Vor dem St. James‘ Park in Newcastle spielten sich am Donnerstagabend Szenen ab, die an eine Meisterfeier erinnerten. Die Fans von Newcastle United jubelten, sangen und tranken ausgelassen.
Wird Newcastle nun wie ManCity?
Dabei ist der Klub von Titeln ganz weit entfernt - noch.
Die Anhänger strömten zu ihrer Arena, um die Übernahme des Vereins durch ein Konsortium aus Saudi-Arabien zu feiern.
Der umstrittene saudische Kronprinz Mohammed bin Salman hat ab sofort 80 Prozent der Anteile inne. Finanzmogulin Amanda Staveley erhält zehn Prozent. (NEWS: Der Prinz mit Blut an den Händen)
Newcastle: „Wir haben Ambitionen wie ManCity und PSG“
Rund 350 Millionen Euro hat der bisherige Besitzer Mike Ashley für den Deal bekommen.
In der Stadt im Norden Englands ist trotz heftiger Anschuldigungen gegenüber bin Salman eine Euphorie ausgebrochen. Und diese stachelten die neuen Bosse direkt an.
Staveley sagte der Daily Mail: „Natürlich haben wir Ambitionen wie Manchester City und PSG und wollen um Titel mitspielen.“ Sie fügte an: „Wollen wir die Premier League innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre gewinnen? Ja!“
Müssen Europas Spitzenteams also vor einer neuen Großmacht zittern?
Newcastle dank Ex-Besitzer Ashley mit großen Chancen
Fest steht: Newcastle hat ab sofort riesige finanzielle Möglichkeiten, gar größere als PSG und ManCity.
Bin Salman, der gleichzeitig Kronprinz, Verteidigungs- sowie stellvertretender Premierminister Saudi-Arabiens ist, verfügt über ein gigantisches Vermögen von über 300 Milliarden Euro. Das gesamte Vermögen der Eigentümer wird auf 370 Milliarden Euro beziffert. Der Reichtum der saudischen Königsfamilie wird insgesamt auf circa 1,25 Billionen Euro geschätzt.
Und dieses Geld darf der Scheich schon bald einsetzen. Denn: Ashley hat einen Verein verkauft, der finanziell sehr gut aufgestellt ist.
Zudem dürfte die Kasse durch neue Werbedeals noch mehr gefüllt werden, sagt Fußball-Finanzexperte Kieran Maguire der Daily Mail: „Wir haben das bei Manchester City gesehen. Sie können Verträge dort abschließen, wo die Besitzer herkommen.“
Der Fachmann betonte, dass die Magpies finanziell ohnehin bestens ausgestattet sind: „Bei allem, was an Mike Ashley auszusetzen ist, würde ich gerne einen Verein von ihm kaufen.“
Dembélé, Sergi Roberto und Kessié auf der Einkaufsliste?
Die Daily Mail berichtete, dass die Magpies in den nächsten drei Jahren weit über 200 Millionen Pfund für Transfers ausgeben können, ohne gegen die Regeln des Financial Fair Play zu verstoßen.
Vor allem bei Transfers hatte sich der bisherige Besitzer Ashley stets zurückgehalten, fast immer ein Plus erwirtschaftet und meist auf Star-Einkäufe verzichtet.
Das dürfte nun alles anders werden!
Immerhin droht Newcastle als 19. der Premier League der Abstieg. Die neuen Investoren werden also wahrscheinlich schon ab dem 1. Januar auf Einkaufstournee gehen und ihr Projekt nicht durch zurückhaltende Transferpolitik gefährden.
Die Sun berichtete, dass ein Innenverteidiger, zentraler Mittelfeldspieler und Stürmer kommen sollen. Allerdings schreibt die englische Zeitung: “Die Anzeichen deuten darauf hin, dass die Saudis nicht sofort eine Menge Geld in die Hand nehmen werden. Fans, die von der Verpflichtung von Mohamed Salah und Kylian Mbappe träumen, könnten also enttäuscht sein.“
In Zukunft werden die neuen Bosse aber bestimmt versuchen, diese Superstars nach Newcastle zu locken.
Die Marca berichtete bereits davon, dass die Barca-Stars Sergi Roberto und Ousmane Dembélé im Winter kommen könnten. Demnach auch auf der Einkaufs-Liste für den Januar: Milan-Star Franck Kessié oder Ajax-Keeper André Onana.
Lampard, Gerrard, Conte, Rodgers als Trainer-Kandidaten
Und auch einen neuen Manager wird es wohl schon bald geben. Steve Bruce meinte nach der Übernahme beim Telegraph: „Ich möchte weitermachen und den neuen Besitzern zeigen, was ich kann, aber man muss realistisch sein. Neue Besitzer wollen eigentlich immer einen neuen Manager.“
Die Kandidaten-Liste für den Job ist beeindruckend. Laut mehreren Medienberichten stehen Frank Lampard (vereinslos), Steven Gerrard (Glasgow Rangers), Antonio Conte (vereinslos), Arsène Wenger (vereinslos) und Brendan Rodgers (Leicester City) hoch im Kurs.
Eines steht aber wohl fest: Der neue Mann an der Seitenlinie wird von einer großen Euphorie getragen. Nach der Übernahme-Nachricht stürmten die Fans die Webseite des Vereins, um Dauerkarten zu kaufen.
Owen und Shearer feiern Klub-Verkauf
Nach einer Umfrage des Fanverbandes „Newcastle United Supporters‘ Trusts“ vom Dienstag befürworteten sogar 93 Prozent den Scheich-Einstieg.
Auch Vereins-Legende Michael Owen (“Das sind wirklich gute Neuigkeiten für alle Newcastle-Fans. Das ist genau das, was wir brauchten.“) feierte bei Twitter.
Klub-Held Alan Shearer hatte ebenfalls erst gejubelt (“Jaaaa! Wir können wieder hoffen“), dann aber in seiner Kolumne bei The Athletic leise Bedenken geäußert.
„Wir sind es uns selbst und der ganzen Welt schuldig, uns über die Menschenrechtsverletzungen in Saudi-Arabien zu informieren und zu wissen, worauf wir uns einlassen“, schrieb er. „Der Fußball bringt uns in eine schwierige Lage. Und er kann auch Heuchler aus uns machen.“
Trotz der Shearer-Bedenken und der fragwürdigen Taten des Scheichs: Die Reaktionen der feiernden Fans vor dem Stadion zeigt, dass die Basis des Klubs hinter dem neuen Projekt steht.
„Trophäen erfordern Investitionen, Zeit, Geduld und Teamarbeit. Um das zu erreichen, wollen wir, dass die Fans uns verstehen und vertrauen, und wir werden auf ihre Stimmen hören“, meinte Staveley.
Amnesty schimpft über Newcastle-Deal
Fan-Unruhen sind nicht zu erwarten, auch wenn Felix Jakens von Amnesty International im Interview mit der AFP forderte: „All diese Fans sollten sich so gut wie möglich bewusst machen, wer ihre Besitzer sind.“
Es sei „eine Farce, dass eine Person, die in Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit verwickelt ist, sich in die erste Liga des englischen Fußballs einkaufen konnte.“
Die finanziellen Möglichkeiten scheinen viele Bedenken zu überdecken.
Newcastle schon bald Meister?
„Die Grundlagen sind in Newcastle besser als bei City damals bei der Übernahme“, warnte Dr. Rob Wilson, Dozent für Sportbusiness-Management an der Sheffield Hallam University, deshalb die Konkurrenten in der Daily Mail.
ManCity hatte die erste Saison nach dem Kauf von Scheich Mansour bin Zayed Al Nahyan im Jahr 2009 als Zehnter beendet. Es folgten die Platzierungen fünf und drei vor dem Meistertitel im Jahr 2012.
Bewahrheitet sich Wilsons Annahme, könnten jubelnde Anhänger vor dem St. James‘ Park also bald wieder gesehen werden.