"I'm gonna break the internet. I'm gonna break the world."
CM Punk & WWE: Neue Hintergründe
Auf die Wrestling-Welt bezogen hatte der frühere WWE-Topstar CM Punk durchaus recht mit diesen Worten. Er sprach sie aus, kurz bevor er Realität werden ließ, was sich in den Wochen zuvor zwar angedeutet hatte, aber dennoch eine Sensation ist und bleibt - bei dieser Vorgeschichte.
Fünfeinhalb Jahre, nachdem er die weltgrößte Wrestling-Liga verlassen, sich eine bittere Schlammschlacht mit ihr geliefert und seine Karriere beendet hatte, ist der 41-Jährige nun bei der frisch gestarteten Sendung WWE Backstage wieder aufgetaucht - nachdem er zuvor den Avancen des jungen WWE-Rivalen AEW die kalte Schulter gezeigt hatte.
Ein erster Schritt zur noch weit größeren Sensation, einem Comeback von Punk im WWE-Ring? Oder machen sich seine Fans da doch wieder nur falsche Hoffnungen? Eine klare Antwort auf diese Fragen gibt es noch nicht - aber neue Hintergründe haben sowohl Punk selbst als auch mit der Szene vertrauten Medien mittlerweile geliefert. Unter anderem ist durchgesickert, dass Punks Kontakt zu AEW konkreter war als bislang bekannt. SPORT1 ordnet die Informationslage ein.
Deal mit CM Punk lief über WWE-Sender Fox
In einem von Fox - seit diesem Herbst die US-Heimat von Friday Night SmackDown und der neuen Backstage-Show (auf dem Ableger FS1) - veröffentlichten Video ist zu sehen, wie der Auftritt vorbereitet und Punk mit einem lila Schal getarnt in das Sendestudio in Los Angeles geleitet wurde.
Auf dem Weg dorthin erzählt Punk (bürgerlich: Phil Brooks) vom Zustandekommen des Deals: Wie schon vorher bekannt wurde lief er über Fox, nicht über WWE direkt - Punks Management soll sich von sich aus bei dem Sender gemeldet haben. Die WWE-Verantwortlichen sollen zunächst skeptisch gewesen, sich dann aber nicht in den Weg gestellt haben.
Punk sagt dazu in dem Video nichts, plaudert aber über den Verlauf der Gespräche: Demnach hätte er erst die Vorstellung gehabt, als (Color-)Kommentator von WWE-Matches zurückzukehren (eine Rolle, die er schon zu Independent-Zeiten immer wieder ausgefüllt hatte).
Ein für die Deutung von Punks Absichten nicht unspannendes Detail, denn wer die Abläufe bei WWE kennt, weiß: Eine Rückkehr als Kommentator wäre noch stärker als völlige Wiedereingliederung bei WWE wahrgenommen worden - alle Kommentatoren wichtiger Shows stehen seit Jahr und Tag sehr direkt unter der Fuchtel von WWE-Boss Vince McMahon, der berüchtigt dafür ist, ihnen genaueste Anweisungen und Wortlaute in die Kopfhörer zu diktieren.
"Analyst" bei TV-Show Backstage - was heißt das?
In Punks tatsächlicher neuer Rolle als wiederkehrender "besonderer Mitwirkender und Analyst" muss er nicht im selben Maße einverleibt sein. Punk umreißt sie so: "Die Fox-Verantwortlichen haben gesagt: Wir haben A-Rod für Baseball, Troy Aikman für Football" - bei WWE sei er die Autorität, die alles erlebt hätte.
Was an dem Vergleich allerdings hinkt: Ex-MLB-Star Alex Rodriguez und der frühere NFL-Quarterback Aikman, die für Fox als Experten arbeiten, ordnen dort reale sportliche Ereignisse ein. Punk redet über eine von WWE durchchoreographierte Sport-Show - in einer völlig mit WWE verflochtenen Show über die Show.
Prinzipiell gäbe es an den WWE-Shows zwar auch vieles aus Experten-Sicht zu bewerten - die Qualität der Matches, die Qualität der Show-Segmente. Genau das ist bei Backstage bislang aber nicht passiert: Die von der WWE-Angestellten Renee Young und die ebenfalls vertraglich an WWE gebundenen Legende Booker T moderierte Sendung gibt sich zwar einen journalistischen Appeal. Faktisch ist sie aber ein von WWE vollständig abhängiges Promo-Organ, ein Teil der WWE-Scheinwelt, über das die Promotion sehr offensichtlich die inhaltliche Hoheit hat. Die dort auftretenden WWE-Stars reden dort zwar teilweise "out of character", noch lief dort aber nichts über den Sender, was nicht im Sinne der Firmenoberen gewesen wäre.
Wie Punk mit seinem nicht erst seit seiner legendären "Pipe Bomb" gepflegten Ruf als Freigeist und Klartext-Redner sich da einfügt und seine Rolle interpretiert, wird spannend zu beobachten sein. Dass er dort offen sagt "AEW Dynamite hat mir diese Woche besser gefallen", ist aber doch eher unwahrscheinlich.
Ring-Comeback scheint nicht mehr ausgeschlossen
Was die Wrestling-Fans letztlich mehr beschäftigt: Was will Punk langfristig, nachdem sein Traum, als realer Kämpfer bei der UFC neu durchzustarten, geplatzt ist? Bleibt es beim Backstage-Deal oder ist diese Vereinbarung der Türöffner für Verhandlungen über das Ring-Comeback, das Punk lange ausgeschlossen hatte?
Ausgeschlossen wirkt nun nichts mehr - der gut vernetzte Wrestling Observer hält in seinem aktuellen Newsletter fest: "Die, die im August mit ihm gesprochen haben, haben gesagt, dass er nach einem großen Angebot Ausschau hält, um zurückzukommen." Ähnlich würden die Verantwortlichen von AEW die Lage einschätzen. Vizepräsident Cody Rhodes hatte schon im Sommer prognostiziert, dass Punk wieder bei WWE landen könnte.
Eine neue Enthüllung des Observer: Anders als bislang von beiden Seiten dargestellt, hätte Punk im vergangenen Jahr - noch vor der offiziellen Formation von AEW - ein Gespräch mit Gründer und Boss Tony Khan geführt. Der Milliardärssohn hätte ihm ein "money offer" gemacht, also ein lukratives Angebot.
Punk hatte im Juli zwar auch von einem Angebot von AEW berichtet, erwähnte aber nicht dieses, sondern eine andere, später unterbreitete Offerte, die er als halbgar über Textnachrichten übermittelt darstellte.
Frust bei AEW: "Hat uns wie Dummärsche aussehen lassen"
Wie Punk in dem ESPN-Interview über AEW sprach, sorgte dort für erhebliche Irritationen: Er kritisierte, dass die Verantwortlichen seinen Namen immer wieder öffentlich in den Mund nehmen und damit falsche Erwartungen bei den Fans wecken würden - was Rhodes als unfairen Vorwurf zurückwies.
"Ich weiß, dass er nicht mag, wenn wir über ihn reden", sagte Rhodes im September bei Collider Live: "Ich habe es ihm aber, glaube ich, auch schon erklärt. Viele Leute fragen uns nach ihm und ich möchte darauf nicht antworten: 'Kein Kommentar'." Rhodes nahm Punks Namen einmal aber auch ungefragt in den Mund, als er ihn in seiner viel beachteten Promo-Ansprache erwähnte, in der er ankündigte, mit AEW die legendäre Attitude-Ära von WWE "töten" zu wollen.
Cody betonte im selben Atemzug noch einmal seine Wertschätzung für Punk ("Ich mag Phil wirklich"), merkte aber auch an: "Er hat uns schon irgendwo wie Dummärsche aussehen lassen."
Survivor Series nahe Punks Heimat Chicago
Was ebenfalls erwähnenswert ist: Punks Abgrenzung von AEW geschah damals vor dem Hintergrund der AEW-Show All Out Ende August in Punks Heimatstadt Chicago (wo die Fans WWE jahrelang mit Rufen nach dem abtrünnigen Kultstar malträtierten).
Punk hatte am selben Wochenende einen Auftritt bei der Fan-Convention Starrcast, die mit AEW nicht direkt verbunden ist, aber bislang zu jeder AEW-Großveranstaltung parallel in derselben Gegend lief. Mit seinem Interview versuchte er, enttäuschten Erwartungen vorzubeugen, dass er einen Überraschungsauftritt bei AEW hinlegen würde.
Nun befindet sich Punk mit WWE pikanterweise aber in einer sehr ähnlichen Lage. Der Zeitpunkt seines Auftauchens bei Backstage ist strategisch wohlplatziert, er fällt mitten in den anziehenden Hype um die Survivor Series. Die Traditionsveranstaltung von WWE steigt am 24. November, in weniger als eineinhalb Wochen und fünf Tage nach Punks erstem längeren Backstage-Auftritt kommende Woche.