverteidigerin Gesa Felicitas Krause war die Kölnerin angepeitscht vom frenetischen Münchner Publikum in 9:15,35 Minuten ein bärenstarkes Rennen gelaufen und musste sich lediglich der neuen Europameisterin Luiza Gega (Albanien/9:11,31) geschlagen geben, Bronze ging an die Britin Elizabeth Bird (9:23,18). Elena Burkard (LG Nordschwarzwald) wurde Zwölfte (9:39,63).
Krause hatte ihre EM-Teilnahme wegen einer Erkrankung abgesagt. „Mein aktueller Gesundheitszustand hat einen tieferen medizinischen Hintergrund, der nicht auf die Schnelle zu lösen ist“, hatte die Sportsoldatin, die bei der WM in Eugene chancenlos Letzte im Finale geworden war, mitgeteilt.
Krause war 2016 in Amsterdam und 2018 in Berlin jeweils Europameisterin geworden. Auch 2014 in Zürich war der EM-Titel durch Antje Möldner-Schmidt an Deutschland gegangen.
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Mit Sport-Informations-Dienst (SID)