An Selbstbewusstsein hat es Max Friedman offenbar noch nie gemangelt, auch nicht als er fünf Jahre alt war.
Diesen Mann muss WWE fürchten
Ob er denn je gedacht hätte, es mal ins Fernsehen zu schaffen, wurde er damals gefragt, als er zu Gast in der TV-Show der berühmten US-Moderatorin Rosie O'Donnell war. Seine Antwort, ohne einen erkennbaren Moment des Zögerns: "Ja!"
Es war das Jahr 2001, die Eltern des kleinen Jungen aus New York hatten O'Donnell einen Videoclip geschickt, in dem er den Country-Song "You are my sunshine" zum besten gab, 14 Mal hintereinander. O'Donnell erkannte das Potenzial für ein paar unterhaltsame Fernsehminuten - und lag richtig.
Der kleine Max begeisterte das Publikum mit seiner Gesangseinlage, mit trocken vorgetragenen Anti-Witzen ("Warum hat das Huhn die Straße überquert? Weil es auf die andere Seite wollte") und mit seinen vollmundigen Zukunftsplänen. Opernsänger wolle er werden, wenn er mal groß sei. Und nebenbei Wrestling-Star, wie seine Idole Bill Goldberg und The Rock.
20 Jahre später hat letzteres schon mal geklappt - und Maxwell Jacob Friedman ist jetzt auch nicht nur irgendein Wrestling-Star. Er gilt als das heißeste junge Talent der Branche, mit dem Potenzial, das Gesicht des WWE-Rivalen AEW zu werden, ihr erster selbst erschaffener Megastar, der das ganze Projekt auf eine neue Stufe heben kann - und dem Marktführer dabei einiges an Kopfzerbrechen bereiten.
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Großer Moment gegen Chris Jericho bei "Blood and Guts"
In der Nacht zum Donnerstag hat Friedman seinen bislang größten Moment bei AEW erlebt, er stand bei der Show Dynamite im Zentrum des monatelang aufgebauten "Blood and Guts Matches", einer Käfigschlacht, in der er mit seiner Gruppierung The Pinnacle auf Legende Chris Jericho und dessen Inner Circle traf.
MJF sorgte am Ende für den Sieg seines Teams und den dramatischen Schlusspunkt: Er stieß seinen früheren Mentor Jericho nach einer für beide blutig geendeten Prügelei vom Käfigdach - ein Aufsehen erregender und mit viel Symbolik aufgeladener Moment, der als Karriere-Meilenstein von MJF in Erinnerung bleiben wird.
Im selben Jahr, als der am 15. März 1996 geborene Friedman in der O'Donnell-Show zu Gast war, war der 25 Jahre ältere Jericho mit seinen Siegen über Friedmans Idol The Rock und Superstar Stone Cold Steve Austin bei WWE zum ersten "Undisputed Champion" aufgestiegen.
Friedman hat sich seitdem zu einer explosiven Mischung aus dem jungen Rock und dem jungen Jericho entwickelt: ein geborener Entertainer mit riesiger Bühnenpräsenz, der in ähnlichem Maße vor Charisma, Schlagfertigkeit und Ideenreichtum sprudelt - und ähnlich gut zwischen launigem Spaß und scharfem Ernst hin- und herschalten kann.
MJF weckt Erinnerungen an zahlreiche Legenden von WWE
Mit seinem Charakter als privilegierter Junge mit edlem Burberry-Schal eifert Friedman als Wrestler auch vielen anderen erklärten Vorbildern nach: Ric Flair, "Rowdy" Roddy Piper, dem "Million Dollar Man" Ted DiBiase. Auch Parallelen zu einem anderen jüdischen Jungen aus New York sind erkennbar: dem großen und viel zu früh verstorbenen Komiker Andy Kaufman, der die von ihm geliebte Wrestling-Branche einst auf unvergessliche Weise aufgemischt hatte.
Friedman versteht es so gut wie wenige andere Stars der neuen Generation, den Charme der Oldschool-Bösewichte, die Fans zu hassen liebten, in die neue Zeit zu übertragen - weswegen ihm schon seit einigen Jahren der Ruf vorauseilt, ein ganz Großer werden zu können.
Der Schüler des früheren WWE-Wrestlers Curt Hawkins und des heute als Producer und Offizieller dort arbeitendem Pat Buck steht seit 2015 im Ring und machte zunächst vor allem bei den kleineren Ligen CZW und MLW auf sich aufmerksam.
2019 war der an der Schule auch als Footballer hervorstechende Friedman eines der ersten jungen Gesichter, das AEW unter Vertrag nahm. Friedman bekam einen Fünf-Jahres-Deal, der schon damals ein Statement war. Es darf als sicher gelten, dass es in drei Jahren ein millionenschweres Wettbieten von AEW und WWE um seine Dienste geben wird.
Auch die New York Times verneigte sich
Die ambitionierte Promotion des Milliardärssohns Tony Khan baut Friedman seit dem Debüt langsam, aber konsequent als Star der Zukunft auf, förderte ihn durch durch große Fehden mit den bekanntesten etablierten Stars der Liga: Cody Rhodes, Ex-Champion Jon Moxley (Dean Ambrose) und nun Jericho. Die Formation des an Flairs "Four Horsemen" erinnernden Pinnacle mit Original-Horseman Tully Blanchard als Manager ist ein weiterer Baustein des Masterplans.
Speziell im Programm mit "Le Champion" zeigte MJF alle Facetten seines Könnens, die ihm auch Aufmerksamkeit über die Wrestling-Szene hinaus bescherten: Sein skurriles "Dinner Debonair" mit Jericho, das mit einer gemeinsamen Darbietung des von Frank Sinatra und Sammy Davis Jr. bekannten Duetts "Me and my Shadow" endete, wurde von der New York Times als eine der "Best Performances of 2020" in allen Unterhaltungs-Sparten gewürdigt.
Nebenbei mündete der Artikel in weiterer Publicity für MJF, als er sich mit der ebenfalls hervorgehobenen Gesangs-Ikone Dionne Warwick (80) einen frechen Schlagabtausch bei Twitter lieferte.
MJF hat auch Auftritt bei Rosie O'Donnell umgedeutet
Auch seinen alten TV-Auftritt bei Rosie hat MJF sich natürlich längst zunutze gemacht und in seinen Charakter eingebettet.
Als der Clip 2019 viral ging, stritt MJF zunächst ab, das Kind in dem Video zu sein und veröffentlichte schließlich ein empörtes Twitter-Statement, in dem er sich darüber beklagte, dass er damals mit Leitungswasser und schlechtem Käse verpflegt worden wäre, obwohl er doch schon damals ein Superstar gewesen sei.
Am schlimmsten sei die Begegnung mit einer anderen jungen Sängerin gewesen, die sich an ihn heranzumachen versucht und ihn mit ihren eigenen, offensichtlich völlig aussichtslosen Karriere-Ambitionen genervt hätte.
Gemeint war eine junge Frau, die damals tatsächlich in derselben Show zu Gast war: Britney Spears.