Wie stark verändert das aktuelle personalpolitische Erdbeben die Wrestling-Liga WWE?
Triple H entmachtet? WWE-Beben immer größer
Seit vor einigen Wochen die folgenschwere Entscheidung bekannt wurde, den Aufbaukader NXT strategisch vom Kopf auf die Füße zu stellen, beschäftigt diese Frage die Fans der Promotion - und mit jedem neuen Detail, das ans Licht kommt, fällt die Antwort eindeutiger aus.
Der Wrestling Observer hat nun weitere Neuigkeiten enthüllt: Sie deuten wieder stärker darauf hin, dass neben vielen anderen Dingen eine Entmachtung des Mannes in Gange ist, der NXT jahrelang geprägt hat und als Kronprinz von WWE galt: Paul „Triple H“ Levesque, der Schwiegersohn von Boss Vince McMahon.
Vince McMahon reißt WWE NXT an sich
Nachdem WWE-Präsident Nick Khan - der im kreativen Bereich außen vor ist - jüngst noch erklärt hatte, dass die „komplette Umgestaltung“ bei NXT „von Triple H geführt“ werde, zeichnet der Observer nun ein anderes Bild: NXT werde künftig maßgeblich von den beiden Köpfen geprägt, die auch bei RAW und SmackDown die Richtung vorgeben - McMahon selbst und sein Kreativdirektor und langjähriger Vertrauter Bruce Prichard.
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Es sehe zwar nicht so aus, als ob einer der beiden offiziell als Produzent der Dienstagsshow firmieren werde, es verlaute aber aus mehreren Quellen, dass McMahon künftig die großen Linien vorgeben werde, nicht mehr Levesque. „Triple H hat Macht verloren, das ist keine Frage“, formuliert es Chefredakteur Dave Meltzer im Wrestling Observer Radio mit Kollege Bryan Alvarez, der die Veränderung zuerst vermeldet hatte.
Weitere große Entlassungen deuten sich an
Zudem bahnen sich wohl weitere spektakuläre Entlassungen an: Meltzer berichtet, dass ihm konkrete Namen zugetragen worden wären, die auf der „Abschussliste“ (“chopping block“) stehen würden - und nicht wenige, wenn man ihm beim Wort nimmt. Es gehe „um viele Leute, die dort lange Zeit aktiv sind“.
Der große Umbau deutete sich bereits vor Wochen an, als WWE eine größere Entlassungswelle bei NXT startete, an der Levesque nicht beteiligt gewesen sein soll. McMahon, Prichard und der in die Position als Talentchef zurückgekehrte John Laurinaitis waren demnach stattdessen federführend.
Mit den Veränderungen bei NXT geht ein großer Philosophiewechsel bei der Personalpolitik einher, der mittelfristig auch die Hauptshows RAW und SmackDown betrifft.
Die WWE-Führung soll verfügt haben, das Talent-Scouting bei kleineren Independent-Ligen komplett einzustellen, der volle Fokus liege fortan auf der Suche nach optisch hervorstechenden Athletinnen und Athleten unter 30, denen der WWE-Stil von der Pike auf beigebracht werden soll - bei den Männern bevorzugt Schwergewichte (“keine Zwerge mehr“).
Abkehr von der Formel von Triple H
Die Umwälzung ist ein Bruch mit allem, wofür NXT und Triple H - im WWE-Vorstand nun offiziell zuständig für den Bereich „Global Talent Strategy & Development“ - in den vergangenen Jahren standen.
Triple H öffnete WWE in seiner früheren Funktion als Talentvorstand für kleinere und leichtere Independent-Talente, NXT entwuchs unter ihm dem Status einer Farmliga: Die Show wurde unter einem Teil der WWE-Fans populärer als das eigentliche Kernprodukt, die TakeOver-Shows füllten Arenen mit über 10.000 Fans.
Der vermeintliche nächste Schritt für NXT, die Beförderung ins nationale US-TV im Herbst 2019, hat sich im Nachhinein nun als Wendepunkt herausgestellt: NXT verfehlte das damit verfolgte Ziel, den Konkurrenten AEW klein zu halten und verlor den Quotenkampf am Ende krachend. Es soll der Grund für den Vertrauensverlust von McMahon in Triple H und das (noch) aktuelle NXT-Produkt sein.
AEW dürfte weitere Verschmähte aufnehmen
Das neue NXT vor veränderter Kulisse (ein neues, buntes Logo wurde schon enthüllt) geht in den USA am 21. September auf Sendung, zu diesem Zeitpunkt wird das Ausmaß des Bebens noch klarer sein - das auch Auswirkungen auf Konkurrent AEW haben wird.
Die Promotion von Tony Khan darf sich von nun an wohl konkurrenzlos um einen Großteil der Independent-Talente bemühen und dürfte auch diverse ausgebootete NXT-Stars mit offenen Armen empfangen - wie jüngst schon Malakai Black, Andrade El Idolo und Rückkehrer CM Punk und bald wohl auch Daniel Bryan, „The Fiend“ Bray Wyatt und Legende Ric Flair.
Tony Khan bekräftigte am Wochenende seine Kritik an dem Richtungswechsel des Konkurrenten (“Malen nach Zahlen“). Im Wrestling Observer Radio wies er darauf hin, dass WWE mit diesen Kriterieren diverse große Wrestling-Stars ausgesiebt hätte, bevor sie dort Karriere hätten machen können, namentlich nannte er unter anderem Hall of Famer Mick Foley.
Hat sich Adam Cole schon für AEW entschieden?
Das große Beben könnte zudem schon jetzt den ersten Star unfreiwillig in die Arme von AEW getrieben zu haben: Der Pro Wrestling Insider berichtet, dass WWE eine interne Memo versandt hätte, dass Adam Cole kein Teil des Unternehmens mehr sei.
Der körperlich eher schmächtige, aber in allen anderen Bereichen herausragende Cole war in den vergangenen Jahren so etwas wie die Verkörperung des alten NXT - und überzeugte so sehr, dass auch McMahon Coles gerade ausgelaufenen Vertrag trotz des Systemwechsels hätte verlängern wollen.
Sollte Cole nun zu AEW und Lebensgefährtin Britt Baker wechseln - was er jederzeit ohne Nichtantrittsfrist tun kann - würde es von WWE ungewollt mehr als alles andere die neuen Gegebenheiten unterstreichen.
Für Cole, der die bei NXT bislang als rechte Hand von Triple H aktive Legende Shawn Michaels bewundert, ist eine große WWE-Karriere eigentlich der über allem stehende Lebenstraum - wie er noch vor wenigen Monaten im SPORT1-Interview bekräftigt hatte. Sollte auch jemand wie er nun zum Schluss gekommen sein, dass er sein Glück eher bei AEW finden wird, hätte es beträchtliche Signalwirkung.