Als der Fußballklub AC Monza am Ende der Saison 2021/22 in die Serie A aufgestiegen war, hatte der Vorort der Millionenmetropole Mailand neben der weltbekannten Formel-1-Rennstrecke für eine gewisse Zeit eine weitere sportliche Attraktion zu bieten.
Berlusconis Projekt vor dem Scheitern
Unter der finanziellen Obhut von Silvio Berlusconi, der 2018 mit seiner Medienholding Fininvest bei Monza eingestiegen war, mauserte sich der Provinzklub zu einem ambitionierten Erstligisten, der zwei Spielzeiten lang die Elite herausforderte und am Ende jeweils einen Platz im Tabellenmittelfeld belegte.
Monza hatte plötzlich Flair, weil Spieler wie Kevin-Price Boateng, Mario Balotelli oder Carlos Augusto Berlusconis Ruf folgten. Dabei warf der Präsident sogar seine eigenen moralischen Vorstellungen über Bord, die er dem Klub zunächst indoktriniert hatte. Profis ohne Tattoos und langen Haaren, am liebsten aus Italien, sollten Monza in eine neue Epoche führen - doch die waren schlicht in der gewünschten Fülle nicht auf dem Markt.
Ohne Silvio Berlusconis Millionen ging es abwärts
Zwei Jahre lang ging das gut: Monza spielte ansehnlichen Fußball und ärgerte hin und wieder sogar die großen Vereine, wie den AC Mailand, Berlusconis früheren Herzensklub.
Selbst der irritierende Auftritt des Klub-Patrons im Dezember 2022, als er seinen Spielern „einen Kleinbus voller Prostituierten“ versprach, wenn sie eine der kommenden Partien gegen Milan oder Juventus gewinnen, tat der Euphorie keinen Abbruch. Im Gegenteil: Berlusconi hatte schon immer Narrenfreiheit, so dass er bei vielen männlichen Tifosi Schenkelklopfer erntete - und die anderen zuckten höchstens mit den Schultern.
Und jetzt? Tempi passati, wie die Italiener sagen, vergangene Zeiten. Monza darf sich zwar noch Erstligist nennen, doch nach einer katastrophalen Hinrunde spricht fast nichts mehr dafür, dass der Klub den Klassenerhalt schaffen wird.
Ein einziger Sieg nach 19 Spieltagen gelang den Lombarden, die in der Tabelle abgeschlagen den letzten Platz belegen. Mit zehn Punkten liegt man sieben Zähler hinter der US Cagliari, gegen die Monza zuletzt eine bittere 1:2-Heimniederlage kassierte.
Längst ist die Berlusconi-Familie auf der Suche nach einem Partner oder einem Käufer für den taumelnden Klub, bislang noch ohne Erfolg. Dies wäre jedoch bitter nötig, schließlich fehlen ohne den im Juni 2023 verstorbenen ehemaligen Ministerpräsidenten die finanziellen Ressourcen, um auf dem Transfermarkt aktiv zu werden.
Der ehemalige Milan-Star Filipp Galli, der aus Monza stammt, bestätigt dies im Gespräch mit SPORT1. „Sie scheinen nicht mehr die nötigen Geldquellen für Investitionen zu haben. Dennoch bin ich gespannt, ob Galliani mit seiner Magie doch noch die ein oder andere Verstärkung herzaubert.“
„Monza darf sich keinen Fehler mehr erlauben“
Adriano Galliani, Geschäftsführer von AC Monza, war jahrelang der legendäre Adjutant von Silvio Berlusconi, zunächst bei Milan, später in Monza. Ihm traut Galli noch immer zu, den Karren aus dem Dreck zu ziehen.
Allerdings scheint eher das Gegenteil der Fall zu sein - dass nämlich die noch verbliebenen Stars, wie Pablo Marì oder der ehemalige Werder-Profi Luca Caldirola demnächst das Weite suchen. Stefano Peduzzi, Chefredakteur der MonzaNews befürchtet genau das: „Der Klub wird Marì mit ziemlicher Sicherheit verkaufen. Und auch Caldirola ist auf dem Sprung.“
Aufgeben wollen sie beim angeschlagenen Klub aber nicht. „Wir sind erst bei der Hälfte angekommen, deswegen ist prinzipiell noch nichts verloren. Allerdings darf sich Monza in den wichtigen Spielen keine Fehler mehr erlauben“, sagt Galli, der einst mit Milan drei Landesmeister-Pokale (Vorgänger der Champions League) gewonnen hatte.
Der erste Schritt zur erhofften Wende erfolgte vor zwei Wochen, als man Cheftrainer und Weltmeister-Ikone Alessandro Nesta die Papiere in die Hände drückte und ihn durch dem vergleichsweise unerfahrenen Salvatore Bocchetti ersetzte. Der langjährige Co-Trainer von Hellas Verona soll nun die Herkulesaufgabe meistern, doch sein Start ging mit der Heimpleite gegen Cagliari in die Hose.
„Nesta, den ich sehr schätze, hat es nicht geschafft, die nötigen Punkte zu holen. Allerdings waren die Leistungen nicht so schlecht, wie man angesichts der schwachen Ausbeute vermuten könnte“, sagt Galli. „Nesta wurden einige Steine in den Weg gelegt und im Fußball hat man leider nie viel Zeit.“
„Die Situation ist extrem angespannt“
Welchen Anteil Nesta tatsächlich am schleichenden Niedergang hat, darüber lässt sich trefflich streiten. Sicher ist, dass Berlusconis Tod eine Zäsur für den Klub bedingte, auch wenn die Folgen erst ein Jahr später sichtbar wurden. Nachdem Berlusconi jahrelang Millionen Euro in sein Projekt gepumpt hatte, musste der Klub plötzlich Transferüberschüsse erwirtschaften, was sich auf die Qualität der Mannschaft niederschlug.
Mit Carlos Augusto und Keeper Michele Di Gregorio verließen im vergangenen Sommer zwei der größten Stützen das Team, während man bei den Zugängen größtenteils auf ablösefreie Spieler setzte. Zudem verabschiedete sich Erfolgstrainer Raffaele Palladino und wechselte nach Florenz. Nun steht der Verein sportlich schlecht da, hat aber im Sommer ein Transferplus von 18,75 Millionen Euro erwirtschaftet.
„Jetzt haben wir eine Situation, die immer schwieriger und komplexer geworden ist“, sagt Galli. „Zudem nehmen jetzt auch die Spannungen im Klub zu. Mit der Angst im Nacken wird es nun immer schwerer, den Turnaround zu meistern.“ Die Situation sei „extrem angespannt“ - vor allem, weil es Befürchtungen gibt, dass ein Abstieg das gesamte Projekt gefährden könnte.
„Die Zukunftsaussichten sind noch beängstigender als ein möglicher Abstieg in die Serie B“, sagt Peduzzi.
Galli befürchtet sogar, dass ein Abstieg den Klub langfristig auf die schiefe Bahn bringen könnte. „Das kann niemand ausschließen. Es kommt darauf an, wie es mit den Eigentümern weitergeht. Ich denke, es wird darauf hinauslaufen, dass der Klub verkauft wird.“
Schon jetzt scheint aber klar, dass der Traum von Silvio Berlusconi, die AC Monza zu einer dauerhaften Macht im italienischen Fußball zu machen, geplatzt ist. Die Frage ist nur noch, ob der Fall in die Bedeutungslosigkeit noch aufzuhalten ist.