„Die Realität ist, dass ich näher daran bin zu gehen als zu bleiben.“ Nach dem Saisonfinale in der Premier League, als sich Manchester City Mitte Mai dank des 3:1-Sieges gegen West Ham United den Meistertitel sicherte, überraschte Trainer Pep Guardiola im Interview mit Sky Sports mit eben jenen Worten.
Er soll den Fluch besiegen
„Es sind acht Jahre, bald sind es neun. Im Moment habe ich das Gefühl, dass ich nächste Saison bleiben möchte. Wir haben mit dem Verein gesprochen, wir haben Zeit, um über die nächste Saison zu sprechen, denn ich muss auch die Spieler sehen, wenn sie mir folgen“, so der Spanier weiter.
Vor allem ein Gedanke treibt den 53-Jährigen um. Die Frage, was er mit den Cityzens noch erreichen kann. „Dieses Gefühl hatte ich vergangene Saison (nach dem Triple-Gewinn, Anm. d. Red.). Wir waren in Istanbul und ich sagte: ‚Es ist vorbei. Was mache ich hier eigentlich? Es gibt nichts mehr.“
Guardiola hat alle Ziele erreicht
Trotz der Euphorie über den gewonnenen Premier-League-Titel wusste Guardiola – auch im Hinblick auf die Saison davor -, dass die Liste an erstrebenswerten Zielen im Vereinsfußball im Grunde abgearbeitet ist.
Als Trainer des FC Barcelona, des FC Bayern und von Manchester City feierte er Erfolge in den wichtigsten Ligen, unzählige Erfolge. Dreimal Champions-League-Sieger, sechsmal englischer Meister, je dreimal Meister in Deutschland und Spanien, viermal Klubweltmeister, je zwei Pokalsiege in allen drei Ligen – und die Liste lässt sich fortsetzen.
Beim Blick auf die beispiellose Titelsammlung verwundert es nicht, dass sich der Erfolgscoach nach anderen Herausforderungen sehnt. „Ich würde gerne die Erfahrung machen, eine Weltmeisterschaft, eine Europameisterschaft oder eine Copa América als Manager zu erleben“, formulierte er.
Welche Nation verpflichtet den Spanier?
Bis 2025 läuft Guardiolas Vertrag in Manchester, nur ein Jahr später steigt in den USA, Kanada und Mexiko die nächste Fußball-WM. Verzichtet der Fußballlehrer auf eine Auszeit, wie er sie nach seinem Engagement als Barca-Trainer vollzog, bliebe ein Jahr Zeit, um eine Nationalmannschaft für das Großereignis vorzubereiten. Wer aber kann sich den Guardiola-Traum erfüllen?
Einen ersten Versuch unternahm Medienberichten zufolge bereits Katar. Der Spanier hatte als Botschafter für die WM 2022 fungiert, dem Wunsch des Emirats, die Nationalmannschaft bei dem Großereignis zu betreuen, kam er aber nicht nach.
Eines ist seitdem klar: Für unbedeutende Nationen dürfte sich ein Trainer vom Kaliber eines Pep Guardiola nicht an die Seitenlinie stellen. Stellt sich also die Frage: Welche Topnationen kommen überhaupt in Frage?
Trainerjobs vieler Topnationen besetzt
Luis de la Fuente, der mit Spanien erst vor wenigen Tagen den EM-Titel gewann, hat einen Vertrag bis 2026 und könnte kaum fester im Sattel sitzen. Gleiches gilt für Julian Nagelsmann beim DFB, der ebenfalls bis nach der WM vertraglich gebunden ist.
Und auch Didier Deschamps hat trotz der wenig ansehnlichen Leistungen bei der EM den Rückhalt des französischen Verbandes. „Ich sehe keinen Grund, seinen Vertrag in Frage zu stellen. Didier wird seine Mission fortsetzen“, ließ sich Verbandschef Philippe Diallo erst kürzlich im L‘Équipe-Interview zitieren. Der Kontrakt von Deschamps läuft ebenfalls bis nach der WM.
Die heißeste Spur führt aktuell dorthin, wo Guardiola ohnehin schon seit acht Jahren lebt – nach England. Nationaltrainer Gareth Southgate trat nach dem verlorenen EM-Finale zurück, der Posten des Nationaltrainers ist aktuell vakant. Kommt Guardiola in Frage? Ab 2025? Und was wäre bis dahin?
Waddle empfiehlt Guardiola als England-Coach
„Es gibt eine Menge Gerede darüber, dass Guardiola nach dieser Saison (in Manchester) aufhört“, sagte Ex-Mittelfeldstar Chris Waddle diesbezüglich bei Boyle Sports - und forderte die Verantwortlichen im Verband dazu auf, umgehend bei Guardiola nachzufragen. „Ich habe gehört, dass er einen Job als Nationaltrainer will, bei einer Mannschaft mit Potenzial. Nun, hier ist dieser Job. Wenn ich bei der FA wäre, würde ich unbedingt jetzt mit ihm sprechen.“
Und weiter: „Man muss jetzt seine Berater anrufen und abklären, ob er nach Southgate der nächste Nationaltrainer Englands werden möchte.“
Interessant: Bei den Verantwortlichen wird eigentlich die Einstellung eines englischen Trainers bevorzugt. Problem dabei: Allzu viele Toptrainer brachte die Insel zuletzt nicht hervor.
Folgt der City-Coach auf Southgate?
In einem Bericht des Independent heißt es nun, dass der Verband aktuell in Erwägung zieht, ein Jahr auf Guardiola zu warten. „Der Fußballverband zieht die Idee in Betracht, einen Interimscoach zu benennen, um Guardiola im nächsten Jahr zu gewinnen“, schreibt die Zeitung. Dies sei zwar keine optimale Lösung, im Hinblick auf die Klasse des City-Coaches aber hinnehmbar. Bereits 2023 hatte die Daily Mail berichtet, dass die FA-Bosse Guardiola gerne von City loseisen würden.
Für Guardiola könnten die Three Lions eine attraktive Option sein. Land, Leute und Sprache kennt er bereits, dazu diverse Nationalspieler aus dem Verein. Auch wenn es die Leistungen bei der EM 2024 nicht immer vermuten ließen, der britische Kader ist höchst attraktiv und reizvoll, zudem gespickt mit namhaften Stars.
Dazu könnte er sich im Erfolgsfall quasi unsterblich machen. Seit 58 Jahren wartet England auf einen großen Titel. Was also wäre in England los, wenn 2026, nach dann 60 Jahren, endlich wieder eine Trophäe bejubelt werden könnte?
Gönnt sich Guardiola eine Pause?
Und dann wäre da ja noch die EM 2028, die für die Briten bekannterweise eine Heim-EM wird. An Anreizen dürfte es für die Übernahme des englischen Trainerjobs also nicht mangeln.
Die entscheidende Frage bei allem: Was will Guardiola selbst? Stürzt er sich nach neun stressigen Jahren bei ManCity direkt in das Abenteuer Three Lions? Löst er womöglich seinen Vertrag bei den Cityzens vorzeitig auf, um direkt auf Southgate zu folgen? Oder schnauft er nach der Erfüllung seines Vertrages in Manchester erst einmal durch und gönnt sich eine Auszeit?