Es ist ein surrealer Anblick - für Wrestling-Fans späterer Generationen noch mehr als er es für die Fans damals war.
Als WWE die Wrestling-Welt schockte
WWE-Boss Vince McMahon vor dem Schriftzug "World Championship Wrestling", als neuer Verantwortlicher der gleichnamigen Show. Und das bereits am 14. Juli 1984, lange vor dem "Monday Night War", dem Kampf um die Vorherrschaft im US-Showkampf-Gewerbe, der 17 Jahre später damit endete, dass McMahon seinen größten Rivalen WCW aufkaufte.
Was war passiert an jenem Samstag, der als "Black Saturday" zur Legende wurde? SPORT1 blickt zurück auf einen großen Moment, der die Wrestling-Geschichte auf einschneidende Art und Weise veränderte - und das zunächst nicht ganz im Sinne der damaligen WWF.
Vince McMahon wollte für WWE das nationale Monopol
World Championship Wrestling, das ist wichtig zu wissen, war damals noch keine eigenständige Wrestling-Liga. Es war der Name einer TV-Show der regionalen Promotion Georgia Championship Wrestling auf dem Kabelsender WTBS.
Diese Show machte GCW zur Zielscheibe von McMahon, der die WWF kurz zuvor von seinem verstorbenen Vater Vince McMahon Sr. übernommen hatte. Der jüngere Vince verfolgte die Vision, das Territiorial-System regionaler Wrestling-Ligen zu sprengen und die in New England beheimatete WWF zu einem nationalen Player zu formen - mit dem Anfang 1984 zum Champion gekrönten Hulk Hogan als Zugpferd.
McMahon wollte zu diesem Zweck den Sendeplatz von GCW, um die WWF damit zur einzigen Wrestling-Liga zu machen, die im nationalen Kabelfernsehen präsent war - damals ein Schlüsselmedium der Expansion.
Das Problem: Der Chef von WTBS, Medienmogul Ted Turner, lehnte McMahons Angebot ab. Er hatte eigene Interessen beim Thema Wrestling, das er als probates Mittel sah, um Zuschauer an seine Stationen zu binden. Der damals 38 Jahre alte McMahon fand aber einen anderen Weg, um ans Ziel zu kommen.
Die erste Übernahme von WCW
Dem WWF-Boss war zu Ohren gekommen, dass es hinter den GCW-Kulissen brodelte: Ole Anderson, kreativer Verantwortlicher und einer der Anteilseigner der Liga, hatte sich zerstritten mit drei seiner Mitbesitzer: dem Bruderpaar Jack und Gerald "Jerry" Brisco (zugleich ein legendäres Tag Team) sowie Jim Barnett.
Barnett und die Briscos zeigten sich wegen des Stunks mit dem im Februar verstorbenen Anderson offen für McMahons Avancen, ihre Anteile an ihn zu verkaufen und ihm damit die Kontrolle über GCW und den begehrten Sendeplatz zu geben. Die Briscos bekamen im Gegenzug unter anderem eine Anstellung auf Lebenszeit bei der WWF (Gerald Brisco machte später als Comedy-Lakai McMahons in der Attitude Era eine zweite Karriere).
Das Resultat der feindlichen Übernahme: GCW war am Ende, ihre TV-Show in McMahons Hand. "Willkommen zu World Championship Wrestling. Es ist uns eine Freude, die World Wrestling Federation zu begrüßen", verkündete Moderator Freddie Miller am "Black Saturday" den verdutzten Zuschauern - und übergab das Mikro an Vince McMahon.
Fans meuterten - Ted Turner war erzürnt
Für McMahon ging der Schuss damals kräftig nach hinten los, denn sein Programm konnte das Stammpublikum von GCW nicht überzeugen.
Es gab zahlreiche Beschwerden von Zuschauern, die mit dem Angebot der WWF nichts anfangen konnten: Anstelle von vor Ort aufgezeichneten, auf die Bedürfnisse des Südstaaten-Publikums zugeschnittenen Matches sahen sie nun Highlight-Clips aus den WWF-Hochburgen New York und Boston - Yankee-Territorium!
Vom verletzten Regionalstolz abgesehen: Die Fans aus dem Süden hatten einen etwas anderen Geschmack, sie bevorzugten das puristischere, auf die Action im Ring fokussierte "Rasslin'" anstelle der comicbunten WWF-Unterhaltung. Und vor allem verstörte die GCW-Fans auch die plötzliche Abwesenheit des enorm beliebten GCW-Moderators und -Kommentators Gordon Solie, der von der WWF aus unbekannten Gründen nicht übernommen wurde.
Aus all diesen Gründen wurde "World Championship Wrestling" unter dem WWF-Banner zum Quoten-Flop, zum Missfallen des über McMahons Guerilla-Aktion ohnehin verärgerten Ted Turner.
Jim Crockett und die NWA profitieren vom Flop
Turner setzte alles daran, den WWF-Fehlschlag auszugleichen und vergab deshalb andere WTBS-Sendeplätze an Konkurrenten McMahons: Bill Watts' Mid South Wrestling aus Oklahoma und - eine noch bitterere Demütigung für McMahon - Championship Wrestling From Georgia, die kurzlebige GCW-Nachfolgeliga des ausgebooteten Ole Anderson.
Nicht nur, dass McMahons Kabel-Monopol nach kurzer Zeit schon wieder zerschlagen war: Sowohl Mid South als auch Andersons neue Promotion - mit Solie als Kommentator - fuhren bei WTBS bessere Quoten ein.
World Championship Wrestling wurde für McMahon zum teuren Verlustgeschäft, weshalb er seinen Sendeplatz 1985 schließlich wieder verkaufte: an Jim Crockett, den Präsidenten des Ligenverbunds National Wrestling Alliance (NWA). Crockett verfolgte seinerseits das Ziel, aus der NWA eine nationale Macht und ein Gegengewicht zur WWF zu formen, was zu einem bitteren und eiskalt geführten Konkurrenzkampf mit McMahon führte.
Ohne Black Saturday kein Monday Night War
Die WWF gewann diesen, aber McMahon spürte erst danach eine für ihn noch schmerzhaftere Konsequenz des "Black Saturday": Er hatte sich den mächtigen Milliardär Ted Turner zum Feind und Rivalen gemacht.
Turner kaufte 1988 Jim Crockett Promotions, aus der sich die Liga entwickelte, die letztlich so benannt wurde wie die umkämpfte TV-Show: World Championship Wrestling (WCW).
Es folgte ein 13 Jahre langer Kampf um das Wrestling-Monopol, das Turner in den Neunzigern, nachdem er der WWF Hulk Hogan und viele andere Stars mit fürstlich dotierten Verträgen abspenstig gemacht hatte, fast auch gewann.
Das Blatt wendete sich Ende der Neunziger, als WCW nach und nach in eine schwere Krise stürzte und schließlich zum Verkauf freigegeben wurde. Der Untergang von McMahons Konkurrenten wurde besiegelt dadurch, dass Turner sich aus dem Tagesgeschäft zurückzog und sein in diesem Jahr verstorbener Nachfolger Jamie Kellner die WCW-Shows absetzte.
McMahon konnte die Liga dann zum Spottpreis kaufen, 27 Jahre nach dem Black Saturday hatte er sein Werk vollendet. Er blieb noch zwei weitere Jahrzehnte der mächtigste Mann der Branche - bis er in diesem Jahr über verstörende Sexhandels- und Vergewaltigungsvorwürfe stürzte.