Dieser Mann hat bei WWE Geschichte geschrieben: Axel „Axeman“ Tischer alias Alexander Wolfe war der erste Deutsche, der bei der weltgrößten Wrestling-Liga einen Titel gewonnen hat.
Wolfe: „Leere Versprechungen“ bei WWE
Der 34 Jahre alte Dresdner war vor allem in den NXT-Kadern erfolgreich, wo er Teil der dort populären Gruppierungen SAnitY und Imperium war. Im Mai trennte sich WWE nach sechs Jahren von ihm - mit der Begründung, in der Coronakrise Kosten einsparen zu müssen, wie Tischer im SPORT1-Interview schon verraten hatte.
Warum genau aber hatte Tischer es nicht geschafft, sich in eine bessere Position zu bringen? Warum entwickelte sich die mit großen Erwartungen begleitete Beförderung in die Hauptshow SmackDown zwischen 2018 und 2019 zu einem Flop?
- In der neuen Episode von Heelturn - der SPORT1 Wrestling Podcast - auf SPORT1, Spotify, Apple Podcasts, Deezer und überall wo es Podcasts gibt - geht Tischer in die Tiefe und arbeitet seine Höhen und Tiefen bei WWE detailliert auf.
Traum von Auftritt bei WrestleMania platzte
Im Gespräch mit Marcus Hinselmann und Martin Hoffmann leuchtet der „Axeman“ seine Zeit bei SmackDown aus. Er spricht über falsche Versprechungen, die ihm und seinen SAnitY-Kollegen gemacht worden waren, die aus seiner Sicht verhängnisvolle Trennung von dem heutigen RAW-Damenchampion Nikki Cross (Nikki A.S.H.) und wie ihm sein großer Traum von einem Auftritt bei der Megashow WrestleMania in letzter Sekunde genommen wurde.
Tischer betont aber, dass er trotz Tiefschlägen und falscher Versprechungen viel mitgenommen hat, speziell von der Arbeit mit dem legendären „Heartbreak Kid“ Shawn Michaels - der ihn sogar ermutigt hat, ein von WWE-Boss Vince McMahon verhängtes Tabu zu brechen.
Tischer spricht vor seinem Comeback bei der deutschen Liga wXw am 7. August außerdem über seinen Weg ins Wrestling und seine weiteren Pläne und er bezieht auch klar Position zu Reizthemen wie den bei WWE-Fans umstrittenen Brock Lesnar und Ronda Rousey.
Ex-WWE-Wrestler Axel Tischer alias Alexander Wolfe über ...:
... die Entstehung von SAnitY:
„Die Grundidee von Sanity war eine Gruppierung, die an die Tremor Brothers um Chris Pine aus dem Film ‚Smoking Aces‘ angelehnt war: psychopathische Killer, die mit Kettensäge, Axt und abgesägter Schrotflinte in ein Restaurant stürmen und alle abschlachten, weil sie dort eine Person ermorden sollen, Leute, die totales Chaos stiften. Das war die Grundidee von Triple H - und sie wurde dann noch kurzfristig geändert, indem Nikki Cross als weibliches Mitglied dazukam, das sich auch mit Männern anlegte, was es für mich nochmal einzigartig gemacht hat.“
... die Gründe für das Floppen von SAnitY bei SmackDown:
„Direkt wurde mir nicht gesagt, wie, was und warum, ich kann nur vermuten. Ein Problem ist: SmackDown ist mehr ‚Mainstream‘ als NXT, weniger scharf, jugendfreundlicher, weniger Wrestling, mehr Entertainment, mehr Wischiwaschi. Es ist ja auch so ein Ding bei WWE, dass sie irgendwie nie was mit Wrestling zu tun haben wollen, obwohl sie eine Wrestling-Company sind, idiotischerweise. Dann war aus meiner Sicht der erste Fuck-up, dass Nikki Cross nicht mit ins Main Roster gekommen ist, das Zweite war, dass der Faktor Zeit eine wichtige Rolle gespielt hat. Wir hätten länger bei NXT bleiben sollen, die angedeutete Fehde gegen die Undisputed Era noch machen sollen, um noch mehr zu reifen.“
... eine kuriose Fügung, die zum Scheitern beitrug:
„Man hat uns gesagt: ‚Wir haben Großes mit euch vor, Vince (WWE-Boss Vince McMahon, Anm. d. Red.) hat echt Bock auf euch, wir wollen viel mit euch machen.‘ Zwei Monate später waren wir aber immer noch nicht zu sehen. Dann durften wir bei unserem Debüt die Usos angreifen, mussten aber gleich unser erstes Match verlieren - was daran lag, dass Jeff Hardy als US-Champion kurzfristig in das Match rückte, weil sein eigentlicher Gegner Shinsuke Nakamura von einem Bombenhund gebissen wurde. Hardy durfte nicht verlieren, also mussten wir verlieren, was schon mal schlecht war. Und es haperte auch daran, sich einen kreativen Weg auszudenken, uns in der Niederlage besser aussehen zu lassen. Dann durften wir zwar in der Kickoff-Show von Extreme Rules gegen The New Day gewinnen, haben das Rückmatch dann aber klar verloren - das hat sich für uns schon als der ‚kiss of death‘ angefühlt.“
... verpasste Ziele:
„Ich wäre gern beim Royal Rumble und bei WrestleMania aufgetreten. Bei WrestleMania lief das bei mir link: Wir hätten bei WrestleMania 35 einen Einsatz beim Match Shane McMahon vs. The Miz gehabt. Wir hatten die Idee gepitcht, einzugreifen und Miz bei einem Sprungstunt zu fangen, den er geplant hatte. Wir waren schon vor Ort in New York, uns wurde gesagt, ins Stadion zu den Rehearsals zu kommen - und auf dem Weg dorthin hieß es dann: ‚Jungs, wird doch nichts, fahrt nach Hause‘. Das war nochmal ein richtiger Tritt in die Eier. Kurz darauf wurde uns die Auflösung mitgeteilt.“
... falsche Versprechungen bei WWE:
„Es werden einem bei WWE viele leere Versprechungen gemacht: Wir haben Großes mit euch vor, ihr werdet bei jeder Show dabei sein, blablabla. Das ist wie es ist, ich kenne das Business und bin nicht böse darüber. Aber man muss halt wissen, dass man sich nicht auf bestimmte Aussagen verlassen kann, erst recht nicht, wenn sie von Dritten kommen, nicht vom Chef direkt.“
... die Idee hinter Imperium:
„Imperium war etwas anderes als SAnitY: Klare Kante, klare Linien, einfache Farben, schwarz und weiß bzw. grau. Ähnlich wie das Imperium bei Star Wars. Das Grundprinzip war dasselbe wie vorher bei der Ringkampf-Gruppierung in Europa: ein Zusammenschluss von Leuten, die den Sport hochhalten und dadurch böse werden, dass sie es so radikal angehen, dass sie keinen anderen für würdig halten, ihren Sport zu repräsentieren. Das hat gut geklappt, weil es recht nah an unseren Charakteren lag und wir das authentisch verkörpern konnten.“
... die Arbeit mit Legende Shawn Michaels:
„Shawn Michaels hat mir sehr geholfen, weil er einer ist, der anders als viele andere nicht nur das für erfolgsversprechend hält, was ihm selber Erfolg gebracht hat - und der einen ermutigt, Barrieren auch mal zu durchbrechen und sein Ding durchzuziehen. Mir wurde anfangs etwa gesagt, dass ich den German Suplex nicht mehr zeigen soll. Der sei Brock Lesnar vorbehalten, Befehl von Vince. Shawn dagegen hat mir irgendwann gesagt: ‚Mach’s einfach trotzdem - und wenn wer was dagegen hat, soll er zu mir kommen.‘ Und naja: Wer diskutiert schon mit Shawn Michaels?“
... die Bedeutung von John Cena für WWE:
„John Cena ist immer offen für ein Gespräch, man kann immer Tipps und Ratschläge von ihm bekommen. Die Gelegenheit sollte auch jeder nutzen, wenn man sich seine Karriere anschaut: Er war derjenige, der es WWE mit seiner Popularität ermöglicht hat, wieder in Stadien zu veranstalten, verkürzt gesagt: Er hat mir wahrscheinlich überhaupt erst ermöglicht, dass ich zu WWE konnte. Für WWE ist Cena das, was ein guter Stürmer für eine Fußballmannschaft ist: einer, der das Tor trifft.“
... Reizfigur Brock Lesnar:
„Viele meckern, dass er nicht immer dabei ist - aber viele meckern auch, wenn jemand zu oft präsent ist. Was soll man sagen? Entscheidet euch. Klar, er hat einen besonderen Status, aber er hat ihn sich auch erarbeitet. Und wenn man seine Matches gegen Daniel Bryan, AJ Styles und Finn Balor sieht: Der hat Bock - und er lässt seine Gegner darin auch richtig gut aussehen. Man kann ihm nicht nachsagen, dass er faul ist oder seine Arbeit nicht macht. Er tritt halt nur dann auf, wenn etwas Besonderes ansteht, wie ein Boxer für große Matches. Ihn jede Woche zu sehen, da würde sich was ausleiern. Wenn er aber da ist, dann versteht er auch, die richtige Psychologie reinzubringen, dich mitfiebern zu lassen. Er ist Top-Level. Klar, es gibt immer Neider, aber wenn jemand Brock Lesnar um seinen Status beneidet, sage ich: Tu was dafür, dass du diese Position bekommst. Aber das können halt viele nicht.“
Wissenswertes zum Thema Wrestling:
... Kritik an der Rolle von Ronda Rousey bei WWE:
„Das ist für mich Bullshit. Die Frauen, über die es hieß, dass sie ihnen den Platz weggenommen hätte: Die haben nicht geschafft, was Ronda Rousey geschafft hat - und einige von ihnen waren im Ring peinlicherweise nicht mal halb so gut wie sie, als sie bei WWE angefangen hat. Sucht euch jetzt selber raus, wer damit gemeint ist. Die Frauen, die jetzt bei WWE wirklich on top etabliert sind, haben sich auf jeden Fall nicht über Ronda Rousey aufgeregt. Sie hatte Bock auf Wrestling und jeder hat von ihr profitiert, von ihrer Geschichte bei der UFC, von ihren Auftritten in Hollywood. Sie hat das Produkt größer gemacht.“
... das aktuelle WWE-Produkt:
„Ich schau mir die WWE-Shows nicht an. Nicht, weil ich böse bin, nicht mehr dort zu sein, und nicht weil ich was gegen die Leute dort habe - WWE hat einen Kader, der seinesgleichen sucht -, aber mir ist die Zeit dafür einfach zu schade. Ich halte mich mit YouTube und Showzusammenfassungen auf dem Laufenden, aber drei Stunden RAW mit Werbepausen: Erschießt mich!“
... seine Ziele außerhalb von WWE:
„Ich möchte mein Wissen weitergeben, die deutsche Szene etwas aufpäppeln. Jeder, der meine Hilfe möchte, auch als Trainer, kann mich anschreiben. Ich werde wieder bei wXw antreten, früher oder später auch bei der GWF in Berlin. Auch England ist ein Ziel und weiter Termine in den USA: Das WrestleMania-Wochenende würde ich diesmal gern von der anderen Seite mitnehmen und bei den boomenden Independent-Ligen dabei sein.“