Im Rückblick schrumpft Ken Nortons Box-Karriere beinahe auf einen Kampf zusammen, eigentlich sogar nur auf einen Moment:
Das traurige Ende einer Box-Ikone
Als Norton am 31. März 1973 den größten Boxer der Historie in einem Aufbaukampf in San Diego in den Ringstaub schickte und besiegte, wurde aus dem „Black Hercules“ für alle Welt und alle Zeiten der „Jawbreaker“. Der Mann, der Muhammad Ali den Kiefer brach. (Muhammad Ali: Box-Ikone zahlte für Mythos einen teuren Preis)
Es war die berühmteste Episode eines bewegten Sportlerlebens, das nach der Karriere durch einen dramatischen Unfall eine tragische Wendung bekam. Heute vor 10 Jahren, am 18. September 2013, starb der früh zum Pflegefall gewordene Ali-Schreck - drei Jahre vor seinem berühmten Rivalen.
Ken Norton sorgte schon im Schulsport für Furore
Der am 9. August 1943 in der Kleinstadt Jacksonville in Illinois geborene Norton war schon früh ein herausragender Athlet, der an der Highschool auf hohem Niveau Football und Leichtathletik betrieb.
Bei einem Schulwettbewerb gewann er einst Wettkämpfe in sieben von acht Disziplinen, für die sein Coach ihn angemeldet hatte - seitdem gibt es an amerikanischen Schulen die „Ken Norton Rule“, die Teilnahmen auf vier begrenzt,
Als Norton zwischen 1963 und 1967 im US Marines Corps diente, begann er zu Boxen und wurde nach dem Ende seiner Armeezeit Profi. Der große Durchbruch gelang ihm dabei am 31. März 1973 in San Diego, als er den großen Ali schockte.
Muhammad Ali von Nortons unorthodoxem Stil geschockt
Norton überraschte Ali damals mit seinem unorthodoxen Stil, vor allem mit den untypischen Jabs von unten statt oben kam Ali nie ganz zu Recht. Ab der zweiten Runde war „The Greatest“ zudem in Mitleidenschaft gezogen von dem berühmten Hieb, der ihm den Kiefer brach.
Mit 2:1-Kampfrichterstimmen wurde Norton am Ende der zweite Gegner nach Trainingspartner Joe Frazier, der Ali bezwingen konnte.
„Ali dachte vor dem Kampf, es würde leicht werden. Aber im Krankenhaus sagte Ali zu Ken: ‚Ich will nie wieder gegen Dich boxen‘“, erinnerte sich später Alis Manager George Kilroy.
Tatsächlich jedoch geriet „Ali vs. Norton“ zum spektakulären Dreiteiler.
Verlorene Trilogie gegen Ali raubte Norton das Selbstvertrauen
Noch im gleichen Jahr revanchierte sich Ali zunächst in Los Angeles ebenfalls mit einem Sieg durch „Split Decision“ (2:1-Mehrheitsentscheidung) und siegte 1976 in einem Titelkampf im New Yorker Yankee Stadium einstimmig.
Wie schon nach Los Angeles glaubten auch nach dem dritten Duell viele Experten an ein Fehlurteil, selbst Ali bezeichnete seinen „Angstgegner“ nach einem seiner umstrittensten Erfolge als wahren Sieger.
Umso schwerer war für Norton die zweite verpasste Titelchance nach seiner K.o.-Niederlage 1974 in Venezuela gegen George Foreman zu verkraften. Die mentalen Folgen der verlorenen Serie gegen Ali spielte dabei eine Rolle, wie Norton später befand.
„Nach New York war ich nie mehr der Boxer, der ich vorher war“, sagte er: „Ich war an diesem Abend in der Form meines Lebens. Ich habe nie wieder so hart trainieren und so viel Leidenschaft in einen Kampf legen können.“
Brutaler Klassiker gegen Larry Holmes
Norton wurde dann doch noch Weltmeister, allerdings nicht auf dem Weg, den er sich vorgestellt hatte: Weil Leon Spinks 1978 seinen von Ali gewonnenen Titel lieber in einem Rückkampf als gegen den offiziellen Herausforderer Norton verteidigen wollte, setzte der Weltverband WBC den amtierenden Champion ab und Norton als neuen Weltmeister aller Klassen ein.
Der erste Schwergewichts-Champion, der den wichtigsten Gürtel im Profi-Boxsport nicht im Ring gewann, hatte keine lange Freude an seiner Krone: Norton musste sich Larry Holmes schon bei seiner ersten Titelverteidigung in Las Vegas nach einer ebenso brutalen wie hochklassigen Ringschlacht über 15 Runden geschlagen geben - durch Split Decision.
Von der erneuten bitteren Niederlage erholte Norton sich nicht mehr. Er war aber ohnehin schon dabei, sich ein neues Leben aufzubauen.
Zweite Karriere in Hollywood
Schon während seiner laufenden Profi-Karriere startete Norton als Schauspieler eine zweite Karriere: Er hatte Rollen in den Kultserien „Knight Rider“ und „A-Team“, spielte auch in diversen B-Movies mit, seine größte Rolle hatte er als zur Belustigung seines Meisters kämpfender Sklave in „Mandingo“.
Norton war im ersten Teil des Hollywood-Epos „Rocky“ auch vorgesehen für den Part großmäuligen Champions Apollo Creed spielen, er verzichtete aber kurz vor Beginn der Dreharbeiten, sodass stattdessen Carl Weathers zu der ikonischen Rolle als Gegenspieler von Sylvester Stallone kam.
Abseits der Leinwand lebte der dreimal verheiratete Norton ein erfülltes Leben als stolzer Vater von vier Kindern, unter ihnen der langjährige NFL-Linebacker Ken Norton Jr., dreimal Super-Bowl-Champion mit den Dallas Cowboys und den San Francisco 49ers.
Autounfall mit schweren Folgen im Jahr 1986
Einen folgenschweren Schicksalsschlag erlebte Nortons Familie im Jahr 1986, als Ken senior bei einem Autounfall schwer verletzt und fast getötet wurde: Er brach sich den Schädel und erlitt einen Gehirnschaden, der von da an seine Fähigkeit zu sprechen einschränkte. Norton zog sich darauf größtenteils aus dem öffentlichen Leben zurück.
In den letzten Jahren seines Lebens kämpfte Norton mit zunehmenden gesundheitlichen Problemen und erlitt mehrere Herz- und Schlaganfälle. Seine letzten Jahre verbrachte er in einem Pflegeheim, in dem er am 18. September an einem Herzinfarkt starb, wenige Wochen nach seinem 70. Geburtstag.
Nortons Tod erschütterte die früheren Weggefährten aus dem Boxen, die ihn auch menschlich schätzten: „Er war der fairste Boxer unserer Zeit“, beschrieb ihn Rivale Foreman: „Ken war ein großer Mann.“
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Mit Sportinformationsdienst (SID)