Bret "The Hitman" Hart gegen "MegaMan" Tom Magee: Dieses Match war so etwas wie das Bernsteinzimmer des Wrestling.
WWE strahlt Sensationsfund aus
Der Showkampf aus dem Jahr 1986 ist sagenumwoben, denn die, die ihn live gesehen haben, glaubten damals, den nächsten Topstar von WWE zu erleben, einen Mann, der Hulk Hogan beerben, ihn übertreffen würde.
Es kam dann alles etwas anders. Trotzdem beziehungsweise gerade deswegen wurde das große, eigentlich nie zur Ausstrahlung bestimmte Match des vermeintlichen Wrestling-Messias Magee selbst zu einer Legende.
In der Nacht zum Dienstag hat WWE es erstmals gezeigt - nachdem es bis vor kurzem als verschollen galt. "Holy Grail: WWE's Most Infamous Lost Match" heißt die darum gestrickte 30-Minuten-Dokumentation auf dem Streaming-Portal WWE Network um eine auf mehreren Ebenen unglaubliche Geschichte.
Tom Magee wirkte wie ein kommender Megastar
Am 7. Oktober 1986 stieg der Kampf bei einer TV-Aufzeichnung in Rochester, New York. Es war ein so genanntes "Dark Match", das nicht gesendet wurde, sondern nur für die Fans vor Ort bestimmt war - in dem Fall, um den frisch verpflichteten Magee an seinen Job heranzuführen.
Der 1,96-Meter-Mann aus Kanada war ein ehemaliger Powerlifter, Bodybuilder und Strongman mit dem Look eines Achtziger-Jahre-Filmstars. Ein vielversprechendes Talent, das die damalige WWF kurz zuvor nach einigen Auftritten in Japan verpflichtet hatte - und das alle Vorschusslorbeeren einzulösen schien.
Magee verblüffte die Zuschauer mit seiner Athletik und Dynamik, ließ seinen 125-Kilo-Körper teils durch den Ring schweben, schlug Räder und 360-Grad-Salti. Noch nie hatten WWE-Fans der damaligen Zeit das bei einem Mann dieser Größe und Muskelmasse erlebt.
Bob Matthews, eine lokale Größe im Sportjournalismus, war hin und weg, schrieb, dass WWE ihren nächsten Champion gefunden hätte. Auch Ligachef Vince McMahon war überzeugt, den Mann gefunden zu haben, den er zu Hogans Nachfolger aufbauen konnte.
Kommentatorenlegende Gorilla Monsoon hielt ebenfalls fest, dass man von Magee "noch sehr viel hören" werde - das Wiederauftauchen des pointierten Kommentars von Monsoon und dem fabelhaften Bobby "The Brain" Heenan ist übrigens auch schon ein Wert an sich.
Bret Hart verbarg die Schwächen des "MegaMan"
Es kam anders - und die weitere Entwicklung Magees erzählt einiges über die Besonderheiten des Gewerbes.
Im Nachhinein zeigte sich, dass der Kampf ein absoluter "Carryjob" war, dass der Toptechniker Hart all sein Talent in die Waagschale geworfen hatte, um Magee gut aussehen zu lassen, seine Stärken zu betonen, seine Schwächen zu verbergen. "Sag mir deine drei Aktionen, ich mache den Rest", beschreibt Hart die Matchvorbereitung.
Magee schaffte es trotz seiner athletischen Anlagen nicht darauf aufzubauen, ihm fehlte der Sinn für die Feinheiten, Charisma und Bühnenpräsenz. Zwischen den Spektakel-Aktionen, die er abspulte wirkte er hölzern und verloren, sein Zauber verflog.
WWE versuchte noch mehrere Jahre vergeblich, aus Magee das Potenzial herauszukitzeln, das er im Match gegen Hart andeutete. Letztlich gab die Liga auf und entließ ihn 1990.
Der neue Hulk Hogan? Magee ahnte nichts
In den Jahren danach darauf war es stattdessen Edeltechniker Bret Hart, der Karriere machte: Zum Zeitpunkt des Matches mit Magee war er noch als Tag-Team-Wrestler aktiv und galt damals trotz seines handwerklichen Könnens nicht als Kandidat für Höheres. Als Main-Event-Star feierte er erst Anfang der Neunziger seinen Durchbruch.
Der heute 60 Jahre alte Magee arbeitete nach seiner unvollendeten Karriere als Fitnesstrainer, 2018 kam er nochmal in die Schlagzeilen, als er Opfer eines fürchterlichen Überfalls wurde und von sechs Kriminellen krankenhausreif geschlagen wurde.
Dass WWE in ihm zwischenzeitlich Hogans Nachfolger sah, war ihm nach eigenen Angaben nicht bewusst. "Mir haben sie das nie gesagt", erzählt er in der Doku.
Verschollenes Match wurde zur Legende
Das Match seines Lebens schien für die Nachwelt verloren, WWE hatte es nie ausgestrahlt und auch nicht mehr archiviert, als es später durch Harts Autobiografie, Artikel und Erzählungen wieder ins Bewusstsein rückte. Auch in der Tapetrader-Szene konnte niemand den verlorenen Schatz entdecken und heben. Familienmitglieder Harts berichten in der Doku, dass er ihnen mehrfach angekündigt hatte, in Besitz des Videos zu sein und es ihnen bei nächster Gelegenheit zu zeigen - es dann aber doch nie gefunden hätte.
Ende März dann versetzte Wrestling-Fan Mary-Kate Anthony die Szene in Wallung, als sie ein Foto des VHS-Tapes verbreitete. Anthony hatte für Harts persönliche Assistentin dessen analoge Videosammlung digitalisiert und dabei schließlich das Magee-Match gefunden.
Fans beknieten Anthony, das Match zu posten - was WWE über ihre Rechtsabteilung verhinderte und den verschollenen Kampf stattdessen selbst verwertete.
Der Schatz ist gehoben: Ab jetzt kann jeder sehen und sich ausmalen, was gewesen wäre, wenn der "MegaMan" wirklich so gut gewesen wäre, wie Bret Hart ihn wirken ließ.