Sein unwahrscheinlicher Aufstieg zum Underdog-Champion berührte die WWE-Fans - sein Karriere-Ende unter Tränen zwei Jahre später schockte sie.
WWE-Star: Das läuft bei uns falsch
Seit 2018 steht Daniel Bryan wieder im Ring, nachdem er sich von seinen schweren Kopf- und Nackenverletzungen erholt hat. Seit diesem Wochenende steht fest, dass Bryan am 11. April das größte Match seit seinem Comeback bestreiten wird: Im Hauptkampf des zweiten Abends der Megashow WrestleMania 37 trifft er auf Universal Champion Roman Reigns und Royal-Rumble-Sieger Edge.
Bryan, der schon unter seinem bürgerlichen Namen Bryan Danielson ein Phänomen im Independent-Bereich war, ist einer der technisch besten Wrestler der Welt. Zudem ist der Ehemann von Nikki Bellas Zwillingsschwester Brie ist auch für seine rhetorischen Qualitäten und seinen "Wrestling Mind" bekannt.
Im SPORT1-Interview spricht der 39-Jährige offen und ehrlich über die Karriere-Ziele, die er noch hat - und auch über Missstände bei WWE und wie er sie beheben würde.
SPORT1: Daniel Bryan, Sie stehen im Hauptkampf von WrestleMania 37 - womit Ihre Karriere wenige Wochen vor ihrem 40. Geburtstag am 22. Mai nochmal zu neuer Blüte gekommen ist. Wie sehen Sie aktuell Ihre Rolle bei WWE, jetzt und in Zukunft?
Daniel Bryan: Ich habe eine große Frage bei allen Dingen im Leben: Wie verlässt man einen Ort, den man verlässt, in einem besseren Zustand, als er vorher war? Das ist mir jetzt wichtiger, als zu Beginn meiner WWE-Karriere, als ich gekommen bin, mit dem Ziel, der Beste zu sein. Ich habe hier unglaubliche Momente erlebt, aber nun, wo ich älter werde, setze ich andere Prioritäten.
SPORT1: Welche sind das?
Bryan: Ich möchte den jüngeren Talenten helfen. Wenn ich zurückdenke an meine eigene Jugend, als ich 15, 16 war: Es gab da keinen einzigen Menschen über 40, den ich cool fand, wissen Sie was ich meine (lacht)? Und von daher mache ich mir Gedanken, was ich für die tun kann, die eine neue Generation von Wrestling-Fans begeistern. Wrestling ist die Kunstform, die ich liebe und ich bin der Meinung, das ich eine Verpflichtung habe, für die junge Generation einen Schritt zur Seite zu gehen - etwas, was in anderen Generationen nicht jeder Star gemacht hat, wenn er gemerkt hat, dass die Fans ihn immer weiter sehen wollen. Ich sehe es aber als meinen Job, die Starpower auf die nächste Generation zu übertragen.
SPORT1: Dann kann nicht in Ihrem Sinne sein, dass zu Beginn des Jahres 16 von 30 Teilnehmern des Royal Rumble über 40 waren und nur zwei unter 30. Wie kommt es zu diesem Übergewicht der Älteren?
Bryan: Nun, dafür gibt es schon Erklärungen. WWE ist ein Großunternehmen, das zwei große wöchentliche Live-Fernsehshows ausstrahlt. Wer Live-TV macht, braucht Leute, denen man vertrauen kann - und es hat seinen Logik, wenn WWE vor allem auf Leute vertraut, die ihren Job schon lange machen, die wissen, was zu tun ist. Jüngere Talente müssen sich dieses Vertrauen erstmal verdienen und das ist schwer.
SPORT1: Was muss WWE ändern?
Bryan: Ich finde, die jüngeren Talente brauchen einen Vertrauensvorschuss und die Möglichkeit, auch Fehler zu machen. Als ich zu WWE kam, habe ich auch Fehler gemacht (Darum wurde Daniel Bryan nach seinem WWE-Debüt gefeuert).
Oder denken Sie zurück an Randy Orton: Er war 24, als er das erste Mal World Champion war und weit davon entfernt, der Performer zu sein, der er heute ist. Aber man hat ihm gute, erfahrene Leute zur Seite gestellt, hat ihm den Raum gegeben, Fehler zu machen, zu scheitern und daraus zu lernen. Heute ist das vielleicht noch schwerer in der Social-Media-Zeit, in der viele auf die Fehler anderer warten und sich sofort auf sie stürzen. Aber teilweise ist das dann auch ein paar Stunden später schon wieder vergessen. Es braucht einfach die nötige Geduld, an solchen Erfahrungen zu wachsen. Und vielleicht macht auch das System von WWE es den Jüngeren heute schwerer.
SPORT1: Wie meinen Sie das?
Bryan: So wie WWE gerade konzipiert ist, braucht ein junger Wrestler schon eine enorme Menge an Talent, um es überhaupt zu NXT zu schaffen - der Show, die früher der Entwicklungskader von WWE war, es aber längst nicht mehr ist, sondern eine Eigenmarke, was auch die Leute dort so sehen. Wir brauchen vielleicht ein anderes System, um Talente zu entwickeln und an den Punkt zu bringen, an dem man sie reinwerfen kann und schauen, wie sie sich schlagen. Gerade jetzt in der Corona-Zeit ist es ein noch größeres Problem, die nötige Erfahrung zu sammeln, ohne Liveshows vor Publikum. Wir haben da bei der Talentförderung eine komplizierte Situation, für die wir uns Lösungen einfallen lassen müssen.
SPORT1: Beim Vergleich mit AEW fällt auf: Dort sieht man mehr junge, teils auch noch unfertige Talente in den Hauptshows - die sich so aber nach vorn entwickeln. Sollte auch WWE vielleicht die eigenen Kriterien überdenken, wer "tv-reif" ist?
Bryan: Ja, ich sehe, was andere Ligen machen - aber auch bei WWE gibt es ja andere Herangehensweisen: Im Europakader NXT UK ist ein Pete Dunne nach oben gekommen, ein Tyler Bate. Das sind wirklich junge Talente - und sie sind der Wahnsinn! Bei NXT UK gab es neulich ein Match zwischen Bate und Bailey Matthews, dem Sohn meines Mentors William Regal. Ich habe das gesehen und war einerseits beeindruckt, wie weit Bailey schon kurz nach seinem Debüt war - und andererseits schaue ich Tyler Bate an, der gerade 24 geworden ist und denke: Der Junge ist schon jetzt ein Ringgeneral! Holen wir ihn zu SmackDown! Genauso Dunne, der jetzt bei NXT USA ist: Er ist wirklich, wirklich gut, hat auch einen coolen Look - warum bringen wir ihn nicht zu RAW oder SmackDown? Ich glaube, wir brauchen die Bereitschaft zu solchen Experimenten. Und rein egoistisch gedacht: Ich will die wrestlen!
SPORT1: Wären die deutschsprachigen Hoffnungen von Imperium da auch Kandidaten? Mit WALTER aus Österreich hatten sie es bei der deutschen Liga wXw ja schon mal zu tun vor Ihrer WWE-Zeit.
Bryan: Ja, und ich hätte ihn jetzt auch liebend gern jede Woche bei SmackDown - aber man müsste ihn halt auch überreden, mehr in die USA zu reisen (lacht).
Bryan: Was ich auch verstehe: Jeder Mensch hat unterschiedliche Ziele im Leben - und es ist ja nicht so, dass jemandem alle Optionen verbaut sind, wenn einem Familie und Freunde so wichtig sind, dass man nicht ständig unterwegs sein möchte. Schauen Sie sich die Karriere von Jerry "The King" Lawler an, der für mich einer der Größten aller Zeiten war: Er hat fast all seine großen Matches in seiner Heimatregion Memphis bestritten und konnte hinterher im eigenen Bett schlafen. Aber wenn wir WALTER vielleicht mal sagen könnten "Komm doch einfach mal drei, vier Monate zu SmackDown und schau, ob du doch auf den Geschmack kommst" - ich würde es lieben! (Jerry Lawlers legendäre Fehde gegen Komiker Andy Kaufman - und ihr tragisches Ende)
SPORT1: Nochmal zurück zum Thema Konkurrenz: Roman Reigns, der Universal Champion, hat Ende 2019 im SPORT1-Interview gesagt, dass er AEW überhaupt nicht als echte Konkurrenz empfindet. Gesundes Selbstbewusstsein oder gefährlicher Übermut?
Bryan: Ich sehe das anders als Roman, vielleicht auch, weil ich eine andere Geschichte habe als er. Er ist durch das WWE-System nach oben gekommen, ich durch das Independent-System - dessen Aufstieg ich miterlebt habe. Ich finde auch, dass WWE Stärken hat, die keine andere Liga zu bieten hat, das Produktionsteam, das wir haben, ist das Beste der Welt. Was die zum Beispiel neulich aus meinem Cage Match gegen Jey Uso rausgeholt haben: unfassbar. Ich habe unserem Produktionschef Kevin Dunn hinterher gesagt, dass da Kamerawinkel dabei waren, von denen ich gar nicht gedacht hätte, dass sie menschenmöglich sind. Oder schauen Sie sich den Thunderdome an, in dem die Veranstaltungen aktuell stattfinden: Das ist ein technologisches Wunderwerk! Trotzdem darf keiner von uns etwas vergessen, was jedes Unternehmen der Welt beherzigen muss.
SPORT1: Was genau?
Bryan: Man muss dazulernen, immer weiter dazulernen. Die Welt dreht sich in rasendem, in astronomischem Tempo weiter und wer sich da Stillstand leistet, wird abgehängt. Das gilt auch für die Unterhaltungsbranche: Die Art und Weise, wie Menschen unterhalten werden wollen, entwickelt sich weiter und wer das nicht im Blick behält, hat ein Problem. Ich schaue deshalb auf andere Wrestling-Ligen, was ich von ihnen lernen kann und obwohl ich überhaupt kein großer Film- und Fernsehfan bin, zwinge ich mich, mir bestimmte Dinge anzuschauen, um auf dem Laufenden zu bleibt, was in der Entertainment-Welt vor sich geht und ob man daraus etwas lernen kann für unsere Branche. Wir brauchen beides: Ein gesundes Maß Selbstbewusstsein, dass wir die Besten sind - und das sind wir in bestimmter Hinsicht - aber auch den Willen, von anderen zu lernen und kleine Dinge zu übernehmen, die andere vielleicht besser machen.
SPORT1: Eine anderes Thema: Sie haben sich früher vegan ernährt, was bei WWE so aber nicht ganz durchzuhalten war. Wie halten Sie es aktuell?
Bryan: Ich bin Vegetarier, das ist die einfache Antwort. Ich versuche auch, möglichst viel auf tierische Produkte zu verzichten, so vegan wie möglich zu leben, aber es geht nicht ganz, auch weil es bei mir bestimmte, recht spezielle gesundheitliche Dinge gibt, wegen derer ich nicht ganz vegan leben kann. Ich identifiziere mich trotzdem mit der veganen Community, aber wenn ich sagen würde "Ich lebe vegan" oder "größtenteils vegan": Das lasse ich inzwischen lieber - die sind da sehr streng (lacht).