Der gebürtige Franke Julian Gressel spielt in der nordamerikanischen Profiliga MLS an der Seite von Weltstar Lionel Messi. Der 30-Jährige hat im Januar bei Inter Miami einen Zweijahresvertrag unterschrieben.
Messi? „Ein bisschen surreal“
Neben Messi spielen in Miami inzwischen unter anderem auch Sergio Busquets, Jordi Alba und Luis Suárez.
Im SPORT1-Interview spricht der US-amerikanische Nationalspieler über das Leben in den USA, Superstar Lionel Messi und seine eigene Rolle in der Mannschaft.
SPORT1: Herr Gressel, Sie sind im Januar nach Miami gewechselt, inwiefern sind Sie schon angekommen?
Julian Gressel: Es war natürlich eine anstrengende Vorbereitung in dem Sinne, dass wir viel gereist sind um die ganze Welt. Deswegen ist dieses Heimatgefühl noch nie wirklich so da. Aber das wird immer besser von Tag zu Tag. Meine Familie und ich fühlen uns ganz wohl im neuen Haus und haben einen neuen Kindergarten für meine Kleine gefunden. So peu à peu wird das alles.
SPORT1: Sie hatten die im US-Profi-Sport ungewöhnliche Situation, dass Sie selbst entscheiden konnten, wo es als nächstes hingeht. Im dem Moment, als klar war, es geht nach Miami zum Messi-Klub: Was geht einem da durch den Kopf, wenn man weiß, man spielt mit dem achtmaligen Weltfußballer in einer Mannschaft?
Gressel: Ja, das ist natürlich erstmal ein bisschen surreal. Man weiß gar nicht, was auf einen zukommt. Und das alles so zu realisieren, ist schwer in dem Moment. Und so ist es auch immer noch, wenn ich ehrlich bin. Es ist schwer, in Worte zu fassen, wie man sich da fühlt. Aber bis jetzt ist alles gut, also er ist ein richtig netter Typ. Mit ihm kann man ganz gut reden, auch Scherze machen. Und natürlich: Die Qualität am Platz ist wahnsinnig. Täglich im Training und auch in den Spielen ist es natürlich schon krass. Da so hautnah dabei zu sein, ist schon cool und eine riesige Erfahrung für mich.
„Schon Wahnsinn, mit Messi zu spielen“
SPORT1: Die meisten Menschen sehen Lionel Messi wenn dann von der Tribüne auf dem Platz. Wie ist eine erste Begegnung mit ihm, wenn man ein Kollege ist?
Gressel: Ganz normal. Als ich ihn das erste Mal gesehen habe, war er in der Kabine. Ich bin reingekommen und habe guten Morgen gesagt und mich vorgestellt, dass ich der Julian bin. Und er hat gesagt: Ich bin der Leo. Wenn man dann ein bisschen zusammen trainiert, dann dauert es auch nicht lange und man scherzt herum mit seinem Englisch und meinem Spanisch. Es ging dann schon ziemlich schnell, dass wir uns da ein bisschen mehr unterhalten haben. Nicht längere Konversationen, mein Spanisch ist dann doch nicht so gut. Aber doch schon so, dass dann eben alles passt. Er ist ein ganz normaler Typ, ein schüchterner Typ, der jetzt nicht viel redet. Aber es ist schon Wahnsinn - allgemein Wahnsinn, mit ihm zu spielen.
Ex-Barca-Stars „sind sehr integriert“
SPORT1: Neben Messi sind auch Sergio Busquets, Jordi Alba und Luis Suárez in Ihrem Team, alle mit einer Vergangenheit beim FC Barcelona. Gibt es in der Kabine eine Barca-Clique und alle anderen oder wie kann man sich das vorstellen?
Gressel: Nee, überhaupt nicht. Also natürlich sind sie gute Freunde. Das wissen wir alle. Deswegen ist es ganz normal, dass sie da ein bisschen mehr zusammenhängen. Sie haben so viel zusammen erreicht und die Familien verstehen sich auch gut. Deswegen ist es schon so, dass sie natürlich viel zu viert machen. Aber sie sind da sehr integriert und nehmen da die ganze Mannschaft mit, machen viele Scherze. Wir haben zusammen Barbecues gemacht. Das ist ein ganz normales Mannschaftsgefüge, wie in jeder anderen Mannschaft, in der ich Mitglied war.
SPORT1: Also ist Lionel Messi ein ganz normaler Mitspieler, wie jeder andere auch in jeder anderen Mannschaft?
Gressel: Also ein ganz normaler Mitspieler ist er jetzt nicht. Natürlich ist er ein achtmaliger Weltfußballer und, also in meinen Augen, der beste Spieler, der jemals gespielt hat. Deswegen ist es schon speziell und er hat auch einen speziellen Status, was auch ganz normal ist. Aber als Teamkollege und als Kapitän ist er richtig gut und schon ganz normal ansprechbar. Das ist echt ein netter Typ und ganz normaler Familienmensch.
Gressels Rolle bei Inter Miami
SPORT1: Wie ist Ihre Rolle in dieser Mannschaft?
Gressel: Ich denke, ich bin so ein Link zwischen den Vieren und den jüngeren Spielern. Einer, der die Liga ganz gut kennt. Ich habe jetzt hier mein achtes Jahr in der Liga, bin bis jetzt ziemlich erfolgreich. Und deswegen denke ich, dass ich da einfach Erfahrungen mitbringe, die wir vielleicht noch nicht so haben in der Mannschaft. Und deswegen hoffe ich, dass ich den jungen Spielern bei vielen Sachen helfen kann, ob das einfach Ratschläge sind, wenn die anderen Vier vielleicht nicht so diese Wortwahl und diese Nähe zu den ganzen jüngeren Spielern haben. Ich versuche, meine MLS-Erfahrung einzubringen.
SPORT1: Sie haben es schon angesprochen, dass Sie ganz erfolgreich sind. Sie sind zweimaliger US-Meister, US-Nationalspieler und spielen in einem Team mit Lionel Messi. Müssen Sie den Franken in sich ab und zu mal kneifen?
Gressel: Ja, täglich, wenn ich ehrlich bin. Das alles zu realisieren, wenn man da mal wirklich drüber nachdenkt, das ist schon krass. Das ist Wahnsinn, macht mich stolz - ich lebe da meinen Traum. Und da will ich sehr präsent sein, dass ich die Erfahrungen so mitnehme, dass ich mich daran erinnern kann in meinem nächsten Leben, nach der Karriere. Aber ich versuche trotzdem so gut wie es geht, Julian Gressel zu sein und meine Erfahrungen und meine Werte mit einzubringen in die Mannschaft und nicht einfach so ein Beiständer zu sein. Das macht Spaß und ich hoffe, es sind noch ein paar Jahre, die dazukommen.
SPORT1: Wenn in Deutschland jemand fragt, wer dieser Julian Gressel eigentlich ist - was sagen Sie dann?
Gressel: Das sollen sie selber rausfinden. Ich bin jetzt hier seit acht Jahren. Ich bin froh, dass es so geklappt hat, als ich damals ans College gegangen bin. Ich hätte nie gedacht, dass es so kommt und habe einfach immer hart gearbeitet und mir das alles erarbeitet. Da bin ich auch stolz über meine Leistungen und wie ich das alles gemacht habe hier.
Hoffnung auf die Nationalmannschaft
SPORT1: Im Sommer steht ein großes Turnier an, auch in den USA mit der Copa América. Wie sehen Ihre Ambitionen dahingehend aus?
Gressel: Ja, es ist ein Riesenturnier. Ein paar Mal war ich bei der Nationalmannschaft dabei. Aber nie, wenn der volle Kader zur Verfügung stand. Deswegen muss ich einfach schauen, dass ich hier für Miami weiter gut spiele. Da möchte ich meine guten Leistungen bringen, alles andere ist Bonus. Wenn der Anruf kommen sollte im Sommer, dann wäre es natürlich Wahnsinn, in so einem Riesenturnier dabei zu sein. Aber ich bin auch jetzt nicht traurig, wenn er nicht kommt, sondern schaue einfach, dass ich weiter gut spiele. In Miami werden wir dann einige bessere Spieler vermissen, auch Messi, der wahrscheinlich mit Argentinien in der Copa América spielt. Deswegen müssen wir auch schauen, dass wir weiter Punkte sammeln. Schauen wir mal, bis dahin ist noch ein bisschen Zeit. Ich konzentriere mich jetzt einfach auf die nächsten Spiele.