„Das Herz eines Boxers kennt nur eine Liebe: den Kampf um den Sieg ganz allein. Das Herz eines Boxers kennt nur eine Sorge: Im Ring stets der erste zu sein.“
Auch Ali und Tyson verneigten sich
99 Jahre lang schlug das Herz von Max Schmeling, ehe er am 2. Februar 2005 verstarb. Er, der einzige deutsche Weltmeister aller Klassen, das größte Idol des deutschen Boxens, vielleicht des deutschen Sports im Allgemeinen.
Sein historischer WM-Triumph über Jack Sharkey, sein Sensationssieg über Joe Louis machten ihn in den dreißiger Jahren zu einem Mythos, der Stoff für Bücher, Filme, Theaterstücke wurde - auch Schmeling selbst verewigte sich mit dem oben zitierten Lied in der Populärkultur.
Sieg über Joe Louis machte Max Schmeling zur Legende
Erst viele Jahrzehnte nach seinem Karriere-Ende wurde bekannt, dass er noch mehr war als nur ein großer Sportler: Schmelings größte Heldentat war die Rettung zweier junger Leben inmitten einer der dunkelsten Stunden der deutschen Geschichte.
Schmeling kommt am 28. September 1905 - heute vor 118 Jahren - in Klein-Luckow zur Welt, in der Uckermarck zwischen Brandenburg und Mecklenburg. Die Familie zieht bald nach Hamburg, wo der Vater als Seemann Arbeit bekommt. Der junge Max findet eine Ausbildungsstelle in Köln und beginnt dort mit 18 das Boxen.
Schon ein Jahr später wird er 1924 Profi, 1926 deutscher Meister, 1927 Europameister. Max Schmeling ist nur 1,85 m groß und 85 Kilo schwer, also fast ein Halbschwergewicht, ein Konterboxer mit glänzender Reaktion und einer knallharten Rechten.
1928 legt er alle Titel ab und wagt den Sprung über den großen Teich. Nach zwei Jahren hat er sich eine WM-Chance erkämpft. Der Titel ist durch den Rücktritt von Gene Tunney vakant, Schmeling steht in New York Jack Sharkey gegenüber. In Runde vier wird Sharkey nach einem Tiefschlag disqualifiziert und Schmeling am Boden zum Weltmeister ausgerufen. Zwei Jahre später holt sich Sharkey den Titel zurück - Schmelings denkwürdigster Sieg aber sollte noch folgen.
Am 19. Juni 1936 trifft er vor 40.000 Zuschauern im Yankee Stadium von New York auf Joe Louis, das aufstrebende Box-Phänomen - an dem Schmeling aber eine taktische Schwäche in der Deckungsarbeit entdeckt. In Runde vier geht Louis erstmals in seiner Karriere zu Boden, in Runde zwölf wird er ausgezählt.
Schmeling verhalf jüdischen Jugendlichen zur Flucht
Louis - der zu einem guten Freund Schmelings werden sollte - gewann den Rückkampf klar, den historischen Moment aber konnte nichts trüben, auch nicht die Umarmungsversuche von Hitler-Deutschland.
Dass Schmelings guter Ruf auch in der Nachkriegszeit intakt blieb, lag daran, dass er die Vereinnahmung vergleichsweise reserviert aufnahm.
Schmeling stellte sich nicht gegen das System, warf sich später auch „Naivität“ im Umgang mit dem Regime vor - hielt aber trotzdem eine gewisse Distanz: Er trat der NSDAP nicht bei, behielt seinen jüdischen Manager Joe Jacobs, lehnte sogar eine Ehrung Adolf Hitlers ab. „Ich bin Boxer, kein Politiker“, war einer seiner berühmtesten Sätze.
Wie später herauskam, leistete Schmeling sogar tatkräftige Hilfe für Opfer des Hitler-Regimes: 1938 versteckte er während der Novemberpogrome zwei jüdische Jugendliche - Söhne eines mit ihm befreundeten Boutiquenbesitzers - in seinem Hotelzimmer und verhalf ihnen so zur Flucht.
Die geretteten Brüder Henri und Werner Lewin machten die Geschichte 1989 öffentlich. Erst 12 Jahre später jedoch verschaffte ein Artikel von Sports Illustrated der Geschichte größere Öffentlichkeit.
"Wenn man rausgefunden hätte, was Max tat, wäre er bestimmt erschossen worden", mutmaßte der ewig dankbare Henri Lewin 2004 in einem Interview mit der Welt am Sonntag.
Auch Ali und Tyson würdigten Schmeling
Als erfolgreicher Geschäftsmann und vielfach geehrter Förderer des deutschen Sports blieb Schmeling auch nach dem Krieg und dem Karriereende im Ring der Öffentlichkeit erhalten.
Erst 1987 zog er sich nach dem Tod seiner geliebten Frau Anny Ondra weitgehend zurück - zahlreiche Sport- und Gesellschaftsgrößen suchten aber bis zum Schluss seine Nähe. Zu seiner Beerdigung kamen unter anderem Henry Maske, Wladimir Klitschko, Franz Beckenbauer, Uwe Seeler.
Noch zu Schmelings Lebzeiten organisierten die von Schmeling geretteten Lewin-Brüder - die in den USA erfolgreiche Hoteliers wurden - eine große Dankesehrung in Las Vegas, bei der sich unter anderem auch Muhammad Ali und der junge Mike Tyson vor Schmeling verneigten.
„Nürnberger Bratwürste, Sauerkraut und Berliner Buletten hatte ich extra einfliegen lassen. Es wurden Filmausschnitte von seinen Kämpfen gezeigt, Max kommentierte sie selbst“, erinnerte sich Werner Lewin.
Er starb 2008, sein Bruder acht Jahre später nach einem langen und erfüllten Leben.
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Mit Sportinformationsdienst (SID)