Mai 2012, der Osten Manchesters ist in Ekstase. Sergio „Kun“ Agüero hat sich soeben in den Geschichtsbüchern der Skyblues verewigt.
ManCitys Meisterschaften futsch?
Der mittlerweile Ex-Nationalspieler Argentiniens und Kompagnon von Lionel Messi dringt in der vierten Minute der Nachspielzeit rechts in den Strafraum ein und jagt den Ball unhaltbar für Paddy Kenny, den Keeper der Queens Park Rangers, in die Maschen.
Aus dem einstigen Mittelklasseklub Englands ist, dank der arabischen Besitzer, nun endlich ein Titelträger der Premier League geworden.
Über 100 Regelverstöße
A memorable moment in City´s history, schwärmen die Anhänger von Manchester City. Doch wie lange bleibt dem durch staatliche Sponsoring-Deals emporgekommenen Topklub Europas diese Erinnerung noch?
Zum einen wirft der Justizausschuss der Premier League dem Guardiola-Klub vor, Finanzinformationen in Bezug auf den Sponsoring-Deal mit Abu Dhabi verschleiert zu haben.
Ein weiterer Angriffspunkt soll die fehlende Transparenz in Sachen Bezahlung von Meistertrainer Roberto Mancini zwischen 2009 und 2013 sein, um einen zweiten der insgesamt über 100 Verstöße zu skizzieren.
Die Sun berichtet darüber hinaus von Geldzahlungen an minderjährige Spieler als Druckmittel, einen Vertrag mit City zu unterzeichnen. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Premier League)
Rivalen fordern Zwangsabstieg
„Falls Manchester City schuldig gesprochen wird, haben sie den Fußball als Spektakel betrogen“, schreibt der Guardian. Das Sportblatt hat diese Meinung nicht exklusiv, was kritische Stimmen nach Bestrafung von mehreren Premier-League-Vereinen beweisen.
Ein nicht genannter Klubchef sprach im Dialog mit der Sun von einem Zwangsabstieg als „einzig angemessene“ Lösung. „Wir sprechen über ein Jahrzehnt angeblicher Missbräuche und wollen, dass die Premier League das Richtige tut“, so der Verantwortliche weiter.
Einen Zeitplan für das Verfahren gegen die Skyblues gab die Liga bisher nicht bekannt. Doch was würde eine Schuldzuweisung vonseiten des externen Komitees für die Skyblues konkret bedeuten? (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Premier League)
Möglicher Punktabzug betrifft nicht nur City
Dem Wortlaut des Reglements der Premier League ist zu entnehmen, dass ein Ausschluss aus dem Ligasystem der Premier League durchaus im Bereich des Möglichen liegt. Dieses Urteil wäre mit einem Zwangsabstieg der Skyblues bis in Englands sechste Liga gleichzusetzen.
Abseits eines vorübergehenden Ausschlusses aus dem Profibetrieb auf der Insel wären wiederholte Spielansetzungen und sogar ein Punktabzug denkbar, den ein Großteil der Premier-League-Mitglieder fordert. Letzterer würde nicht nur ManCity selbst hart treffen.
Nach Angaben der Sun würden gleich sieben Mannschaften im Fall der Fälle ihre Punkte verlieren, die sie gegen den Scheichklub aus Manchester gewonnen haben. (DATEN: Die Tabelle der Premier League)
Das Überraschungsteam aus Newcastle und Citys Stadtrivale United würden sich zwar weiterhin um Platz zwei hinter dem nur noch in der Theorie einholbaren Titelaspiranten Arsenal duellieren. Die zahlreich transferierten Millionen-Verdiener des FC Chelsea hätten plötzlich wieder eine Perspektive auf die Champions League in der kommenden Saison, würde der Abstand der Londoner zum Viertplatzierten Tottenham auf sechs Punkte schrumpfen.
Die beiden Liverpooler Klubs würden zu den Leidtragenden zählen. Aston Villa würde als ebenfalls betroffenes Team an den ohnehin abgeschlagenen Reds vorbeiziehen. Für den wahrscheinlich größten Aufschrei würde der Punktabzug beim abstiegsbedrohten FC Everton sorgen, wäre die Truppe von Neu-Coach Sean Dyche plötzlich punktgleich mit dem Vorletzten aus Bournemouth.
Meisterschaften futsch?
Die wohl einschneidendste Sanktion wäre eine mögliche Aberkennung Citys Meisterschaften und Liga-Erfolge des letzten Jahrzehnts. Laut den Statuten könne die Liga bei einem derartigen Regelbruch „eine andere Ordnung schaffen, die sie für richtig hält.“ (NEWS: La-Liga-Boss wettert gegen City)
In der Hälfte aller Spielzeiten seit der Saison 2009/10 hätten die Skyblues nach einem realistischen 20-Punkte-Verlust die Champions-League-Ränge verpasst. Die bahnbrechende 2012er-Meisterschaft in der Historie der Citizens würde genauso an Gültigkeit verlieren, wie die Titelgewinne 2013/14 und 2017/18.
Der Blick auf den englischen Fußball wäre um 180 Grad gedreht: Doppelter Nutznießer Citys aberkannter Meisterschaften wäre Manchester United, das die Ära Alex Ferguson entgegen der aktuellen Meinung erfolgreich hinter sich gelassen hätte – vor dem geistigen Auge der City-Anhänger würde José Mourinho schelmisch lächeln.
Der als die ewige Liverpool-Legende ohne Premier-League-Titel abgestempelte Steven Gerrard hätte am Saisonende 2014 etwas Blechernes in die Höhe recken dürfen – ein weiterer Moment für die Ewigkeit.
Juve als mahnendes Beispiel
Die italienische Liga buchte dem Serienmeister in der aktuellen Spielzeit 15 Punkte ab. Vorausgegangen waren Ermittlungen, die vorerst zu einem erschreckenden Ergebnis geführt haben: Juve hat seine Spieler während der Pandemie teils schwarz bezahlt und dadurch mehrstellige Millionenbeträge nicht ordnungsgemäß angegeben.
Die Alte Dame ist durch die sportliche Sanktion auf den 13. Tabellenplatz abgerutscht, will gegen das Urteil aber beim Italienischen Olympischen Komitee CONI Berufung einlegen.
Glaubt man Berichten der Times, bliebe Guardiola und Co. diese Möglichkeit nach einer möglichen Schuldzuweisung verwehrt. Der spanische Welttrainer hat ohnehin angekündigt, bei einem positiven Befund sein Amt bei den Skyblues niederzulegen.
Juventus Turin wurden die beiden Meisterschaften 2004/05 und 2005/06 im Zuge ihres Schiedsrichter-Skandals zwar aberkannt, nur eine aber an den Rivalen Inter Mailand weitergegeben.
Zumindest ein Hoffnungsschimmer für die Citizens, nicht noch mehr zum Gelächter des Erzrivalen United zu werden.