Juventus Turin inszenierte die Verpflichtung des neuen Sportdirektors Cristiano Giuntoli ähnlich groß wie Cristiano Ronaldos Ankunft im Sommer 2018.
Der Mann hinter dem Juventus-Beben
Der Star-Zugang der Bianconeri soll aber gar nicht auf dem Platz glänzen - sondern auf dem Transfermarkt.
Giuntoli gilt in Italien als Diamantenauge, weil er für Neapel acht Jahre lang Spieler wie Kim Min-jae oder Khvicha Kvaratskhelia entdeckt und in die Vulkanstadt geholt hat.
Für die Restaurierung der „Alten Dame“ Italiens bekommt der gelernte Architekt Giuntoli nun einen Fünfjahresvertrag in Turin. So einen Vertrauensbeweis gab es bei Juventus noch nie.
Giuntoli, vor wenigen Wochen erst Meister geworden mit Napoli, schwärmt nun in einem PR-Video auf Juves Website: “Als Kind bin ich acht Stunden im Bus gefahren, um Juventus spielen zu sehen”.
“Wenn ich von seiner Juventus-Vergangenheit gewusst hätte, wäre ich ihn viel früher losgeworden”, giftete Neapels Präsident Aurelio de Laurentiis über das Sülze-Interview des Ex-Sportdirektors.
Kein Wunder: Es ist immer unbequem, wenn ein geschätztes Mitglied des stolzen Maradona-Klubs Neapel in Richtung Norden Italiens verlässt. Das bekannteste Beispiel der Neuzeit ist Gonzalo Higuaín, dessen Trikot Neapels Fans die Toilette runterspülten, als er 2016 nach Turin ging.
Giuntoli soll “das Desaster von Agnelli und Paratici auslöschen”
Aber zurück zu Giuntoli. Was macht ihn so besonders, dass Italiens größter Klub nun zuschlägt?
„Juve, Giuntoli ist ab jetzt euer wahrer Spitzenspieler!“, tönte CalcioMercato über Turin, das kommende Saison aufgrund eines UEFA-Ausschlusses wohl nicht einmal an der Conference League teilnehmen wird. „Vom Meister weggepustet, um das Desaster von Agnelli und Paratici auszulöschen“, schrieb das Sportblatt weiter.
Doch bevor Giuntoli zum „Löschen“ des Juventus-Desasters kommt, gießt er erstmal Benzin ins Feuer. Denn der neue Sportdirektor hat dem langjährigen Kapitän Leonardo Bonucci im Urlaub mitgeteilt, dass er Juventus verlassen soll. Auch Arthur Melo und die beiden früheren Bundesliga-Spieler Weston McKennie und Denis Zakaria sollen gehen.
Giuntolis Juve-Umbruch nimmt also schon früh Konturen an. Für eine genaue Prognose zur Turiner Zukunft lohnt sich ein Blick in seine Vergangenheit.
Giuntoli, heute 51 Jahre alt, wurde in Florenz geboren und wuchs ländlich in der Toskana auf. Er verbrachte große Teile seiner Kindheit in der Bar seines Großvaters, “wo man nur über Fußball und Radfahren sprach”, wie Cronache di Spogliatoio berichtet.
In dieser Bar habe der kleine Cristiano früh gelernt, „die richtigen Töne zu treffen“ und „die Öffentlichkeit zu bändigen“. Qualitäten, die er nun im Umgang mit der Turiner Presse einbringen muss.
Hamsik und Higuain: Bei Neapel war Giuntoli nicht immer beliebt
Auf Wunsch der Mutter büffelte Giuntoli 16 Semester lang Architektur und Bauwesen, bevor er sein Studium abrupt beendete, um in Italiens 4. und 5. Liga zu kicken. Der große Erfolg kam aber erst nach der Spielerkarriere. Als Sportdirektor führte Giuntoli den AC Carpi zwischen 2009 und 2015 von der Serie D in die Serie A.
Dieser steile Aufstieg mit dem Fußballzwerg ebnete Giuntoli den Weg nach Neapel, wo er im Sommer 2015 anheuerte.
Dort scheute Giuntoli von Anfang an keine unpopulären Entscheidungen. Higuaín verkaufte er an Juve, nachdem dieser gerade erst Torschützenkönig der Serie A geworden war.
Napolis Spielerkabine baute der Architekt komplett um. Viele bekannte Stars verließen Neapel im Zuge seiner Verjüngungskur. Gökhan Inler verkaufte er an Leicester, Marek Hamsik ging nach China und Allan zum FC Everton, um nur ein paar Beispiele zu nennen.
“Giuntoli genau der richtige Mann für Juventus’ Wiederaufbau”
Auf der Zugangsseite wilderte Giuntoli in Europas Fußball-Peripherie. So fand er beispielsweise Khvicha Kvaratskhelia in Georgiens Erovnuli Liga.
Als Nachfolger für Publikumsliebling Kalidou Koulibaly holte der Sportdirektor Kim Min-jae aus der Türkei. Jenen Südkoreaner also, der kurz vor einem Wechsel zum FC Bayern steht.
Bei Juventus muss Giuntoli dagegen erst verkaufen, bevor er einkaufen kann. Abreißen für den gewünschten Wiederaufbau. Juves Kader ist mit fast 40 (!) Spielern aufgebläht und überteuert. Die meisten Stammspieler sind älter als 30, sitzen auf guten Verträgen und werden kaum Ablöse generieren.
“Giuntoli ist genau der richtige Mann für den Wiederaufbau von Juventus. Sie brauchen eine nachhaltige Strategie auf dem Transfermarkt und Cristiano weiß, wie man das macht”, sagt Salvatore Malfitano, Neapel-Reporter bei der Gazzetta dello Sport, bei SPORT1.
Giuntolis Auftrag ist klar: Erst der Abriss, dann der Wiederaufbau.
Aber alles der Reihe nach.