Ende August dieses Jahres sorgte Wojciech Szczesny für Aufsehen in der Fußballwelt. Der polnische Torhüter gab im Alter von 34 Jahren sein Karriereende bekannt. Via Instagram richtete sich Szczesny mit emotionalen Worten an seine Fans: „Mein Körper fühlt sich noch bereit für Herausforderungen, mein Herz nicht mehr. Ich habe alles gegeben, deshalb habe ich beschlossen, mich vom Fußball zurückzuziehen.“ Zwei Wochen zuvor wurde sein Abschied von Juventus Turin bekannt gegeben.
Ein Eklat sorgte für Karriereknick
Der 1,96-Meter-Hüne verriet in seinem Statement, sich nun „der Familie zu widmen“. Der Plan ist bereits eineinhalb Monate später Geschichte: Szczesny unterschrieb am 2. Oktober einen Vertrag bis Saisonende beim FC Barcelona. Bei dem fünfmaligen Champions-League-Sieger soll der 34-Jährige den deutschen Nationalspieler und Barca-Kapitän Marc-André ter Stegen vertreten, der sich in der La-Liga-Partie gegen den FC Villarreal die Patellasehne im rechten Knie gerissen hat und voraussichtlich die gesamte Saison ausfällt.
„Ich verstehe die schwierige Situation, die sich für sie nach der Verletzung von Marc-André ter Stegen ergeben hat, und ich denke, es wäre respektlos von mir, diese Option nicht in Betracht zu ziehen“, sagte Szczesny der Zeitung Sport.
Szczesny ändert für Barcelona seine Pläne
Für seinen schnellen Rücktritt vom Rücktritt hatte er in der Mundo Deportivo ebenfalls eine Erklärung: „Ich kann nicht ‚Nein‘ zu Barcelona sagen. Die Geschichte des Vereins und das Privileg, das ich durch das Tragen dieses Trikots empfinde, haben mich dazu gebracht, meine Entscheidung zu ändern und nichts weiter. Und ich glaube nicht, dass ich es für jemand anderen getan hätte.“
Dem Barca-Eigengewächs Inaki Pena hat die Vereinsführung den Status als Nummer eins nicht zugetraut, Barca-Trainer Hansi Flick wollte Szczesny und bekam seinen Wunschkandidaten nun auch. Auf der Pressekonferenz vor dem 3:0-Sieg bei Deportivo Alavés lobte der deutsche Trainer seinen Neuzugang: „Ich denke, er ist in einem guten Fitnesszustand. Für uns ist er mit seiner Erfahrung und Qualität eine wirklich gute Option für den Verein. Als ich das erste Mal mit ihm gesprochen habe, war ich auch sehr beeindruckt, weil er sehr normal ist und auch gesagt hat: Okay, ich werde ein Teil der Mannschaft sein. Wann immer ihr mich braucht, werde ich da sein.“
Gleichzeitig räumte Flick dem Torhüter aber weitere Zeit ein, um sich in seinem neuen Umfeld einzufinden. Schließlich besteht ein gewisses Risiko bei der Personalie, denn der polnische Torhüter ist mittlerweile 34 Jahre alt und jetzt seit mehreren Monaten ohne Spielpraxis. Szczesnys Landsmann Robert Lewandowski sieht darin keine Gefahr, für ihn sei der Keeper „ein absoluter Top-Neuzugang“. Der Stürmer lief in der polnischen Nationalmannschaft bereits 71 Mal mit Szczesny zusammen auf, die beiden kennen sich also bestens.
Szczesny: „Ich bin bereit“
Insgesamt stand Szczesny 84 Mal zwischen den Pfosten der polnischen Nationalmannschaft. Bei seiner Vorstellung in der spanischen Metropole gab er sich selbstbewusst: „Ich bin bereit. Ich werde das mit viel Energie angehen. Ich freue mich auf die Ziele in dieser Saison. Ich kann die Leidenschaft der Fans sehen.“ Dieses Selbstbewusstsein hat sich Szczesny in über 15 Jahren im Profifußball erarbeitet.
Schon als 15-Jähriger verließ er seine Heimatstadt Warschau und wagte 2006 den Sprung von Legia Warschau zum englischen Topklub FC Arsenal. Eine riesige Chance für den Teenager bei den Gunners, bei denen zu der Zeit Jens Lehmann im Tor stand. Auch sonst strotzte die Mannschaft des 13-maligen englischen Meisters nur so vor Qualität: Ashley Cole, Dennis Bergkamp, Robin van Persie und einer der größten Fußballer der Arsenal-Historie: Thierry Henry.
Unter Arsène Wenger zur Weltklasse
Ein Traum ging für den jungen Keeper in Erfüllung, gleichzeitig war es aber auch ein großer Schritt raus aus der gewohnten Umgebung. Weg von der Familie. In ein fremdes Land. Mit 15 Jahren. Der Schritt sollte sich aber bezahlt machen.
Zunächst durfte sich Szszesny in der Jugend des Premier-League-Topklubs beweisen - und wusste schnell zu überzeugen. 2009 durfte er sein Debüt für die Profis geben. Im League-Cup-Spiel gegen West Bromwich Albion zeigte er direkt seine Klasse und hielt seinen Kasten sauber. Arsenal zog mit 2:0 in die nächste Runde ein, der erste Schritt bei den Profis war für den 19-Jährigen geschafft.
Eine Leihe für sechs Monate zum damaligen englischen Drittligisten FC Brentford wirkte 2009 wie ein Dämpfer für Szczesny, sollte die Karriere des Polens aber nur weiter ankurbeln. Mit 28 Partien im Rücken kehrte der Torhüter mit breiter Brust zurück nach London.
Gunners-Coach Arsène Wenger hielt viel von dem jungen Torhüter und schenkte ihm am 17. Spieltag der Saison 2010/11 erstmals in der Premier League das Vertrauen. Arsenal unterlag Manchester United mit 0:1, Szczesny sammelte trotzdem Pluspunkte. Die Saison sollte sein endgültiger Durchbruch werden, dabei profitierte er auch von den Verletzungen seiner Konkurrenten Manuel Almunia und Lukasz Fabianski.
Bei den Gunners war Szczesny in den folgenden drei Saisons gesetzt, bis 2015 sammelte er 181 Einsätze für den Verein aus London und krönte sich zum Superpokalsieger und zweimaligen FA-Cup-Gewinner.
Eklat sorgt für Karriereknick
Dann kam es zum Knall: Szczesny, bekennender Raucher, zündete sich in der Arsenal-Kabine am Neujahrstag 2015 eine Zigarette an. Wenger wusste zwar von Szczesnys Nikotinkonsum und duldete ihn - eine Kippe in der Kabine war allerdings ein Tabu. Daher griff er knallhart durch. Seinen Status als Nummer eins büßte Szczesny damit ein. Lediglich im FA Cup durfte er noch ran, dort feierte Szczesny in dem Jahr den Titelgewinn.
Sein Laster war auch zuletzt in Spanien ein Thema. „Wenn ich rauche, geht es niemanden etwas an. Es hat keinen Einfluss und auf dem Fußballplatz arbeite ich doppelt so hart“, wehrte er sich in der Mundo Deportivo. „Ich möchte als Torhüter beurteilt werden und nicht dafür, dass ich nach Geschichten suche, die niemanden wirklich interessieren.“
Doch bei Arsenal damals hatte der Zwischenfall weitreichende Folgen: Szczesny sollte sich nach einem neuen Verein umschauen. Der mittlerweile 25-Jährige zog weiter nach Italien, dort setzt er seine Karriere auf Leihbasis beim ambitionierten Vizemeister AS Rom fort, der im Jahr davor abgeschlagen hinter Meister Juventus Turin gelandet war.
Doch auch der polnische Nationalkeeper kann der Roma nicht zur Meisterschaft verhelfen, der Riese aus Turin ist zu übermächtig. Nach dem Ende seiner Leihe liegt seine Zukunft weiter in Italien.
Szczesny feiert große Erfolge mit Juve
Szczesny kehrte aber nicht zur Roma zurück, sondern schloss sich dem ärgsten Konkurrenten der vergangen Jahre an: Juventus Turin sicherte sich seine Dienste für über 18 Millionen Euro. Es sollte die erfolgreichste Phase in der Karriere Szczesnys werden. Mit der alten Dame prägte er eine Ära in Italien, direkt in seiner Debütsaison gewann der Torwart den Pokal und wurde Meister.
In den folgenden Jahren wuchs seine Titelsammlung rapide an: Zwei Meistertitel sowie zwei Pokalsiege und drei Erfolge im Superpokal bescherten seinem Trophäenschrank Zuwachs. In der Saison 2019/20 wurde er zum Torhüter der Saison ernannt. In seinen sieben Saisons in Turin absolvierte er 252 Einsätze für Juventus und durfte dabei auch 37 Mal in der Königsklasse auflaufen.
Das letzte Puzzleteil: Der Traum von der CL-Trophäe
Wettbewerbsübergreifend sammelte Szczesny 548 Pflichtspiel-Einsätze. Dabei konnte er 210 Mal die Null halten. Auch in der Nationalmannschaft war er in 84 Länderspielen ein sicherer Rückhalt. Mit seinen starken Leistungen bei der WM in Katar krönte sich Szczesny 2022 zum polnischen Fußballer des Jahres, eine enorme Ehre für den Torhüter.
Auch sein Landsmann und Barca-Stürmer Lewandowski schwärmte von dem erfahrenen Keeper: „Er weiß ganz genau, wie man dafür sorgt, dass sich andere wohlfühlen, und er ist großartig darin, die jüngeren Spieler zu unterstützen.“ Mit seiner Erfahrung und seinem top Charakter sei Szczesny „ein Riesen-Gewinn für dieses Team“.
Ein Puzzleteil fehlt in seiner Karriere allerdings noch. Trotz 68 Einsätzen in der Champions League erreichte Szczesny nie das Endspiel der Königsklasse. Unter Flick soll dieser Traum nun erfüllt werden. „Ich möchte Trophäen gewinnen, die ich noch nie zuvor gewonnen habe. Es gibt zwei oder drei, an denen man teilnehmen kann, wie zum Beispiel den Pokal, die La Liga und die Champions League. Ich will mindestens zwei von ihnen“, sagte Szczesny.
In der La-Liga-Partie gegen Deportivo Alavés vor der Länderspielpause war Szczesny noch keine Option. „Ich bin mir sicher, dass er nach der Pause eine Option für uns sein wird“, sagte Flick. Laut RAC 1 soll er in der Länderspielpause seine Fitnessdefizite aufgearbeitet haben, sodass er am Sonntag gegen den FC Sevilla (21 Uhr im LIVETICKER) in der Startelf stehen soll. Und vielleicht erfüllt sich Szczesny in dieser Saison ja noch den einen oder anderen Traum.