Die Nachricht schlug in der Sportwelt ein wie eine Bombe: Am 29. März gab Bastian Schweinsteiger seinen Wechsel von Manchester United zu Chicago Fire bekannt.
Schweinsteiger: United war richtig
Seitdem hat der deutsche Weltmeister den schwächelnden MLS-Klub wieder in die Erfolgsspur geführt, auch wenn er am Samstag in Toronto die erste Niederlage bei seinem neuen Klub hinnehmen musste.
SPORT1 traf Schweinsteiger in Chicago zum exklusiven Interview (ab 18 Uhr bei Bundesliga Aktuell im TV auf SPORT1), in dem er über die Gründe seines Wechsels, die Zeit in Manchester, Zlatan Ibrahimovic, die ersten Erlebnisse in den USA und seine Zukunftspläne spricht.
SPORT1: Erste und wahrscheinlich allerwichtigste Frage: Wie laufen die WM-Vorbereitungen mit Chicago Fire?
Bastian Schweinsteiger: (Lacht) "Die laufen gut. Das war ganz lustig eigentlich. Ich nehme es dem Reporter nicht übel. Im Amerika ist das ein bisschen anders, da spricht man oft von der World Series. In dem Fußball-Fall hätte er es eventuell wissen können, aber gut.
SPORT1: Was haben Sie sich im ersten Moment gedacht, als diese Frage kam? Haben Sie den Wechsel gleich bereut?
Schweinsteiger: Nein (lacht). Ich habe die Frage eigentlich verstanden, aber nicht ganz glauben können. Deswegen habe ich unseren General Manager und unseren Trainer auch gefragt, ob die Frage wirklich so war. Es war im Nachhinein auf jeden Fall lustig. Ich habe den Journalisten danach auch getroffen. Er hat sich dann entschuldigt, er ist eigentlich ein ganz netter Kerl.
SPORT1: Stars wie Pele und Beckenbauer haben schon in den USA gespielt, später Beckham, Kaka oder Pirlo. Hat das Ihre Entscheidung beeinflusst?
Schweinsteiger: Ich habe immer die MLS verfolgt. Und ich habe mich auch mit Franz Beckenbauer über Amerika und den Fußball dort unterhalten. Er hat zu mir gesagt, dass er dort die beste Zeit hatte. Das hat mich auch ein bisschen neugierig gemacht. Und es hat eben dann auch super gepasst mit Chicago Fire und der Vision, die der Verein hat, nachdem ich in Manchester nicht so oft gespielt habe und die Sehnsucht danach hatte, wieder Fußball zu spielen.
SPORT1: Wie lief denn der Entscheidungsprozess vor dem Wechsel ab?
Schweinsteiger: Natürlich war es so, dass auch andere Vereine Interesse gezeigt haben. Innerhalb von Europa, habe ich von Anfang an gesagt, möchte ich nicht wechseln, da gab es für mich nur zwei Vereine, Bayern München und Manchester United. Deswegen hat sich das mit Chicago super ergeben. Mich hat sehr beeindruckt, wie unser Trainer und auch Nelson Rodriguez mit mir gesprochen haben. Und natürlich hat mich die MLS einfach interessiert. Ich wollte den Schritt dann auch machen, um zu sehen, wie es in Amerika ist. Und bei dem was ich bisher erlebt habe, war es auf jeden Fall die richtige Entscheidung herzukommen.
SPORT1: Wie bewerten Sie im Rückblick den Wechsel von München nach Manchester?
Schweinsteiger: Das war das Richtige. Ich habe mit Bayern München immer das Ziel gehabt, die Champions League zu gewinnen. Deswegen bin ich auch immer dort geblieben und nicht ins Ausland gewechselt. Das habe ich 2013 geschafft. Wir haben damit eine Ära geprägt. Der Schritt nach Manchester war schon sehr wichtig. Louis van Gaal hat mich angerufen und wollte schnellen Erfolg haben. Natürlich lief es am Anfang sehr gut für mich. Wir waren Erster in der Liga und mit Leicester punktgleich. Dann habe ich leider eine Sperre bekommen und kurz darauf wurde ich gefoult und verletzt. Wir haben letztendlich einen Titel geholt, den FA Cup. Es ist ja nicht so, dass man den einfach so gewinnt.
SPORT1: Wie sind Sie dann mit der Ausbootung durch Jose Mourinho im letzten Sommer umgegangen?
Schweinsteiger: Natürlich war ich überrascht. Aber ich habe immer die Hoffnung gehabt, dass sich die Situation verändert und ich nochmal ein Spiel für Manchester mache. Das habe ich ja letztendlich auch geschafft.
SPORT1: Zlatan Ibrahimovic hat auch mal mit einem Wechsel in Richtung USA geliebäugelt. Würde jemand wie er der MLS gut tun?
Schweinsteiger: Auf jeden Fall, klar! Solche Spieler sind mit Sicherheit sehr wichtig, wenn sie in die MLS kommen. Es liegt aber immer am Spieler selbst. Er ist ein sehr professioneller Sportler und bringt wirklich sehr viel Qualität auf den Platz.
SPORT1: Also ist er gar nicht der Exzentriker, der immer nach außen dargestellt wird?
Schweinsteiger: Er mag das schon und macht es auch. Manchmal vielleicht auch etwas bewusst. Aber als Fußballer ist er wirklich einer der Besten, mit denen ich gespielt habe. Er hat ein sehr, sehr gutes Auge und hat mich wirklich beeindruckt.
SPORT1: Was würden Sie den Leuten antworten, die sagen: Schweinsteiger geht nur nach Amerika, um sich die Taschen voll zu machen und nochmal in einer entspannten Liga zu spielen?
Schweinsteiger: Dann wäre ich woanders hin gegangen. Eher in Richtung Osten, nicht Richtung Westen. Das Thema hat bei mir keine Rolle gespielt. Ich glaube es lief in meiner Karriere ganz gut für mich. Ich habe in der Vergangenheit immer auf das Sportliche geschaut.
SPORT1: Jetzt sind Sie aber zu einem eher schwächeren Klub in der MLS gegangen…
Schweinsteiger: Natürlich weiß ich, dass Chicago Fire nicht die beste Mannschaft dieser Liga ist. Aber die Vision, die der Verein hat und die Art, wie der Trainer Fußball spielen lässt, haben mir eben sehr gut gefallen. In den letzten zwei Jahren wurde Chicago Fire Letzter. Das ist doch auch eine kleine Chance, vielleicht die Überraschung zu schaffen und sich für die Playoffs zu qualifizieren.
SPORT1: Wie fällt Ihr erstes Fazit über die Stadt Chicago aus?
Schweinsteiger: Super! Wir fühlen uns super wohl. Die Menschen in der Stadt oder im Verein sind super nett zu uns und haben uns sehr viel geholfen in den ersten Tagen. Es fällt uns wirklich leicht, hier das neue Leben zu beginnen. Der Fußball macht mir Spaß. Natürlich sind es nicht 70.000 oder 80.000 Zuschauer hier, aber man hat eine positive Energie in den Stadien, eine positive Stimmung, das fühlt sich gut an.
SPORT1: Sie sind auch ein großer Basketball-Fan und waren oft bei den Bayern-Basketballern. Bei den Chicago Bulls spielt Paul Zipser, den Sie noch aus München kennen dürften. Wie ist da der Kontakt?
Schweinsteiger: Ich habe ein Spiel anschauen dürfen gegen Cleveland. Da haben wir den Paul auch nach dem Spiel getroffen und uns unterhalten. Mich freut's, dass es ihm gut geht, dass er seinen Spaß gefunden hat, dass er auch spielt. Wir haben Nummern getauscht und gesagt, wir werden uns mal treffen.
SPORT1: Haben Sie denn schon ein deutsches Restaurant für ein solches Treffen gefunden?
Schweinsteiger: (lacht). Ich habe mich schon mit den Leuten von Chicago Fire unterhalten, ob es hier vielleicht irgendwo gute Weißwürste oder auch Schnitzel gibt. Das kennen die nicht. Mal schauen, ob wir sowas finden.
SPORT1: Wie lange wollen Sie noch spielen und was ist der Plan danach?
Schweinsteiger: Ich bin 32, noch nicht 38 oder so. Ich will einfach Fußball spielen und mein Körper fühlt sich gut an. Es ist ja nicht so, dass ich irgendeine Verletzung oder Ähnliches habe. Ich freu mich auf jede einzelne Trainingseinheit und schaue, wie es hier läuft. Dann sehen wir weiter.
SPORT1: Was könnte danach kommen? TV-Experte, Trainer?
Schweinsteiger: Das weiß ich nicht. Ich glaube aber, man sollte sich dann eine Auszeit gönnen und sich in erster Linie um andere Dinge kümmern. Dem Sport werde ich immer irgendwie verbunden sein. Im Moment genieße ich aber die Zeit hier.