Es war eine der größten Sensationen der Box-Geschichte. Und der Beginn einer ebenso besonderen wie historisch bemerkenswerten Freundschaft, die bis in den Tod anhielt. Am 19. Juni 1936 - heute vor 88 Jahren - traf die deutsche Box-Legende Max Schmeling in New York auf den als unschlagbar geltenden US-Amerikaner Joe Louis.
Ikonen wurden Freunde bis in den Tod
Es war eine hochbrisante Rivalität, politisch aufgeladen durch die Machtergreifung durch Adolf Hitler und die Nationalsozialisten in Schmelings Heimat. Im Vorfeld des Zweiten Weltkriegs wurde der Kampf hochgeschrieben zum Duell der Systeme, zwischen totalitärer Diktatur und freiheitlicher Demokratie. Tatsächlich aber war die Konstellation deutlich vielschichtiger.
Max Schmeling schien vor erstem Kampf 1936 im Abschwung
Schmeling sah das NS-Regime distanziert, der von der afroamerikanischen Community verehrte Louis war auch eine Symbolfigur des Zwiespalts in einer Zeit, in der in vielen Teilen des Landes noch die Rassentrennung galt - und selbst Jubelberichte über Louis oft rassistische Untertöne hatten. Sein Spitzname „The Brown Bomber“ (“Der braune Bomber“) ist nur eine von vielen Zuschreibungen, die heute tabu sind.
Sportlich schien der Kampf eine klare Sache zu sein: Der damals 22 Jahre alte Louis war auf dem Weg nach oben, Schmeling schien nach dem Verlust seines 1930 von Jack Sharkey gewonnenen Weltmeistertitels im Abschwung. 42.000 Zuschauer im Baseball-Stadion der New York Yankees wollten den damals 31-Jährigen gegen Louis untergehen sehen - doch es kam anders.
Schmeling erkannte Louis‘ Schwachstelle - und kündigte es an
Während Louis die Vorbereitung des Kampfs eher lax anging und sich nebenbei Zeit nahm, Golf zu lernen, war Schmeling gut präpariert: Er hatte eine Schwachstelle bei Louis ausgemacht - was er sogar öffentlich ankündigte. Ernst genommen wurde er kaum. Gerede, um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, dachten viele.
Schmeling aber hatte tatsächlich gewusst, was er tat: Louis ließ seine Linke nach einem Schlag immer hängen - Schmeling sah die Gelegenheit für effektive Konterhiebe. Der verdutzte Louis wusste keine Antwort auf Schmelings Taktik, ging in der zwölften Runde nach zwei Rechten gegen Körper und Kinn k.o. Louis musste hinterher zugeben, dass er seinen Gegner unterschätzt hatte.
Schmeling auf Distanz zum Nazi-Regime
Schmelings Triumph, der ins rassistische Weltbild der NS-Propaganda bestens passte, wurde entsprechend ausgeschlachtet. „Es war ein deutscher Sieg“, ließ der üble Propagandaminister Joseph Goebbels ausrichten, und der Berliner Lokalanzeiger titelte: „Der Führer beglückwünscht Schmeling“. Besagter Adolf Hitler schickte Blumen an Schmelings Frau.
Dass Schmelings guter Ruf auch in der Nachkriegszeit anhielt, lag daran, dass er die Vereinnahmung vergleichsweise reserviert aufnahm. Schmeling dankte zwar Volk und Führer, ließ alles aber nicht über einen gewissen Punkt hinausgehen: Er trat der NSDAP nicht bei, behielt seinen jüdischen Manager Joe Jacobs, lehnte sogar eine Ehrung Hitlers ab. „Ich bin Boxer, kein Politiker“, war einer seiner berühmtesten Sätze. Und in seinem Fall war diese Distanzierung keine leere Floskel.
Wie später herauskam, leistete Schmeling sogar tatkräftige Hilfe für Opfer des Hitler-Regimes: 1938 versteckte er während der Novemberpogrome zwei jüdische Jugendliche in seinem Hotelzimmer und verhalf ihnen so zur Flucht. Dies wurde erst 1989 bekannt, als sich die geretteten Brüder in den USA zu Wort meldeten.
Joe Louis macht bei Revanche 1938 kurzen Prozess
Bemerkenswerterweise stieg nicht Schmeling, sondern Verlierer Louis zum Herausforderer von Weltmeister James J. Braddock auf - nachdem er diesen entthronte, hatte Revanche gegen Schmeling Priorität für den jungen Champion.
Der WM-Kampf zwischen Schmeling und Louis stieg am 22. Juni 1938, wieder im Yankees-Stadion und zog noch mehr Aufmerksamkeit auf sich: Unter den 70.000 Fans waren auch die Hollywood-Superstars Clark Gable, Gary Cooper, Gregory Peck und Douglas Fairbanks.
Schmeling hatte diesmal keine Chance, Louis war mittlerweile zu einem gereiften Weltklasseathleten geworden - der nach nur zwei Minuten durch K.o. gewann. Schmeling brachte lediglich zwei Treffer an. Niemand hätte an diesem Tag gegen seinen Vater gewonnen, erzählte Schmeling später Louis' Sohn.
So aufgeladen ihr Duell war, so bemerkenswert war die persönliche Beziehung, die zwischen Schmeling und Louis entstand: Die beiden blieben nach einem Wiedersehen nach dem 2. Weltkrieg in Kontakt. Schmeling griff Louis auch unter die Arme, als der nach seinem Karriere-Ende tief fiel und in große finanzielle Not geriet.
Die Freundschaft hielt bis zu Louis‘ Tod am 12. April 1981, Schmeling - der 2005 99-jährig verstarb - war unter den Sargträgern.