Trotz Erling Haalands Rekordsaison hören die Diskussionen um den norwegischen Superstar nicht auf.
So gefährlich ist Haalands Schattenmann
Ob die Liverpool-Legenden Dietmar Hamann und Jamie Carragher oder Arsenal-Ikone Thierry Henry - immer wieder stellen prominente Persönlichkeiten des Weltfußballs die Anpassungsfähigkeit von Haaland an den City-Fußball sowie das System von Pep Guardiola in Frage.
Liverpool-Coach Jürgen Klopp schaltete sich vor der 1:4-Blamage seiner Schützlinge gegen die Citizens in die Haaland-Debatte ein. Das Spiel der Skyblues sei ohne Haaland „anders, aber nicht schwächer“, sagte Klopp und fügte hinzu: Guardiola habe Manchester ja auch ohne echten Stürmer zur Meisterschaft geführt.
Álvarez macht Haaland-Ausfall vergessen
Kaum war das Prestige-Duell der beiden Top-Teams angepfiffen, rückte Haalands verletzungsbedingter Ausfall in den Hintergrund. Nach dem frühen Schock für ManCity durch das Gegentor von Mohamed Salah leitete Haalands Schattenmann mit seinem Treffer die Wende ein: Julián Álvarez.
„So wie sie gespielt haben, haben sie das ganze Jahr noch nicht gespielt“, attestierte Hamann ManCity eine Topleistung.
Guardiola war nach Abpfiff voll des Lobes für Haaland-Vertreter Álvarez: „Alle Aktionen waren brillant. Mit dem Ball war er so clever, weil er so intelligent ist.“
An einem Vergleich seiner beiden Angreifer wollte sich der Star-Trainer aber nicht beteiligen: „Wenn wir Erling haben, haben wir etwas Besonderes - und Julian ist auch etwas Besonderes.“
Dennoch stellt sich die Frage: Passt Álvarez vielleicht sogar besser zu City als Rekordtorjäger Haaland?
Haaland vs. Álvarez - die Statistik lässt Interpretationsspielraum
Wie zu erwarten, sprechen die nackten Zahlen für den norwegischen Superstar, stieß Haaland mit 42 Pflichtspiel-Toren in 37 Spielen in völlig neue Sphären vor. Die 13 Pflichtspiel-Treffer von Álvarez wirken dagegen fast mickrig, sind bei einer tieferen Analyse aber fast genauso beeindruckend.
In 16 Startelf-Einsätzen steuerte Álvarez satte 17 Tore bei. Schenkte Guardiola dem Argentinier gegen einen der Big Six der Insel das Vertrauen, wusste Álvarez nicht weniger zu überzeugen als Konkurrent Haaland.
Dem Norweger gelangen wettbewerbsübergreifend sechs, dem argentinischen Weltmeister fünf Tore gegen die Crème de la Crème der Premier League.
Was für Álvarez spricht
Eine Analyse von The Athletic legt insbesondere nahe, dass Álvarez geschickter als sein Sturm-Konkurrent dabei ist, sich ins Mittelfeld fallen zu lassen und somit als Bindeglied zwischen Citys spielstarker Schaltzentrale und dem Angriff zu fungieren.
Ein weiterer Punkt, der demnach für Álvarez spricht: Durch sein Anlaufverhalten können die Skyblues einen ganz anderen Druck auf die gegnerische Abwehrkette entfachen als mit Haaland. Der 23-Jährige bringt Eigenschaften mit, die dem City-Stil der erfolgreichen letzten Jahre deutlich mehr entgegen kommen.
Dabei durfte Álvarez seine Qualitäten in der Premier League nur fünfmal über 90 Minuten unter Beweis stellen. Spielte er durch, verloren die Himmelblauen nur eine Premier-League-Partie und kamen auf einen Schnitt von 2,8 Toren.
Zum Vergleich: Steht Haaland die vollen 90 Minuten auf dem Platz, schießen die Citizens durchschnittlich fast ein Tor weniger. Fairerweise sind die Zahlen von Àlvarez diesbezüglich weniger aussagekräftig.
Vertrag bis 2028: City baut auf Álvarez
Guardiola ließ sich nach der Gala gegen Liverpool zu einer Dankesrede an Álvarez-Entdecker Txiki Begiristain hinreißen: „Vielen Dank an den Verein, an Txiki, an die Scouts, dass sie ihn entdeckt haben.“
Der City-Sportdirektor war Anfang 2022 Initiator des Álvarez-Transfers - trotz der mit 27 Millionen Euro dotierten hohen Ablöse für ein Südamerika-Talent, das sein Potenzial bis dahin nur in der argentinischen Liga angedeutet hatte.
Als einer der Shootingstars bei der Winter-WM in Katar zählte Álvarez zu den Garanten des Triumphs der Argentinier. Das nahm sich City zum Anlass und verlängerte Mitte März den Vertrag mit dem Haaland-Backup bis 2028.
„Ich bin sehr zufrieden mit meiner ersten Saison hier, aber ich kann noch viel mehr erreichen“, gab sich Álvarez nach der Vertragsunterschrift angriffslustig und betonte: „Ich weiß, dass ich besser sein kann.“
Haaland-Comeback? Álvarez? FC Bayern ist gewarnt
City muss sich also keine Sorgen machen, sollte Rekord-Stürmer Haaland in der Champions League gegen die Bayern ausfallen. „Wenn sie mit Haaland gegen die Bayern spielen, hätte ich damit (aus Bayern-Sicht) kein Problem“, blickte Haaland-Kritiker Hamann voraus.
Bayern-Vorstandsboss Oliver Kahn sagte dazu bei Sky90: „Pep hat ja immer kreative Einfälle zwischendurch. Aber ob City nun mit Haaland besser ist oder nicht, das ist fast eine Luxusdiskussion. Wenn Haaland spielt, macht er fast immer seine Tore. Das gibt Pep noch mehr Möglichkeiten. Optionen zu haben, ist ja nicht schlecht.“
Gut für City, schlecht für Bayern: Haaland kehrte nach seiner Adduktorenverletzung am Mittwoch ins Mannschaftstraining der Skyblues zurück, sein Einsatz gegen den deutschen Rekordmeister am kommenden Dienstag scheint also nicht gefährdet zu sein.
Und falls doch, hat Guardiola eine spannende Alternative in der Hinterhand. Eine, vor der auch die Bayern gewarnt sein sollten.