Erling Haaland wütete nach Abpfiff auf dem Spielfeld, entledigte sich genervt seines Trikots und erschien dabei sichtlich unzufrieden mit der Gesamtsituation bei Manchester City - allerdings auch mit seiner eigenen Leistung. Gegen den FC Everton scheiterte der Starstürmer vom Elfmeterpunkt und brachte seine Citizens damit um den Sieg. Der Frust war dem Norweger nach Spielende deutlich anzumerken.
Haaland ist nicht wiederzuerkennen
Nach Abpfiff huschte Haaland in die Katakomben, auf dem Weg dahin noch ein paar obligatorische Handshakes mit seinen Mitstreitern. Den Kopf hielt der norwegische Nationalspieler dabei gesenkt, seine Gegenspieler würdigte er keines Blickes. Die Körpersprache sprach Bände.
Haaland versagt vom Elfmeterpunkt
Dabei hätte es auch alles ganz anders kommen können: Haaland hatte den Sieg schon auf dem Fuß, doch sein schwach geschossener Elfmeter wurde von Jordan Pickford entscheidend entschärft, kuriose Gesten und ein spöttisches Winken inklusive.
Von seiner guten Trefferquote vom Elfmeterpunkt (82,5 Prozent) war am Donnerstagnachmittag nichts zu erkennen. „Ein lausiger Elfmeter, aber eine gute Parade“, bewertete der ehemalige englische Torhüter Paul Robinson die Szene bei BBC Radio 5 Live.
Aber vielleicht hatte sich das Unheil ja angebahnt, Haaland kommt seit Wochen - gar Monaten - nicht in Fahrt. Im Dezember traf der 1,94-Meter-Hüne erst einmal, dabei ging er alle sechs Premier-League-Partien über die volle Distanz. Auch im Oktober und November konnte Haaland den Skyblues jeweils nur einen Ligatreffer beisteuern, die weiteren zehn Saisontore in Englands höchster Spielklasse liegen bereits weit zurück. Schließlich hatte Haaland nach lediglich fünf Spieltagen bereits zehn Treffer auf seinem Konto. Danach wurde es allerdings ruhig um den wuchtigen Linksfuß.
Premier League: „Albtraum für Haaland“
In Erinnerung bleibt auch die denkwürdige 1:4-Pleite in der Champions League bei Sporting Lissabon. Auch hier scheiterte Haaland vom Elfmeterpunkt, seither läuft kaum noch etwas zusammen - so auch gegen Everton. „Albtraum für Haaland“ titelte daraufhin die Lokalzeitung Manchester Evening News und bewertete Haalands Leistung mit vier von zehn möglichen Punkten.
Haaland ist aktuell nicht wiederzuerkennen. Doch woher kommt dieser plötzliche Leistungsabfall? In der Premier League pulverisierte Haaland im City-Dress einst sämtliche Rekorde, stellte in der Spielzeit 2022/23 einen neuen Torrekord mit 36 Treffern in einer einzelnen Saison auf.
Auch wenn der Norweger von dieser unmenschlichen Quote aktuell weit entfernt zu sein scheint, erhielt er jüngst Zuspruch von Trainer Pep Guardiola. „Erling ist so wichtig für uns und wird auch weiter so wichtig für uns sein. Wir müssen ihn besser einsetzen“, sagte Guardiola noch vor dem enttäuschenden Remis am Boxing Day.
Krise bei Manchester City verschärft sich weiter
Haaland sei nicht für die Krise in Manchester verantwortlich. „Das Problem liegt bei uns allen, nicht bei einem einzelnen Spieler“, mahnte Guardiola. „Viele kleine und große Details machen uns nicht so gut, wie wir waren.“ Umso mehr überraschte der Erfolgstrainer mit seinem Resümee nach dem Everton-Dämpfer: „Die Performance war brillant, auch wenn das Ergebnis nicht gestimmt hat.“
Guardiola sprach davon, dass sich nach dem verschossenen Haaland-Elfmeter einiges auf dem Rasen verändert habe. „Natürlich waren wir positiv gestimmt und hatten Energie in der Kabine und auf dem Spielfeld. Aber das sind die Momente im Fußball, in denen man selber viele Situationen schafft und der Gegner dann plötzlich ein Tor schießt.“
Tatsächlich war die Verunsicherung den Skyblues nach dem Gegentor anzumerken. Nachdem Haaland auch noch vom Punkt scheiterte, stand den Spielern die Ratlosigkeit regelrecht ins Gesicht geschrieben. Sie wirkten wie gelähmt. Im Spiel nach vorne ging kaum noch etwas, in der Schlussphase entkam der amtierende Meister der Niederlage nur um Haaresbreite.
Vernichtende Haaland-Kritik aus Norwegen
Ob Haaland die Hauptschuld an Citys sportlicher Krise trägt, darüber lässt sich streiten. Dass der Ausnahmestürmer seiner Normalform um Längen hinterherhinkt, ist jedoch längst kein Geheimnis mehr. Das vernichtende Urteil vom norwegischen dagbladet: „Geschlachtet: - Elend“. Besorgniserregende Worte über den vermeintlich besten Stürmer der Nation.
Auch im Nationaltrikot lief es für Haaland - mit Ausnahme eines Hattricks gegen Kasachstan - in jüngster Vergangenheit nicht immer rund. Nach Norwegens 1:5-Klatsche in Österreich im Oktober stand ausgerechnet Haaland im Mittelpunkt der Kritik. Nicht aber die schwache Leistung des 24-Jährigen sorgte in der norwegischen Presse für Unmut, sondern sein Verhalten nach dem Spiel.
„Es ist eine Schande. Wenn es jemanden gibt, von dem ich nach dieser Demütigung etwas hören möchte, dann doch vom Kapitän. Wenn du Kapitän bist, hast du eine Rolle, die dich eben etwas mehr fordert. Dann musst du dich nach dem Spiel auch stellen“, ärgerte sich der norwegische TV-Experte Kristoffer Lökberg in der Zeitung Verdens Gang.
Lässt Haaland seinen Worten auch Taten folgen?
Haaland meldete sich zwar wenig später in den sozialen Netzwerken kurz zu Wort. Auf Instagram postete er eine Story und unterschrieb diese mit den Worten: „Sorry an alle, das war zu schlecht von mir. Im November holen wir uns dann sechs Punkte!“ Und er ließ seinen Worten Taten folgen, Norwegen holte sechs Punkte, Haaland lieferte ab und führte sein Land zurück in die Liga A der Nations League.
Auch nach der 1:2-Niederlage in der Vorwoche bei Aston Villa hatte der Ausnahmestürmer Eigenkritik geübt. „Ich gebe mir selbst die Schuld. Ich habe meine Chancen nicht genutzt. Ich muss mich verbessern, ich war nicht gut genug“, reflektierte der Torgarant bei TNT Sports.
Die große Haaland-Show blieb gegen Everton jedoch aus, von einer Verbesserung keine Spur. Ob Haaland das Toreschießen verlernt hat? Wohl kaum. Aber er muss seinen Worten erneut Taten folgen lassen, sonst wird die Kritik nicht abnehmen und die Stimmen werden immer lauter werden. Da hilft auch ein „Sorry“ nicht.