Werden die letzten Wochen von Jürgen Klopp beim FC Liverpool ganz besonders emotional? Der 56-Jährige hat sich am Wochenende jedenfalls mit den Reds in der Premier League wieder in die Pole Position gebracht und könnte sich tatsächlich mit einem großen Titel aus England verabschieden.
Ein Trainer mit besonderer Gabe
Seine Chancen auf die zweite Meisterschaft nach 2020, sie haben sich verbessert. „Wir werden sehen, wie es ausgehen wird“, sagte Klopp nach dem 2:1 gegen Brighton & Hove Albion und fügte hinzu: „Ich habe beschlossen, dass ich wirklich mein Bestes geben werde, um es zu genießen.“ Doch nicht nur sportlich, sondern auch hinter den Kulissen geht es bei dem Traditionsverein gerade spannend zu.
Der Grund: Nach wie vor steht nicht fest, wer Klopps Erbe antreten wird. Xabi Alonso ist mittlerweile vom Markt, dagegen befinden sich Roberto De Zerbi und Deutschlands Bundestrainer Julian Nagelsmann laut Medienberichten noch im Rennen. Der Favorit für den begehrten Posten soll aber plötzlich ein anderer sein: Ruben Amorim. Doch wer ist dieser Portugiese eigentlich?
Amorim steckt Fehlstart ins Trainerleben weg
Erst einmal fällt auf: Amorim ist mit 39 Jahren ein sehr junger Trainer, hat sich in seiner Heimat allerdings in kurzer Zeit schon einen großen Namen gemacht. Dabei begann seine Zeit nach der aktiven Laufbahn holprig. Zur Saison 2018/19 übernahm er den damaligen Drittligisten Casa Pia AC - ohne gültige Trainerlizenz.
Als Folge wurden dem Klub im Frühjahr 2019 sechs Punkte abgezogen und Amorim für zwölf Monate gesperrt. Eine drastische Strafe, die hinterher aufgehoben wurde. Trotzdem reichte er seinen Rücktritt ein.
Ebenfalls nicht lange trainierte er Sporting Braga - das aber wiederum aus einem erfreulichen Grund: 2020 wurde er bereits nach zwei Monaten von Sporting Lissabon für zehn Millionen Euro aus dem Vertrag herausgekauft.
Der portugiesische Topklub erkannte Amorims enormes Potenzial offenbar schnell und sollte für das anfängliche Risiko belohnt werden. Bereits in seiner ersten Saison holte er mit Sporting die nationale Meisterschaft - die erste nach einer ewig langen Durststrecke von 19 Jahren. Und der Erfolg hält bis heute an. In dieser Saison steuert Amorim mit seinem Verein auf das Double zu.
Amorim? „Ein brillanter Kommunikator“
Was sein Geheimnis ist, beschrieb der portugiesische Fußballexperte Tom Kundert zuletzt so: „Er ist ein brillanter Kommunikator“, wurde Kundert von der Daily Mail zitiert: „In Pressekonferenzen ist er zum Beispiel sehr offen und gibt auf alle Fragen - auch auf die dummen - eine informative Antwort.“ Amorim strahle „eine bemerkenswerte Fröhlichkeit“ aus, selbst wenn der Druck von außen groß ist.
Beweis dafür war kürzlich die Reaktion des Trainers auf Berichte, Sporting habe mit Bayern-Assistent Anthony Barry bereits seinen Nachfolger an der Hand.
„Das Einzige, was mich stört, ist, dass sie bereits einen Ersatz für mich hatten“, witzelte Amorim, „aber heute habe ich Viana (Sportings Sportchef Hugo Viana, Anm. d. Red.) gesagt, er solle ruhig bleiben.“
Der frühere Nationalspieler Portugals, der immerhin 14 Länderspiele absolvierte, gehöre „zu den Trainern, die in der gesamten Mannschaft eine hervorragende Stimmung verbreiten, das ist zweifellos das Ergebnis seiner kommunikativen Einstellung“, hob Kundert eine besondere Gabe des Trainers hervor. „Ich kann mich nicht daran erinnern, dass er jemals einen seiner Spieler öffentlich kritisiert hätte.“
„Wenn bei Sporting etwas schiefläuft, was unter Amorim nicht oft vorkommt, lenkt er die Aufmerksamkeit auf sich selbst“, betonte der Experte und schwärmte von seiner einzigartigen Taktik und motivierenden Reden. Amorims Stil ist zwar anders als der von Klopp, doch auch er lässt einen mitreißenden, offensiven Fußball auf den Platz zaubern.
Klopp-Nachfolger? Das sagt Amorim zu Gerüchten
Passend zu den Ausführungen von Kundert nimmt Sportings Trainer den Wirbel um seine Person allgemein sehr locker. Nein, er müsse nicht mehr mit den Spielern arbeiten, weil die Gerüchte ablenken könnten, stellte er klar: „Sie wollen Titel mit Sporting gewinnen, genau wie ich. Die Hauptsache ist, nichts anders zu machen. Es gibt nicht mehr oder weniger Training. Es geht darum, dass alles so normal wie möglich bleibt.“
Alle bei Sporting hätten nur zwei wichtige Spiele im Kopf, betonte Amorim: Das Pokal-Halbfinale gegen Benfica am Dienstag und das Liga-Duell am Samstag, in dem es ebenfalls gegen den Lokalrivalen geht, der nur einen Punkt hinter Tabellenführer Sporting liegt.
„Wenn jeder weiß, was er im Spiel zu tun hat, entspannt das die Mannschaft. So haben wir uns auf diese Woche vorbereitet“, berichtete der Coach.
Bekommt Liverpool bei Amorim noch Konkurrenz?
Falls sich Liverpool wirklich für den Portugiesen entscheiden sollte, dürfte der Deal zumindest nicht am Geld scheitern.
Denn wie The Telegraph berichtet, habe der Trainer eine Ausstiegsklausel in Höhe von 15 Millionen Euro in seinem Vertrag verankert. Diese gilt für den kommenden Sommer, ein Jahr später wären sogar nur noch zehn Millionen fällig.
Doch so weit ist es ohnehin noch nicht. Er sei „gerade jetzt nur auf Sporting konzentriert“, betonte Amorim: „Ich bin stolz, hier Trainer zu sein. Am Ende wird man sehen. Ich habe einen Vertrag und bin sehr glücklich hier. Das ist das Wichtigste, noch mehr als Verträge. Der Fokus liegt nur darauf, Benfica im Pokal zu schlagen.“
Ohnehin sind die Reds nicht der einzige Klub, der an Amorim interessiert ist. Der FC Barcelona sucht noch einen Nachfolger für den nach der Saison abgehenden Xavi. Auch beim FC Chelsea und bei Manchester United wäre es nicht überraschend, wenn man sich auf dem Trainerposten Gedanken macht.