Cooler hätte Cole Palmer seinen Elfmeter zum Rekord kaum verwandeln können. Mit einem Panenka traf der Mittelfeldstar des FC Chelsea beim spektakulären 4:3 (1:2) gegen Tottenham Hotspur zum letztlich entscheidenden 4:2 in der 84. Minute.
„Die Leute haben Angst vor ihm“
„Als ich den Ball hingelegt habe und zum Anlauf gegangen bin, habe ich auf die Uhr geschaut und gedacht, das Spiel ist ein bisschen wild“, erklärte Palmer bei Sky Sports. „Der Torwart war bereit zu springen, also habe ich ihn gechippt.“
Palmer blieb auch bei seinem zwölften Elfmeter in der Premier League nervenstark und stellte damit einen Rekord auf. Die bisherige Bestmarke hielt Yaya Touré, der seine ersten elf Strafstöße in der englischen Eliteliga verwandelte. Doch ein Ende von Palmers Rekordserie ist nicht in Sicht.
Dass er zuvor nach gut einer Stunde den ersten Elfer im Spiel kompromisslos zum zwischenzeitlichen Ausgleich ins linke Eck drosch und Fraser Forster im Spurs-Tor keine Chance ließ, zeigt seine Unberechenbarkeit vom Punkt.
Palmer eiskalt! „Die Leute haben Angst vor ihm“
Angesprochen auf Palmers Panenka meinte sein Trainer Enzo Maresca: „Er ist ‚cold'." Passend zu seinem Spitznamen bejubelt der eiskalte Palmer seine Tore, indem er vermeintlich fröstelnd die Arme vor seiner Brust verschränkt und mit seinen Händen über die Oberarme reibt. Nicht nur den gegnerischen Torhütern jagt er angesichts seiner 100-Prozent-Quote vom Punkt regelmäßig einen Schauer über den Rücken.
„Die Leute haben Angst vor ihm, wenn er den Ball hat“, sagte Liverpool-Idol Jamie Carragher bei Sky Sports und verglich Palmer mit früheren Chelsea-Stars wie Gianfranco Zola oder Eden Hazard. „Er hat in seinen 18 Monaten bei Chelsea wahrscheinlich schon mehr geleistet als Zola. Und Zola ist einer der größten Spieler von Chelsea.“
Und Carragher prophezeite: „Er wird als einer der größten Spieler des FC Chelsea in die Geschichte eingehen, wenn er so weitermacht wie jetzt. Er ist ein ganz besonderer Spieler, und das nicht nur in der Premier League, sondern auch in Europa und im Weltfußball.“
Zweitbester Scorer Englands hinter Salah
Palmers Nervenstärke vom Punkt ist nur eine Facette seines Könnens. Mit elf Toren und sechs Assists ist der 22-Jährige hinter Liverpool-Star Mohamed Salah aktuell zweitbester Scorer der Premier League.
Am Sonntag knackte er die Marke von 50 Torbeteiligungen - und das in seinem 48. Liga-Einsatz. Nur Erling Haaland (39 Spiele), Andy Cole (43) und eben Salah (46) benötigten weniger Spiele dafür. Dass sein abgeblockter Schuss nach einem klasse Solo genau bei Enzo Fernández landete, der dann zum 3:2 traf (73.), zeigt, dass Palmer derzeit so ziemlich alles gelingt.
„Cole gehört zu dieser Art von Spielern, die keine normalen Spieler sind, sondern Topspieler“, schwärmte Maresca. „Und Topspieler machen Dinge, bei denen normale Spieler oder wir uns fragen: Wie kann er das tun? Das liegt daran, dass er Cole ist, dass er top ist, und das können wir von Cole erwarten.“
Marescas besondere Beziehung zu Palmer
Der Italiener hat eine besondere Beziehung zu seinem Schützling, schließlich trainierte Maresca Palmer in der Saison 2020/21 in der U23 von Manchester City.
Ihn habe damals schon eine ganz besondere Art und Weise ausgezeichnet, erinnerte sich Maresca: „Und jetzt ist er genau der gleiche Typ: Er liebt den Fußball, ist bescheiden, macht keine komischen Sachen - und das ist das Beste für Cole und für junge Spieler.“
Die verrückten Dinge macht Palmer nur, wenn er auf dem Platz steht – und er sich in einem spielentscheidenden Moment für einen Panenka entscheidet.
„Charme eines Jedermanns“
„Nur auf dem Spielfeld scheint er die vielen Millionen, die an jeder seiner wunderbaren Ballberührungen hängen, nicht zu bemerken“, urteilte die BBC über den Mann, der den „Charme eines Jedermanns der 2020er Jahre“ besitzt. „Ein Mann, der in der Öffentlichkeit nur wenig Worte verliert und der aussieht, als würde er lieber einen Kapuzenpulli und eine Jogginghose tragen, als im Rampenlicht zu stehen.“
Bei Manchester City blieb ihm der große Durchbruch verwehrt – auch wenn Pep Guardiola sein Potenzial erkannte. „Cole hat diese besondere Qualität vor dem Strafraum, dieses Talent, das schwer zu finden ist“, sagte der City-Coach einst über Palmer, der sich 2023 für den Schritt zum FC Chelsea entschied.
Schon in der turbulenten vergangenen Saison war der elfmalige englische Nationalspieler mit 25 Toren und 15 Assists in 45 Pflichtspielen der absolute Lichtblick bei den Blues. Und nun scheint sich nach der wilden Transferoffensive auch auf dem Platz eine funktionierende Mannschaft gefunden zu haben.
Mit dem vierten Sieg in Serie festigten die Blues in der Tabelle ihren Platz als Verfolger Nummer eins hinter Spitzenreiter FC Liverpool und blieben seit der 1:2-Niederlage im direkten Duell im Oktober zum siebten Mal in Folge ungeschlagen. Als Titelkandidat sieht Maresca sein Team aber noch nicht.
„Um ehrlich zu sein, wir sind nicht bereit“, meinte Maresca und sah neben Liverpool eher Arsenal und City als Meisteranwärter. „Wir sind weit weg von diesen Teams, aber wir fokussieren uns täglich und versuchen, uns als Mannschaft zu verbessern. Der Plan ist, dass die Spieler nicht nachlassen.“ Das muss er einem „Cold“ Palmer wohl nicht zweimal sagen.