Es war eines dieser Statements, die eigentlich mehr Fragen aufwerfen, als sie Antworten geben.
Das bedeutet der Abramowitsch-Knall
Klar ist eines: Mit Roman Abramowitsch zieht sich der Boss des FC Chelsea aus dem operativen Geschäft zurück. Er übertrug mit sofortiger Wirkung den Treuhändern „der gemeinnützigen Chelsea-Stiftung die Verwaltung und Betreuung des FC Chelsea“, die Verantwortung über den Klub aus London, wie es in dem Statement hieß.
Ein echter Knall, schließlich leitet der Russe den Klub seit rund 20 Jahren und ist längst zu einer schillernden Persönlichkeit der Fußball-Welt geworden. Wenn sich Abramowitsch mal wieder eine Yacht kauft, dann wird das in den Boulevardmedien auf der Insel oft prominenter aufgegriffen als ein Transfer mit Chelsea.
Doch was bedeutet der Knall, welche Folgen könnte er haben und welche Gründe hat Abramowitsch?
Die Gründe für Rückzug von Abramowitsch
Die Entscheidung von Abramowitsch fiel inmitten des Einmarsches von russischen Truppen in die Ukraine. Ein Zufall ist das wohl nicht, oder nur zu einem Teil. Für einen Oligarchen dürften die finanziellen und politischen Sanktionen, welche die westliche Welt derzeit vorbereitet oder bereits auf den Weg gebracht hat, zu einem Problem werden. Diese könnten auch den Klub betreffen. Durch seine Entscheidung schützt er Chelsea. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Premier League)
Spannend ist, dass der 55-Jährige in seinem Statement kein Wort über den Krieg in der Ukraine verloren hat. Abramowitsch pflegt Kontakt zum russischen Präsidenten Wladimir Putin, doch über seine Haltung zu dem Konflikt hat er sich noch nicht öffentlich geäußert. Allerdings: Die Jerusalem Post berichtet, dass Abramowitsch auf das Ersuchen Kiews hin an den Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland teilnimmt.
Tatsächlich bestätigte ein Sprecher von Abramowitsch am Montag, dass der Eigentümer des FC Chelsea von der ukrainischen Seite um eine Teilnahme an den Gesprächen gebeten worden war. Bestätigt sind derartige Berichte allerdings noch nicht. (Russlands Krieg gegen die Ukraine und seine Auswirkungen auf den Sport: Alle News im Liveticker)
Derzeit ist noch völlig unklar, ob Abramowitsch den Klub verkaufen will oder vielleicht sogar wieder in das operative Geschäft einsteigt, wenn sich die Lage ändern sollte. Es ist also gut möglich, dass der Russe, der auch eine israelische und portugiesische Staatsbürgerschaft besitzt, zunächst einmal abwarten will - also auf Zeit spielt und außerdem ein klares Signal setzt.
Ein Rückzug symbolischer Natur?
Abramowitsch wehrt sich nämlich schon seit geraumer Zeit dagegen, als Partner von Putin bezeichnet zu werden. Die finanziellen Strukturen des Milliardärs sind allerdings immer wieder Thema bei den englischen Ämtern. Erst jüngst wurde bekannt, dass das Innenministerium Abramowitsch im Jahr 2019 mit dem russischen Staat und „korrupten Aktivitäten und Praktiken“ in Verbindung brachte.
Sein Rückzug kann daher eher symbolischer Natur sein als technischer. Die Daily Mail schreibt dazu, dass sich faktisch nach ihren Informationen nahezu nichts bei den Blues ändern wird.
Demnach würde Vorstandsmitglied Marina Granovskaia weiter die Geschicke der Fußballabteilung leiten - und zwar zusammen mit dem ehemaligen Chelsea-Keeper Petr Cech. Die Rolle von Granovskaia könnte nun aber noch bedeutender werden. Spannend, auch weil die russisch-kanadische Funktionärin eine enge Vertraute von Abramowitsch war und ist.
Das sind die Treuhänder des FC Chelsea
Neben Granovskaia rücken nun die sechs Treuhänder etwas mehr in den Mittelpunkt.
Bruce Buck ist der Vorsitzende dieses Kreises. Der US-Amerikaner ist ehemaliger Geschäftsführer der europäischen Anwaltskanzlei Skadden Arps Slate Meagher & Flom und gilt als einer der einflussreichsten Anwälte in Großbritannien.
John Devine ist ebenfalls Anwalt, Paul Ramos der Finanzdirektor. Mit Sir Hugh Robertson ist auch ein ehemaliges Mitglied des Parlaments vertreten. Emma Hayes hat als Managerin der Chelsea FC Women viele Erfolge gefeiert. Die Letzte im Bunde ist Piara Power, die sich unter anderem für Gleichberechtigung im Fußball einsetzt.
Gegenwind für Chelsea nach Ukraine-Statement
Wie gefährlich die Thematik rund um Abramowitsch für Chelsea nun ist, zeigen die Reaktionen auf ein Klub-Statement zum Ukraine-Krieg, mit dem Chelsea eigentlich für ein wenig Ruhe in der Thematik sorgen wollte - doch es war das Gegenteil der Fall.
„Die Situation in der Ukraine ist entsetzlich und verheerend. Die Gedanken des FC Chelsea sind bei den Menschen in der Ukraine. Alle Mitglieder des Vereins beten für den Frieden“, ließ der Klub aus London mit 24 Worten recht kurz angebunden wissen.
Auf Twitter und anderen sozialen Plattformen war die Wut der Fans danach groß. „Das ist der erbärmlichste Versuch, das Gesicht zu wahren, den ich je gesehen habe. Ekelhafter Klub“, schrieb ein User. „Mehr als nur erbärmlich“, ein anderer.
„Das ist wohl die sinnloseste Aussage überhaupt. Besser wäre es, gar nichts zu sagen“, lautete ein weiterer Tweet.
Auch störte die Fans, dass Chelsea in dem Statement Russland mit keinem Wort erwähnte. Die Fronten scheinen bereits verhärtet - und mit derartigen Aktionen kann der Klub seine Anhänger offenkundig nicht beruhigen.
Die Bedeutung von Abramowitsch für den Klub
Chelseas Trainer Thomas Tuchel sprach bereits am Freitag davon, dass die Ungewissheit über Abramowitschs Zukunft den Verein belaste.
Rein sportlich muss man jedoch festhalten, dass das Kapitel Abramowitsch beim FC Chelsea mit einem beispiellosen Erfolg verknüpft ist. Nach der Übernahme im Jahr 2003 gewannen die Blues fünfmal die Premier League, fünfmal den FA Cup und zweimal die Champions League.
Immer wieder öffnete Abramowitsch seine Schatulle und ermöglichte so die Verpflichtung von Schlüsselspielern, um die Dominanz von Manchester United und dem FC Arsenal zu durchbrechen, welche Mitte der 2000er-Jahre noch herrschte.
Die unabhängige Forschungsgruppe CIES Football Observatory mit Sitz in der Schweiz veröffentliche eine Studie, wonach Chelsea alleine in den letzten zehn Jahren 1,628 Milliarden Euro an Ablösesummen ausgegeben hat - Platz zwei hinter Manchester City.
Ohne Zweifel wäre das ohne Abramowitsch nie möglich gewesen.