Didier Deschamps verzichtet erneut auf seinen Kapitän: Völlig überraschend fehlt Mbappé im Aufgebot der französischen Nationalmannschaft. Anders als im Oktober, als der Real-Star eine Länderspielpause selbst angeregt hatte, ist der Fall diesmal komplexer und umstrittener. Denn Mbappé war fit, bereit und entschlossen, für “Les Bleus” aufzulaufen.
Mbappé: Alles ein Irrtum?
Das “Non” kam diesmal vom Trainer, nicht vom Spieler. Auf einer Pressekonferenz sagte Deschamps, dass es so “besser so sei”, ohne konkrete Gründe zu nennen – womit er Spekulationen freien Lauf lässt.
Zwar sagte der Nationaltrainer, seine Entscheidung sei nicht von Mbappés privaten Problemen beeinflusst worden. Doch die Abstinenz des Ausnahmekickers nährt dennoch Zweifel: In Stockholm läuft ein Verfahren wegen einer Vergewaltigungsklage, das mit Mbappé in Verbindung gebracht wird. Noch wurde allerdings kein klarer Name genannt.
Niederlage offenbart Risse bei Real
Was zumindest feststeht: In Spanien schreibt Mbappé negative Schlagzeilen - wenn auch rein sportlich.
Das Champions-League-Spiel gegen den AC Mailand am Dienstag sollte für Real Madrid die Versöhnung mit den Fans im Bernabéu bringen, nachdem das Team von Carlo Ancelotti im Clásico gegen Barcelona mit 0:4 böse unter die Räder gekommen war. Doch die Realität war ernüchternd: Eine 1:3-Niederlage, die Risse in der Traumelf des stolzen Klubs offenbarte.
Mbappé, als Gesicht der neuen Real-Ära verpflichtet, wirkt verloren. Seine Statistik ist niederschmetternd: Nur ein Tor aus dem Spiel in den vergangenen sechs Einsätzen, drei seiner Saisontreffer erzielte er vom Elfmeterpunkt.
Gegen Milan agierte Mbappé symptomatisch tragisch: Viele Schüsse (acht), aber keine Präzision, nur drei gingen aufs Tor. Besonders bitter: Erneut stand Mbappé mehrfach im Abseits, eine Schwäche, die seit dem Clásico nicht unbemerkt geblieben ist.
Im Spitzenduell gegen Barcelona stand der Stürmerstar gleich achtmal im Abseits, was in den sozialen Netzwerken für Spott und Häme sorgte, wo ihn Memes in Endlosschleife im Abseits zeigen.
Mittelstürmer Mbappé – ein taktischer Irrtum?
Die Kritik wird lauter: Hat Real mit seinem Wunschspieler die Harmonie in der Aufstellung zerstört? Bei Paris Saint-Germain glänzte Mbappé in seiner Paraderolle als Linksaußen, wo er von der Seite kommend Tempo und Durchschlagskraft entwickeln konnte.
Doch bei Real Madrid ist dieser linke Flügel durch Vinícius Júnior besetzt. Der Brasilianer ist aktuell wohl nicht aus der Formation zu verdrängen. So bleibt Mbappé das ungeliebte Zentrum und das Trikot mit der Nummer neun, das er derzeit wie ein große Bürde trägt.
Der ehemalige Real-Neuner Karim Benzema äußerte unlängst Zweifel, ob Mbappé im Zentrum dauerhaft die nötige Effizienz und Führungsstärke entwickeln könne.
Auch Thierry Henry analysierte beim amerikanischen TV-Sender CBS Sports kritisch: „Kylian ist zu kreativ für die Neun und drängt zu sehr nach links. Seine Stärke liegt im Raum, aber auf der Neun wird ihm dieser Raum genommen.“
Dass zwei ehemalige Weltklasse-Neuner, noch dazu französische Landsleute, Mbappé so offen in Frage stellen, dürfte dem 25-Jährigen kaum helfen. Ist also alles ein Irrtum?
Kylian Mbappé tappt in Hansi Flicks Abseitsfalle
Ein weiteres Problem: Mbappé ist es gewohnt, auf das Umschaltspiel und freie Räume zu setzen. Doch Real agiert anders. Anders als PSG, das oft auf schnellen Konter setzte, verlässt sich Real auf Ballbesitz und kontrollierten Aufbau, was Mbappés natürliche Spielweise einschränkt.
Zudem fehlt bisher die Abstimmung zwischen ihm und Vinícius, der oft dieselben Laufwege sucht. Gegen Barca war das Desaster mit Händen zu greifen: Die Verteidiger von Hansi Flick spielten den Franzosen mit Präzision in die Abseitsfalle.
Auch in der Champions League wurden Reals taktische Wunden schonungslos offengelegt. Gegen Milan ließ sich Coach Carlo Ancelotti alle Optionen offen und nahm im zweiten Durchgang fünf Wechsel vor.
Doch das Chaos nahm zu. Real verzeichnete am Ende 23 Abschlüsse, aber nur einen Treffer. Ein Symptom einer Mannschaft, die keine Bindung zu ihrem Stürmer findet. Dabei waren taktische Anpassungen sichtbar: Mbappé sollte gelegentlich aus der Tiefe kommen und sich zentral fallen lassen, doch er blieb ineffektiv und blass.
Doch wie und wann bringt Ancelotti seinen Stürmer im weißen Ballett endlich zum Tanzen?
Von links nach rechts: Das Modell Gareth Bale
Ein Lösungsweg könnte sein, Mbappé auf dem rechten Flügel zu platzieren. Eine Zone, die auch der ehemalige Rekordzugang Gareth Bale in Madrid beackerte. Der Waliser war zuvor bei Tottenham meist über links gekommen, wich bei Real jedoch auf rechts aus, weil ein gewisser Cristiano Ronaldo links die Nase vorn hatte. Der Real-Trainer, der Bale damals auf die rechte Seite beorderte? Ancelotti selbst.
Auf der rechten Seite würde Mbappé den Raum vorfinden, den er für seine Sprints und seinen Antritt braucht, um endlich mehr Zug zum Tor zu entwickeln. Rodrygo könnte stattdessen auf die „9″ rücken. Doch ob Ancelotti auf diese Veränderungen setzt, ist fraglich, denn der Italiener bevorzugt feste Rollen und klare Strukturen.
Auch Ancelotti steht unter Druck: Die Ungeduld wächst. Nach der Länderspielpause wartet das nächste europäische Kräftemessen auf die Madrilenen und ihren italienischen Trainer. Im Dezember geht es in der Champions League gegen Liverpool. Ein Spiel, das für Madrids Saison richtungsweisend sein könnte.
Davor stehen zwei Pflichtaufgaben in La Liga an. Die Partien gegen Osasuna und Leganés mögen keine Top-Herausforderungen darstellen, doch für das fragile Vertrauen der Mannschaft sind es Schlüsselmomente.
Bleibt Mbappé blass, wächst die Unruhe automatisch. „Sein Timing und sein Verständnis für die Mitspieler müssen besser werden“, rät Henry.
„Wenn sich das Zusammenspiel bis dahin nicht verbessert“, spekulieren spanische Medien, „wird Liverpool zum Schicksalsspiel“. Die legendäre Anfield Road wäre der perfekte Ort für Mbappé, sich endlich als wahrer Madrilene zu zeigen: Egal mit welcher Rückennummer, egal auf welcher Position.