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Der halbherzige WWE-Neustart

WWE-Boss Vince McMahon rufen eine neue Zeitrechnung bei RAW und SmackDown aus. Doch bei genauerem Hinsehen ändert sich im Kern tatsächlich wenig.
Hulk Hogan, Bret Hart, der Undertaker, Roman Reigns: SPORT1 zeigt die Stars, die WWE seit den Achtzigern am meisten geprägt haben.
WWE-Boss Vince McMahon rufen eine neue Zeitrechnung bei RAW und SmackDown aus. Doch bei genauerem Hinsehen ändert sich im Kern tatsächlich wenig.

Es war ein Auftritt, wie ihn WWE-Fans nicht alle Tage erleben.

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Der mächtige Firmen-Patriarch Vince McMahon, der sein Showkampf-Imperium mit einem ähnlichen Selbstverständnis regiert wie Uli Hoeneß seinen FC Bayern, machte sich klein.

Monday Night RAW, seine Flaggschiff-Show, fuhr zuletzt die schlechtesten TV-Quoten ihrer Geschichte ein - worauf McMahon mit einem selten gewordenen persönlichen Auftritt zu Beginn der dieswöchigen Ausgabe reagierte. Einem ungewohnt demütigen.

Die Botschaft, die er zusammen mit seiner Familie (Tochter Stephanie, Sohn Shane, Schwiegersohn Triple H) versandte: Die WWE-Führung hätte zuletzt Fehler gemacht, zu wenig auf die Fans gehört, müsse die Zeichen der Zeit besser erkennen, das Potenzial ihrer Stars besser ausschöpfen.

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Wir haben verstanden, signalisierten die McMahons und riefen einen "Neustart" aus. Aber haben sie wirklich verstanden? Auch wenn der Hype um die Auftritte der McMahons bei RAW und SmackDown die Quote beider Shows etwas verbessert haben: Erste Zweifel hat der Verlauf der restlichen Show bereits geweckt.

Treue Fans fordern: Mehr NXT wagen

Ausgerechnet der auffälligste Einschnitt, die angekündigte Berufung von sechs NXT-Talenten in die Hauptkader, erweist sich bei näherer Betrachtung als nicht allzu beherzt.

Für diejenigen, denen das Kürzel nichts sagt: NXT ist der maßgeblich von McMahons Schwiegersohn Triple H (Paul Levesque) verantwortete Entwicklungskader von WWE, bei dem Neuverpflichtungen und Eigengewächse auf den Durchbruch bei RAW und SmackDown vorbereitet werden. NXT hat ein prächtiges Eigenleben entwickelt, zahlreiche treue WWE-Fans sehen sich die Shows auf dem Streaming-Portal WWE Network sogar lieber an als RAW und SmackDown.

NXT ist weniger entertainmentlastig, mehr auf die Bedürfnisse des Kernpublikums zugeschnitten: Es liefert begeisterndes Wrestling - und alle, die sich begeistern haben lassen, wünschen sich, davon bei RAW und SmackDown mehr zu spüren.

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Man könnte nun denken, dass die Berufung von sechs NXT-Wrestlern ein Schritt in diese Richtung wäre. Doch genau das ist sie eigentlich nicht, wenn man sich ansieht, welche NXT-Wrestler der McMahon-Clan sich herausgepickt hat.

WWE hat nicht die Besten herausgepickt

Wäre es ihm darum gegangen, die besten, bei den Fans beliebtesten NXT-Wrestler auszuwählen, hätte WWE Johnny Gargano und Tomasso Ciampa nehmen müssen, die sich bei NXT die klar beste WWE-Fehde 2018 geliefert haben. Dazu die Ausnahmebegabungen Ricochet, Aleister Black, Pete Dunne. Den charismatischen Adam Cole und seine Undisputed Era.

Sie alle zusammen debütieren zu lassen, zum Beispiel als Gruppierung, die bei ihrem Debüt wie einst The Nexus alles kurz und klein schlägt, eine große Alt-gegen-Neu-Story in Gang setzt: Das wäre ein Paukenschlag gewesen, ein mutiges Experiment, um nach der Krebserkrankung von Roman Reigns neue Stars zu schaffen - und ein Signal, dass WWE diejenigen belohnt, die sich ihre "Overness" bei den NXT-Zuschauer hart erarbeitet haben.

Es wäre das gewesen, was die McMahon-Familie bei RAW versprochen hat: ein Hören auf die Fans.

Vince McMahon bleibt bei seinen Mustern

Stattdessen hat WWE offensichtlich andere Kriterien angelegt, eine Auswahl getroffen, die mehr den bekannten Vorlieben Vince McMahons entspricht: monströse Erscheinungen wie Lars Sullivan und Heavy Machinery. Den Modellathleten EC3, der ein besserer Redner als Wrestler ist. Die wrestlerisch bei NXT kaum profilierte Lacey Evans.

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Klammert man Nikki Cross aus (die ihr SmackDown-Debüt eigentlich auch schon absolviert hat), sind es typische McMahon-Picks: Er setzt mit Vorliebe auf optisch hervorstechende Wrestler, von denen er annimmt, dass sie den Bedürfnissen des Mainstream-Fernseh-Publikums eher entsprechen als die weniger massiven Gargano, Ciampa und Co.

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McMahon liegt da nicht völlig falsch, sonst wäre er nicht seit bald zwei Jahrzehnten unangefochtener Marktführer. Seine Auswahl weckt dennoch den Verdacht, dass der vollmundig angekündigte Neustart letztlich doch nur gut verpacktes "business as usual" ist.

Wie der Wrestling Observer berichtet, waren die NXT-Berufungen auch tatsächlich ohnehin für die nächste Zeit geplant - sie jetzt schon anzukündigen, ist in erster Linie ein Verkäufer-Trick. Dem Observer zufolge gilt das auch für die angekündigten Comebacks von Kevin Owens und Sami Zayn, die wohl erst im Februar erfolgen werden können.

Kreativer Trott hemmt Stars

Ohnehin ist bei WWE nicht der Knackpunkt, dass nicht genügend neue Gesichter aus NXT hochkommen, sondern was dann passiert.

Immer wieder war in den vergangenen Jahren zu beobachten, dass Wrestler sich bei NXT einen Ruf wie Donnerhall erarbeiten, beim Hauptkader-Debüt begeistert empfangen werden - und dann bei RAW oder SmackDown schlecht eingesetzt werden und ihre Popularität verlieren, statt darauf aufzubauen. Bayley und Bobby Roode sind die besten Beispiele, bis zu einem gewissen Grad auch Shinsuke Nakamura und Finn Balor (der nun laut Observer wieder vor einem etwas größeren Push stehen soll).

Kreativer Trott, wenig Langzeitplanung, das Hineinpressen der neuen Wrestler in alte Muster, die sich zuletzt eben nicht mehr bewährt haben: Das sind die entscheidenden Probleme.

Seth Rollins und Drew McIntyre verlieren an Fahrt

Diese Probleme betreffen auch die Kräfte, die schon länger dabei sind: Die vielversprechende Fehde zwischen Seth Rollins und Dean Ambrose ist WWE bislang missraten. Und auch der als Topstar 2019 hoch gehandelte "Scottish Psychopath" Drew McIntyre wird plötzlich in eine lieblose Dreierrivalität mit Balor und Dolph Ziggler gesteckt, kassiert ohne Not Niederlagen und verliert einen Teil seiner besonderen Aura.

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Bezeichnend: Der gelungenste kreative Schachzug der vergangenen Wochen - die fabelhafte Verwandlung von Daniel Bryan vom Publikumsliebling zum moralinsauren Psycho-Bösewicht - ist in Idee und Ausführung das Werk von Bryan selbst, nicht das des Autorenteams. Ähnliches gilt für den bemerkenswerten Popularitätsschub von Becky Lynch.

Es gibt für WWE hinter den Kulissen einiges zu tun, damit der Neustart mit Beginn der "Road to WrestleMania" im kommenden Jahr wirklich in Schwung kommt.

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