Der märchenhafte Aufstieg der deutschen Box-Pionierin begann mit einem Cut unter dem linken Auge.
Halmichs steiniger Weg zur Box-Pionierin
Im Ring des Aladdin Hotels in Las Vegas hatte Regina Halmich bei ihrem WM-Debüt Prügel bezogen, schlimm wurde es jedoch erst nach der Rückkehr in die Heimat. Das Bild der blutverschmierten Verliererin wurde groß verbreitet, teils mit hämischen Unterton, Tenor: Was hatte die junge Rechtsanwaltsgehilfin aus Karlsruhe auch in der männlichsten aller Domänen zu suchen?
"Das war eine harte Nummer", erinnerte sich Halmich 25 Jahre danach, "ich war nicht gewollt, ich war eine Exotin." Eine Außenseiterin, die eine zweite WM-Chance bekam - und sie entgegen aller Erwartungen nutzte.
1995: Regina Halmich steigt zur Weltmeisterin auf
Am 10. Juni 1995, wenige Wochen nach der niederschmetternden Niederlage in Las Vegas, krönte sich die damals erst 18-Jährige mit dem Sieg über Kim Messer aus den USA zur ersten deutschen Box-Weltmeisterin.
"Da habe ich Geschichte geschrieben, aber das war mir damals noch nicht klar", sagte Halmich (geboren am 22. November 1976) im Gespräch mit der Nachrichtenagentur SID. Jeder hatte doch "nur darauf gewartet, dass sich das Frauenboxen in Deutschland an diesem Junitag wieder erledigt hat". Die Häme verwandelte Halmich in Energie, "all meine Wut wurde zu positiver Kraft", sagt sie, "der Sieg war wie eine Befreiung". Er ebnete ihr den Weg auf die ganz großen Bühnen ihres Sports.
Plötzlich war die Fliegengewichtlerin gefragt, Millionen Zuschauer schalteten bei ihren Kämpfen ein, Boxpromoter Klaus-Peter Kohl sicherte Halmich zuvor ungekannte Kampfbörsen. "Ich habe es von ganz unten nach ganz oben geschafft", sagte Halmich. Im Laufe ihrer erfolgreichen Karriere mit 56 Profikämpfen (nur eine Niederlage) erarbeitete sie sich so auch die Anerkennung ihrer männlichen Kollegen. Neben Henry Maske, Axel Schulz, Dariusz Michalczewski, Graciano Rocchigiani, Vitali und Wladimir Klitschko musste sie sich nicht mehr verstecken.
"Rocky hat mir mal gesagt: 'Ich mag ja keen Frauenboxen, aber Du hast das jut jemacht'", erzählt Halmich. Mehr Lob konnte es aus dem Mond des 2018 tragisch verunglückten Rocchigiani kaum geben. Auch der andere große Box-Macho René Weller ("Frauen gehören zum Boxen wie die Luft zum Atmen - als Nummerngirl") ließ sich von Halmichs Qualitäten überzeugen und war unter den Zuschauern ihres letzten Kampfs, ebenso wie Joachim Löw und Frauenfußball-Idol Birgit Prinz. Halmich selbst war zwischenzeitlich liiert mit Ex-Fußballprofi Martin Driller.
2001 und 2007: Duelle mit Stefan Raab
Die Einschaltquoten von Halmichs größten Kämpfen sprechen für sich: Ihren letzten Auftritt im Ring 2007 gegen Hagar Shmoulefeld Finer aus Israel sahen im ZDF 8,80 Millionen Fans, heute ein unvorstellbarer Traumwert.
Auch TV-Entertainer Stefan Raab, dem Halmich 2001 in einem groß inszenierten Showkampf bei Pro7 die Nase brach, bekam zu spüren, was die Box-Pionierin konnte. "Dadurch ist meine Fangemeinde noch größer geworden", sagte sie.
Jeweils über sieben Millionen TV-Zuschauer sahen den Kampf und die Revanche 2007, Halmich gewann Duell 1 durch K.o., das zweite nach Punkten.
Halmich war im Ring und daneben eine Persönlichkeit - und ist es bis heute geblieben. Als selbstständige Unternehmerin hält sie unter anderem Motivationsvorträge, war auch für SPORT1 als Expertin im Einsatz. "Auch zwölf Jahre nach meinem Karriereende bin ich super beschäftigt", sagt sie, "das fühlt sich immer noch an wie im Märchen."