Sie hat das größte Wrestling-Match ihrer Karriere hinter sich und einen Sieg von historischer Tragweite errungen.
Historischer Moment überschattet
Tessa Blanchard krönte sich in der Nacht zum Montag mit einem Sieg über Sami Callihan zum World Champion von Impact Wrestling (dem früheren TNA) und damit zum ersten weiblichen World Champion einer größeren US-Liga klassischen Zuschnitts.
Der große Moment bei der Veranstaltung Hard to Kill in Dallas ist aber durch die Ereignisse des Vortags überschattet worden, an dem Blanchard aus anderen Gründen große Aufmerksamkeit auf sich zog.
Mehrere profilierte Wrestlerinnen anderer Promotions - darunter auch zwei, die mittlerweile bei WWE sind - haben via Twitter schwere Vorwürfe gegen die 24 Jahre alte Tochter des WWE-Hall-of-Famers Tully Blanchard erhoben.
Die schwerste Anschuldigung: Blanchard soll eine Kollegin rassistisch beleidigt und bespuckt haben.
Allysin Kay erhebt Rassismus-Vorwurf
In Anspielung auf ihr großes Match veröffentlichte Blanchard am Samstag einen Tweet, mit dem sie unfreiwillig eine Lawine auslöste.
"Hey, ihr Frauen: Versucht euch gegenseitig zu unterstützen. Dann passieren coole Dinge", schrieb Blanchard. Die Reaktionen darauf offenbarten schnell, dass Blanchard sich hinter den Kulissen der Branche einige Feindinnen gemacht hat - die ihr vorwerfen, genau das Gegenteil zu tun.
"Du hast zahllose weibliche Kolleginnen herabgewürdigt, schikaniert und schlechtgemacht, auch mich. Das soll Unterstützung sein?", schrieb als eine der ersten WWE-Wrestlerin Chelsea Green, die in dieser Woche ihr Debüt bei der Show NXT gefeiert hatte und bei Impact früher als Laurel van Ness bekannt war.
In etwa zur gleichen Zeit gab Allysin Kay, eine weitere frühere Impact-Wrestlerin, Blanchard eine noch brisantere Antwort: "Weißt du noch, wie du einer schwarzen Frau in Japan ins Gesicht gespuckt hast und sie mit dem N-Wort benannt hast?", fragte der Damenchampion der Liga NWA und nannte Blanchards Tweet eine "Unverschämtheit".
Black Rose: "Ja, das ist passiert"
Während Blanchard Green noch zu beschwichtigen versuchte und sie zu einem klärenden Gespräch animierte, wies sie Kays Vorwurf zurück: "Das ist nicht wahr. Das ist mein Statement und alle Aufmerksamkeit, die ich dem widmen werde, so lächerlich ist das."
Es folgte dann allerdings Stufe 2: Blanchards mutmaßliches Opfer meldete sich zu Wort. "Ja, das ist passiert, 2017 in Japan", schrieb Nilka García Solís, die im Ring als "Black Rose" und "Rosa Negra" antritt. In holprigem Englisch, aber inhaltlich unmissverständlich, bekräftigte sie damit den Vorwurf und ergänzte, dass Rassismus "nicht lächerlich, sondern eine Krankheit" sei.
Diesen Tweet hat sie zwar mittlerweile aus unbekannten Gründe gelöscht, weiter online sind dafür andere, die darauf aufbauen - unter anderem die Antwort auf eine Bekräftigung einer weiteren Kollegin. Renée Michelle (bei WWE zu sehen als Ehefrau von Drake Maverick) ergänzte, dass sie von dem Vorfall gehört hätte, Solís aber versprochen hätte, nichts davon zu erzählen, aus Angst, dass Blanchard sich sonst bei Promotern dafür eingesetzt hätte, Solís nicht mehr zu buchen.
Blanchard reagierte darauf nicht mehr, dafür schien noch eine weitere Wrestlerin den Vorwurf zu stützen: "Sie hat noch mehr schlimmes Zeug in Japan gemacht. Nie vergessen. Halt dich an das, was du predigst, Schätzchen", schrieb die nun beim WWE-Rivalen AEW aktive Shanna.
Weitere Vorwürfe eines allgemein schäbigen Verhaltens kamen noch von Priscilla Kelly und der nun bei NXT UK, dem England-Kader von WWE kämpfenden Isla Dawn. "Ich habe deine Schikanen aus erster Hand erlebt", schrieb letztere: "Ich wurde regelmäßig beschimpft, wurde bespuckt, war Opfer von Gerüchten, musste mehrere Versuche überstehen, mich bei anderen Ligen unmöglich zu machen (und mehr). Ich kann nur beten, dass du dich jetzt an deine eigenen Ratschläge hältst."
Tessa Blanchard zwischen Reue und Trotz
Nach ihrem großen Sieg am Sonntag wandte sich Blanchard an die Fans und ging dabei offensichtlich auch auf die Vorwürfe ein, mit einer Mischung aus Andeutungen von Reue und Trotz.
"Niemand in diesem Leben ist perfekt, wir alle sind nur Menschen", sagte Blanchard, hörbar emotional: "Egal, was ihr über mich sagt, was ihr mich nennt, ich habe einen starken Willen." Ihre Promo-Ansprache, die dann zur üblichen Selbstpreisung überging, wurde mit Jubel bedacht.
Gerüchte um Rauswurf bei WWE
Auf ein ähnliches Experiment wie das mit Blanchard ließ sich bisher nur der Wrestling-Fantasy-Hybrid Lucha Underground ein, wo die Mexikanerin Sexy Star als Champion regierte (inzwischen ebenfalls unrühmlich in die Schlagzeilen gekommen). Bei WWE hielt die 2016 früh verstorbene Chyna einst den sekundären Intercontinental Title.
Blanchard, deren Vater Gründungsmitglied der legendären "Four Horsemen" um Ric Flair war, steht seit 2014 im Ring und hat sich in den vergangenen Jahren als eines der heißesten weiblichen Talente hervorgetan.
Über ihr Backstage-Verhalten wurde in der Szene aber auch immer wieder getuschelt und teils offen geschimpft, es gibt auch Spekulationen, dass es der Grund sein könnte, warum WWE sie bisher nicht verpflichtet hat, obwohl sie sich 2017 mit einem starken Match gegen Kairi Sane im Mae-Young-Classic-Turnier empfohlen hatte.
Ein Gerücht, dass sie damals wegen ihres Benehmens aus dem Performance Center von WWE geflogen sei, hat Blanchard wiederholt dementiert. In ihrer Antwort auf Green hat sie aber auch Fehler eingeräumt: "Ich bin keine Heilige, ich hatte meine Aufs und Abs und dumme Entscheidungen getroffen."
Unabhängig davon, ob der Rassismus-Vorwurf stimmt oder nicht: Viel böses Blut hat sie dabei offensichtlich hinterlassen.