CM Punk, Bryan Danielson (Daniel Bryan), Adam Cole: Die Augen der weltweiten Wrestling-Fanbase lagen zuletzt auf den großen Debüts früherer WWE-Stars beim Konkurrenten AEW.
Warum dieser Wrestling-Moment wegweisend ist
Wohl nicht zufällig hat die junge Promotion in dieser Woche allerdings einen anderen Schwerpunkt gesetzt.
In der Woche nach ihrer bislang größten TV-Show aus dem New Yorker Arthur Ashe Stadium hat AEW beim dieswöchigen Dynamite - neben dem Andenken an den tragisch verstorbenen Brodie Lee - seine Jungstars ins Zentrum gerückt.
Luke Perrys im Ring hochbegabter Sohn Jungle Boy, der schmierig-charismatische MJF (Maxwell Jacob Friedman), der mit einer mystischen Aura angehauchte Skater Darby Allin und der „Spanish God“ Sammy Guevara: Die vier unter 30 Jahre alten Eigengewächse hatten bei der Übertragung aus Rochester tragende Rollen - und wurden wiederholt als die „vier jungen Säulen“ der Zukunft von AEW bezeichnet.
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Wobei eine dieser Säulen am Ende im besonderem Maße gestärkt wurde: Der 28 Jahre alte Guevara, der Hüne Miro (Rusev bei WWE) als TNT-Champion entthronte und damit seinen ersten Titel bei AEW gewann - der vorläufige Höhepunkt einer konsequenten Entwicklung, die bei der allerersten TV-Show von AEW vor zwei Jahren ihren Anfang nahm.
Sammy Guevara ist Schüler von Legende Booker T
Guevara, ein Schüler des WWE Hall of Famers Booker T, stand Anfang Oktober 2019 beim allerersten Dynamite im allerersten Match gegen Liga-Mitgründer Cody Rhodes.
Was damals von Kritikern als etwas unspektakuläre Ansetzung kritisiert wurde, entpuppte sich als wohldurchdachte Entscheidung von AEW-Boss Tony Khan: Der bis dahin nur über den Tellerrand von WWE blickenden Fans bekannte Guevara wird seit dem historischen Moment Schritt für Schritt aufgebaut.
Am Ende der Dynamite-Premiere wandte sich Guevara gegen Bezwinger Rhodes und schloss sich dem Inner Circle um WWE-Legende Chris Jericho an - in dessen Schatten der anfängliche Sidekick immer mehr aufgeblüht ist.
Guevara bewies sich in diversen Matches und Fehden gegen seine Generationsgenossen, aber auch etablierte Altstars wie Matt Hardy als spektakulärer Ringhandwerker und unterhaltsamer Entertainer.
Von Taco Bell zum Star bei AEW
Ein von AEW mit einer Suspendierung bestrafter Eklat um einen geschmacklosen Spruch über WWE-Star Sasha Banks hielt Guevaras Aufstieg nur kurz auf: Schon im Frühjahr ließ aufhorchen, dass er bei einem der größten AEW-Matches des Jahres – dem Stadium Stampede Match im NFL-Stadion der Jacksonville Jaguars – am Ende die Hauptrolle spielte und für den Circle den umjubelten Pinfall gegen MJFs Pinnacle-Gruppierung einstrich.
Der Gewinn des TNT Titles - bei AEW mehr im Fokus als die Sekundärtitel bei WWE - ist nun der logische nächste Schritt in Richtung Main Event und World-Title-Niveau.
Das persönlich mindestens ebenso wichtige Sahnehäubchen auf Guevaras aktuellem Lauf war vor wenigen Wochen die Verlobung mit Freundin Pam nach einem Heiratsantrag bei Dynamite.
Während dieses Moments strich Guevara seine einfachen Anfänge heraus: Der kubanischstämmige Texaner – der inzwischen auch über 100.000 Abonnenten auf seinem Kanal bei YouTube hat - stammt aus einfachen Verhältnissen, verdiente sein Geld vor und noch während seiner Ringkarriere bei der Fast-Food-Kette Taco Bell.
Bei WWE hätte Guevara es schwer
Guevaras Weg nach oben ist auch exemplarisch für das Konzept von AEW, das mittlerweile noch stärker als zur Zeit der Ligagründung im Kontrast zu dem von WWE steht.
Während der Marktführer zuletzt beschlossen haben soll, für seinen Nachwuchs nur noch optisch hervorstechende Quereinsteiger aus anderen Sportarten zu rekrutieren, steht Guevara für den gegenteiligen Weg von AEW, den Rhodes bereits Ende 2019 im SPORT1-Interview skizziert hat („Man findet mehr Leidenschaft anderswo, in der Independent-Szene, dort wo die Leute das Wrestling wirklich leben und atmen“).
Kein Hindernis ist bei AEW auch, dass Guevara mit 1,78 Metern und knapp über 80 Kilo Gewicht auch nicht den klassischen optischen Vorstellungen eines Wrestlers entspricht, die bei WWE als Voraussetzung für eine größere Karriere gelten (ähnlich wie MJF und vor allem auch Allin und Jungle Boy).
Bei AEW - wo inzwischen auch noch jüngere Talente wie der erst 20 Jahre alte Dante Martin auf dem Weg nach oben sind - ist jedem alles möglich, so lange er Talent und Herzblut mitbringt: Guevaras Titelgewinn ist vor diesem Hintergrund auch eine strategische Positionierung im Kampf um weitere Begabungen. Und damit ein wegweisendes Signal auf mehreren Ebenen.