Jérôme Boateng ist womöglich nicht unglücklich, nicht mehr bei Olympique Lyon unter Vertrag zu stehen, nachdem seine Arbeitspapiere vor drei Monaten an der Rhône ausliefen. Seit vielen Monaten ist OL nämlich nur noch ein Schatten seiner selbst.
Der Absturz eines Serienmeisters
Ein Blick allein auf die Tabelle der Ligue 1 nach neun Spieltagen reicht dafür: Schlusslicht! Kein einziger Dreier steht auf Lyons Konto, nicht einmal gegen den vormaligen Letzten Clermont (1:2 am vergangenen Sonntag). Noch nie startete der siebenmalige französische Meister so schlecht in einer Spielzeit.
Der bislang letzte Sieg datiert vom 14. Juli beim Testspiel gegen De Treffers, ein niederländischer Drittligist. Kritik gibt es vor allem an Ex-Trainer Laurent Blanc, ihm wird vorgeworfen, in der Sommervorbereitung nicht vernünftig gearbeitet zu haben. Der Franzose wurde vor einem Monat durch den Italiener Fabio Grosso ersetzt.
Die Spieler wirken in diesen Tagen nach maximal einer Stunde völlig platt und die neuen Besitzer aus den USA um Boss John Textor sind ratlos.
Stimmung giftiger denn je in Lyon
Vor dem richtungsweisenden Liga-Spiel an diesem Sonntagabend bei Olympique Marseille (ab 20.45 Uhr im SPORT1-Liveticker) ist die Stimmung in der Kabine giftiger als je zuvor.
„In den vergangenen Monaten ist bei Olympique Lyon unheimlich viel passiert“, fasste Ex-Lyon-Spieler Sydney Govou, mittlerweile Experte beim Pay-TV-Sender CanalPlus, zusammen.
Dieser Wechsel an der Vereinsspitze benötigt Zeit. Nichtsdestotrotz müssen die Spieler schnell die Kurve kriegen, denn die meisten im Kader haben bisher noch nie gegen den Abstieg gespielt.
Sollte Lyon an Weihnachten immer noch unten herumdümpeln, könnte man sich spätestens zu diesem Zeitpunkt berechtigte Sorgen um die sportliche Zukunft machen.
Grosso sucht Maulwurf bei Lyon
In dieser Woche machten zudem Gerüchte die Runde, dass bei OL ein Maulwurf von Grosso gesucht wurde. Nachdem sich keiner seiner Spieler outete, strich der Italiener kurzfristig die Trainingseinheit.
Außerdem gibt es Stimmen aus dem Team, dass das Training unter dem Italiener zu hart sei. Auch die Tatsache, dass zwei Einheiten pro Tag auf dem Programm stehen, sorgt für Unmut.
Führungsspieler wie Alexandre Lacazette oder Corentin Tolisso, die vor 15 Monaten nach ihren unglücklichen Abenteuern beim FC Arsenal beziehungsweise beim FC Bayern München an die Rhône zurückkamen, enttäuschen auf der ganzen Linie.
„Sie vermitteln den Eindruck, dass sie verloren sind“, sagte Govou: „Von solchen Hochkarätern und Idolen erwartet man ja, dass sie Verantwortung übernehmen und wenn es notwendig ist, am besten gleich auf den Tisch hauen.“
Gnadenfrist für Lyon-Coach Grosso
Dass Grosso bei einer erneuten Niederlage im Stade Vélodrome gehen muss, entspricht nicht ganz der Wahrheit. OL-Boss John Textor will noch die nächste Länderspielpause abwarten.
Sollte in den drei Wochen bis dahin weiterhin kein Sieg herausspringen, dürfte es zur nächsten Entlassung kommen.