Jürgen Klopp kam am 9. Oktober 2015 durch die Tür zum Presseraum, nickte den Journalisten einen Tag nach der Unterschrift beim FC Liverpool zu und strahlte über das ganze Gesicht. Er stellte sich erstmals den Fragen der englischen Presse.
FC Liverpool: Hat Jürgen Klopp seine Versprechen in sechs Jahren bei den Reds gehalten?
Hat Klopp seine Versprechen gehalten?
Mit dem Ausspruch: „I‘m the normal one“ machte er sich sofort beliebt und sorgte für Lacher.
Damit holte er die Engländer sofort auf seine Seite. In einer Blitz-Onlineumfrage des Telegraph waren nur zweieinhalb Stunden nach Ende der ersten Pressekonferenz satte 80 Prozent „sehr beeindruckt“.
Klopp sagte Titel exakt voraus
Auch die Klub-Legenden wie Ex-Nationalspieler Dietmar Hamann lobten auf Twitter: „Großartiger Start für Klopp. Die Demut, die er zeigte, war erfrischend.“
Genau sechs Jahre, 326 Spiele, 196 Siege und fünf Titel später ist Klopp immer noch da und nimmt mehrmals auf jenem Stuhl im Presseraum von damals Platz.
Hat er sich während seiner Amtszeit also an seine Versprechen gehalten?
Immerhin hatte der Deutsche große Zeiten für den Klub angekündigt: „In vier Jahren werden wir einen Titel gewonnen haben.“
Das hat der Ex-Coach von Mainz und des BVB geschafft - und zwar mit deutscher Genauigkeit. Denn: Es dauerte tatsächlich die angekündigten vier Jahre, bis die Fans den ersten Pokal bejubeln durften.
Klopp führte Liverpool zurück an die Spitze
Es war der Sieg in der Champions League nach dem 2:0 gegen Tottenham im Mai 2019.
Doch Klopp ließ sogar noch die Krönung folgen. Nach 30 Jahren holten die Reds unter seiner Führung 2020 wieder die Meisterschaft.
Bis an die Spitze war es aber ein langer Weg.
„Ich kann keine Wunder vollbringen. Wir brauchen Zeit und machen das in kleinen Schritten“, hatte der 54-Jährige behauptet. Und auch damit behielt er Recht.
Die erste Saison schloss Liverpool auf Rang acht ab. Gemeinsam mit 1993/1994 und 2011/2012 war es sogar die schlechteste Bilanz der Vereinshistorie seit Einführung der Premier League im Jahr 1992. Es folgten zwei vierte Plätze und Rang zwei vor der historischen Meisterschaft. Die Rückkehr aus dem Mittelmaß zu den Top-Klubs passierte also nicht über Nacht.
Klopp machte Zweifler zu Gläubigen
Schnell war hingegen der Plan von Klopp auf dem Rasen zu erkennen.
„Wir wollen sehr emotionalen Fußball spielen. Emotionsloser Fußball passt nicht zu Anfield. Man wird viel Umschaltspiel sehen“, hatte er angekündigt und erschuf eine neue Identität für die Mannschaft.
Mittlerweile ist für jeden Fan klar zu sehen, wie Liverpool auftritt. Seit Jahren sorgen Sadio Mané und Mohammed Salah als Flügelraketen für Gefahr nach schnellen Kontern. Ähnlich wie beim BVB hatte Klopp sofort auf sein geliebtes Umschaltspiel gesetzt.
Auffällig zudem: Seine Spieler zerreißen sich auf dem Feld und nehmen das Publikum immer wieder mit Gesten mit.
„Die Spieler müssen das Vertrauen der Fans spüren. Wir müssen von Grüblern zu Gläubigen werden“, forderte Klopp bei seiner Antritts-Pressekonferenz auf.
Klopp-Comebacks gegen BVB und Barca
Und damit erweckte er den legendären Mythos von Anfield wieder zum Leben. Unvergessen sind die Mega-Comebacks im eigenen Stadion gegen den BVB im Viertelfinale der Europa League am 14. April 2016 beim 4:3-Sieg und das 4:0 gegen den FC Barcelona im Halbfinale der Champions League am 7. Mai 2019.
Viele weitere legendäre Spiele absolvierten die Reds unter Klopp und wurden bei Gänsehaut-Atmosphäre zu einer Heimmacht.
Enttäuscht hat Klopp bei seinem Klub trotz einer Krise zu Beginn der aktuellen Saison nicht. Dabei hat er bei seiner ersten Pressekonferenz durchaus gelogen, als er sagte: „I‘m the normal one“.
In England weiß längst jeder Fußball-Fan, dass Klopp mit seinen Ausrastern am Spielfeldrand, Jubel-Stürmen, seiner Ironie, dem engen Verhältnis zu seinen Spielern und seiner Fan-Nähe alles andere als normal ist.