Gina Lückenkemper schlug die Hände vors Gesicht und vergoss mit der Deutschland-Fahne auf den Schultern Freudentränen: Mit Silber im 100-m-Finale der Leichtathletik-EM in Berlin ist Deutschlands Sprint-Aufsteigerin in den siebten Himmel gesprintet.
Lückenkemper sprintet zu EM-Silber
Die 21 Jahre alte Senkrechtstarterin musste sich an einem fast perfekten Abend nur der Britin Dina Asher-Smith geschlagen geben - nach ihrem größten Karriereerfolg war die Leverkusenerin nicht mehr einzufangen.
"Das ist einfach der Wahnsinn, ich bin überglücklich", jubelte Lückenkemper am Stadion-Mikro, nachdem sie um Punkt 21.33 Uhr unter dem tosenden Jubel von rund 40.000 Zuschauern in starken 10,98 Sekunden ins Ziel gestürmt war und dem deutschen Team die erste Medaille beim Heimspiel beschert hatte. (SERVICE: Medaillenspiegel Leichtathletik-EM)
Lückenkemper: "Das ist unfassbar"
Dass die überragende Asher-Smith mit der Jahresweltbestleistung von 10,85 Sekunden nicht zu schlagen war, konnte die grenzenlose Freude der selbst ernannten "Kampfsau" Lückenkemper nicht schmälern - sie wollte die ganze Welt umarmen. "Ich habe jede Sekunde einfach genossen. Das ist ein unfassbar emotionaler Moment für mich, unfassbar", sagte sie im ZDF: "Man kann sich das noch so oft vorstellen, in der Realität ist alles anders."
Lückenkemper fing nach schwachem Start im Finale kalt wie eine Hundeschnauze noch die große Niederländerin Dafne Schippers ab. Die Titelverteidigerin und Europarekordlerin über 200 m landete mit 10,99 Sekunden hauchdünn hinter Lückenkemper, die endgültig zumindest in Europas Topklasse angekommen ist.
2010 hatte Verena Sailer bei der EM in Barcelona gar Gold geholt - war mit 11,10 Sekunden aber damals deutlich langsamer als ihre legitime Nachfolgerin. Teil eins ihres großen EM-Ziels - eine Medaille im Einzel, eine mit der Staffel - hat Lückenkemper nun bereits erfüllt.
Tatjana Pinto (Paderborn) und Lisa-Marie Kwayie (Neukölln) verpassten hingegen den Einzug ins Finale. Pinto belegte im zweiten Halbfinale in 11,26 Sekunden Platz drei. Kwayie kam in 11,36 Sekunden im dritten Halbfinale auf Platz fünf.
Lückenkemper hat dazugelernt
Lückenkemper gehört die Zukunft, so oder so: Bei der WM in London war sie im Vorjahr im Vorlauf sensationelle 10,95 Sekunden gelaufen. Als erst siebte deutsche Sprinterin war sie unter der magischen Grenze von elf Sekunden geblieben - nach fünf DDR-Sprinterinnen und der ebenfalls aus dem ostdeutschen Sportsystem stammenden Katrin Krabbe. (SERVICE: Zeitplan der Leichtathletik-EM)
In London war dann aber im Halbfinale Schluss - auch weil sie sich zwischen Vor- und Vorschlussrunde zu einem durchaus unterhaltsamen, wenngleich nicht unbedingt zur Konzentration beitragenden Auftritt hinreißen ließ. "Selbstvermarktung ist mir schon immer leicht gefallen, weil ich Spaß daran habe und selbst gern rede", sagte Lückenkemper.
Diesmal galt Lückenkempers Konzentration ganz dem sportlichen Geschehen in Berlin, auch wenn dies angesichts des Trubels um das neue Gesicht der deutschen Leichtathletik nicht ganz einfach war. "Der Druck belastet mich nicht", hatte Lückenkemper gesagt: "Es gibt mir einfach Auftrieb, hier daheim, in meinem Stadion zu laufen."