Polarisiert hat Bill Goldberg schon immer, bereits auf seinem Karriere-Höhepunkt in den Neunzigern.
Fan-Debakel um Goldberg: WWE im Dilemma
Während die Fanmassen damals tobten, als der frühere NFL-Profi sich beim früheren WWE-Rivalen WCW durch Hulk Hogan und andere Showkampfstars vergangener Zeiten pflügte, gab es immer auch eine Kritiker-Fraktion: Zu limitiert, im Ring teils unsauber, überschätzt - so lauteten die Vorwürfe.
Die Kritik begleitete Goldberg auch durch seine ursprünglich im Jahr 2004 beendete WWE-Karriere und durch seine Comeback-Fehde gegen den alten Rivalen Brock Lesnar 12 Jahre später.
Stören musste den heute 54-Jährigen immer nur bedingt: Seine Breitenwirkung war stets mächtiger als alles, was gegen ihn ins Feld geführt wurde.
Spätestens nach seinem Auftritt beim Mega-Event SummerSlam in der Nacht zum Sonntag stellt sich aber doch die Frage, ob in der Gleichung etwas ins Rutschen gekommen ist. Und ob Goldberg - zumindest in der Form, in der er aktuell eingesetzt wird - WWE nicht mehr schadet als nutzt.
WWE SummerSlam 2021: Bill Goldberg von Fans ausgebuht
Im Schatten des noch größeren Universal-Title-Duells zwischen Roman Reigns und John Cena (und den Comebacks von Lesnar und Becky Lynch) entwickelte sich das Match zwischen Goldberg und WWE-Champion Bobby Lashley zu einem mittelschweren Debakel.
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Ein Großteil der über 50.000 Fans im NFL-Stadion von Las Vegas buhte Hall of Famer Bill Goldberg am Ende aus und bejubelte den eigentlich als Bösewicht inszenierten Lashley, als der am Ende Goldberg und dessen Sohn Gage verprügelte.
Was war passiert?
Match gegen Bobby Lashley anders als üblich
WWE wich bei Goldberg von der zuletzt üblichen Formel ab, seine Matches als extrem kurzes, aber intensives Stakkato von “Big Moves” zu inszenieren.
Stattdessen streckte WWE den Kampf auf für Goldberg-Verhältnisse lange sieben Minuten mit einer eher traditonellen Matchstory, in der Lashley systematisch Goldbergs Bein bearbeitete - bis an den Punkt, an dem der Ringrichter den Kampf abbrach.
Es war ein bewusst unzufriedenstellendes Ende, das auf ein Rückmatch hindeutet, ebenso wie die nach Rachestory riechende Attacke Lashleys auf Goldbergs Sohn, der den Vater vor weiteren Prügeln beschützen wollte.
Das Problem war: Die Emotion, die diese Szenerie auslösen sollte, war zumindest beim Großteil der Fans vor Ort nicht zu bemerken. Sie waren stattdessen hörbar genervt von einem Match, das weder Goldbergs Stärken entsprach noch ihren Ansprüchen.
Zwei Formeln - beide mit Tücken
Das zunehmend offensichtliche Dilemma mit Goldberg: Die kurzen Matches kommen ihm eigentlich eher entgegen, haben sich aber durch zu häufige Wiederholung auch für Wohlmeinende inzwischen stark abgenutzt.
Die langen Matches entblößen allerdings umso mehr, dass Goldberg körperlich zwar weiter in unglaublicher Form ist, aber athletisch schwächelt - was teils nicht nur unansehnlich, sondern auch gefährlich endet.
Sein übel missglücktes Oldtimer-Match gegen den Undertaker in Saudi-Arabien 2019 war am Ende ein Spiel mit dem Leben beider, auch gegen Lashley fiel Goldberg nach einem Tackle seines Gegners auf den Kopf und wirkte benommen.
Goldberg zieht noch immer
Warum WWE Goldberg trotzdem weiter eine Schlüsselrolle gibt, lässt sich leicht erschließen. Die Auswertung von TV- und Social-Media-Quoten hat auch zuletzt noch gezeigt, dass das kurzfristige Interesse an den sporadischen Auftritte der Legende höher ist als an den meisten Vollzeit-Stars - auch und gerade bei jüngeren Fans wirkt die Faszination des Altstars.
Es bleibt dennoch die Frage, ob die WWE-Führung um Boss Vince McMahon nicht stärker daran arbeiten müsste, das Interesse an jüngeren Stars zu steigern, statt immer wieder große Matches bei großen Shows mit Goldberg zu belegen – teilweise sogar direkt auf Kosten Jüngerer, wie bei seinem viel kritisierten Sieg über den mittlerweile entlassenen “The Fiend” Bray Wyatt im vergangenen Jahr.
Gerade auch mit Blick auf den in den kommenden Wochen schärfer werdenden Quotenkampf gegen den mit CM Punk verstärkten Konkurrenten AEW bräuchte WWE eigentlich gestärktes Interesse an den Stars, die immer da sind (Goldbergs bis 2023 laufender Vertrag sieht an sich nur zwei Matches im Jahr vor).
Weggefährte Sting bei AEW als Gegenbeispiel
Dass es andere Wege gibt, Legenden zur Etablierung jüngerer Stars zu nutzen, zeigte Konkurrent AEW gerade eben erst mit Goldbergs altem WCW-Gefährten Sting: Dass der mit 62 noch immer im Ring steht, ist zwar einerseits noch aberwitziger und auch keineswegs ungefährlich.
Allerdings hat er bei AEW eine klar definierte Rolle als Mentor des jungen Darby Allin, der meist seine bloße Aura wirken und auf Allin abfärben lässt und nur gelegentlich unter dem Jubel der Fans noch selbst Hand anlegt – was erst diese Woche wieder blendend funktionierte.
Der Einsatz von Goldberg funktionierte nicht. Und es stellt sich die Frage, ob WWE die Art und Weise seiner Auftritte nicht überdenken muss.