Wenn Jack Grealish demnächst im Trikot von Manchester City auflaufen wird, dann will er vor allem das “aber” loswerden.
Was hat Guardiola mit Grealish vor?
Praktisch seit seinem Debüt in der Premier League mit 18 Jahren finden Fußball-Fans und -Experten auf der Insel fast immer ein solches “aber”. Grealish habe “große Qualitäten, aber”, oder Grealish sei ein “wunderbares Talent, aber”. Pep Guardiola will ihm nun dabei helfen, aus dem “aber” ein Ausrufezeichen zu machen.
Manchester City hat sich die Dienste des 25-Jährigen gesichert. Mit einer Ablösesumme von über 100 Millionen Euro ist er zum teuersten britischen Fußballer aller Zeiten geworden. Eine erstaunliche Entwicklung.
Grealish zwischen Talent und Eskapaden
Grealish hat seine komplette Karriere bei Aston Villa verbracht. Es ist eine dieser romantischen Geschichten von Spielern, die eines Tages für das Profiteam ihres Herzensklubs debütieren und mit diesem dann durch dick und dünn gehen. Grealish stieg mit Villa ab und verbrachte drei Jahre in der zweitklassigen Championship.
Bis heute hat er fast so viele Zweitligaspiele (89) wie Partien in der Premier League absolviert (96). Sein Talent war in beiden Ligen auffällig, allerdings auch sein Benehmen neben dem Platz. Immer wieder tauchten wilde Party-Videos des aufstrebenden Fußballers auf, immer wieder bekam er Rüffel von Trainern und Verantwortlichen. Er verlor wegen Trunkenheit seinen Führerschein und wurde beim Einnehmen von (immerhin legalen) Drogen gefilmt. Er schrieb Instagram-Models und Love-Island-Kandidatinnen an, was ebenfalls in der Presse landete.
Die Eskapaden und unklugen Aktionen von Grealish sind einer der Hauptgründe dafür, dass da immer ein “aber” ist. So war es auch bei dieser Europameisterschaft. Nur 172 Minuten spielte Grealish bei der EM. Nicht gerade viel für einen Mann, der Gareth Bale, der 2013 für 101 Millionen Euro von Tottenham Hotspur zu Real Madrid wechselte, als teuersten Briten ablösen wird. Immerhin: Als Joker konnte Grealish durchaus überzeugen, wie beim Sieg der Engländer im Achtelfinale gegen Deutschland.
Ein Freigeist auf dem Platz
Grealishs Wechsel löst bei den Fußball-Fans auf der Insel gemischte Gefühle aus. Die Villa-Anhänger und die Fußball-Romantiker sind enttäuscht. Ein Superstar verlässt seinen Herzensklub nach dessen bester Saison seit zehn Jahren. Und er wechselt zu einem Klub, der gerade mit 12 Punkten Vorsprung die Premier League gewonnen hat.
Trotzdem glaubt Guardiola, dass Grealish dem Starensemble von City noch ein gewisses Extra geben kann - und damit dürfte er nicht alleine sein. Grealish hat einen besonderen Spielstil. Er ist auf dem Rasen teilweise ein ähnlicher Freigeist, wie er daneben ein Rebell ist.
“Ich versuche, die Fans aus den Sitzen zu reißen. Ich versuche, so viel wie möglich anzugreifen”, beschrieb sich Grealish einmal selbst. “Der Kerl ist mutig. Er geht Risiken ein, er pokert, er verliert den Ball, er kreiert Chancen, er tritt seine Gegenspieler, sie treten ihn, er destabilisiert den Gegner. Er hat viel Power, ich mag ihn wirklich sehr”, sagte José Mourinho als damaliger Trainer der Spurs. Recht haben sie beide.
Fast immer, wenn er am Ball ist, hat er auch eine Idee. Zumeist ist es nicht die einfachste und manchmal ist es auch eine zu komplizierte, doch oftmals geht sie eben auch auf. Er kann passen, ist trickreich und verfügt über einen guten Abschluss.
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Guardiola bekommt den nächsten Rohdiamanten
Kreative Spieler und komplette Spieler liebt jeder Trainer, Guardiola aber wohl im Besonderen. Der Spanier ist ein Coach, der nicht nur Talent erkennt, sondern es auch fördern kann. Er stellt hohe Ansprüche an seine Spieler und kann ihnen wie kein zweiter sein Spielsystem verinnerlichen.
Gut möglich, dass er in Grealish Parallelen zum jüngeren Kevin De Bruyne sieht. Der heutige City-Kapitän und Superstar war im Jahr 2015 vom VfL Wolfsburg nach Manchester gewechselt - Guardiola kam ein Jahr später. Damals war De Bruyne ein hochveranlagter Spieler, dem aber noch das gewisse etwas fehlte, das er längst hat.
Grealish wirkt ebenfalls wie ein Rohdiamant, der noch geschliffen werden muss, um sein volles Potenzial entfalten zu können. Und wer könnte das besser als der ehemalige Bayern-Coach Guardiola.
Bei City kann Grealish womöglich auch die Lücke schließen, die Kun Agüero mit seinem Abgang aufgemacht hat. Der Argentinier agierte meist als Mittelstürmer, kam aber auch über die Seiten und ließ sich zurückfallen. Grealish kommt am liebsten über den linken Flügel, ist in der Offensive aber flexibel einsetzbar.
Möglich, dass Guardiola seinen Neuzugang im Zentrum sieht, um ihn zu einem Spielmacher zu formen, der er zu Teilen schon ist. Im System Guardiola könnte er verschiedene Rollen einnehmen. Seine Skandale wird er allerdings abstellen müssen. Bei seinem neuen Trainer ist kein Platz für Dummheiten und Eitelkeiten.