Man muss die Feste feiern, wie sie fallen. Demnach kommt Startrainer Carlo Ancelotti aus dem Feiern kaum noch heraus.
Ein Makel wird ihm immer anhaften
Am 1. Juni gewann Ancelotti mit Real Madrid die Champions League. Kurz nach dem 2:0 gegen Borussia Dortmund gab Ancelotti beim Siegestanz auf dem Rasen des Londoner Wembley-Stadions den Takt an, tags darauf gönnte sich der Genussmensch Ancelotti bei der Parade durch Madrid eine dicke Zigarre. Nun feiert der Sohn eines Käse-und Milchbauern aus der italienischen Provinz Regio Emilia erneut: Am 10. Juni zelebriert der ehemalige Coach des FC Bayern seinen 65. Geburtstag.
Bei Real hat der Italiener ein Umfeld gefunden, in dem es passt. Dreimal führte er die „Königlichen“ zum Königsklassen-Triumph, zweimal zur Klub-WM und zum Super Cup. Hinzu kommen bei Real noch weitere Titel, darunter zwei Meisterschaften und damit eine mehr, als Ancelotti bei seiner Station in München beim FC Bayern holte.
Ancelotti: "Einzige bittere Erfahrung"
Mit Begeisterung wird Ancelotti an seinem 65. Geburtstag nicht an seine 15 Monate in München von Juli 2016 bis September 2017 zurückdenken.
Als „einzige bittere Erfahrung“ seiner langen und erfolgreichen Trainerkarriere mit mittlerweile fünf Titelgewinnen in der Champions League hat er seine Zeit beim FC Bayern einst bezeichnet. Überhaupt fielen immer, wenn er darauf angesprochen wurde, Sätze, die davon erzählten, wie unverstanden und wenig wertgeschätzt er sich in München fühlte.
Im Oktober 2017, kurz nach seiner Beurlaubung vom FC Bayern nach der 0:3-Niederlage in der Champions League bei Paris Saint-Germain, sagte Ancelotti mit einer kaum kaschierten Kritik an der Münchner Mannschaft und am Führungsduo Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge zum Beispiel: "In 22 Jahren hatte ich nie schlechte Beziehungen zu meinen Spielern. Ich treffe meine Entscheidungen. Es ist nur so, dass es Scharfsinn benötigt, um meine Entscheidungen zu verstehen."
Fehlende Unterstützung
Als er nach seiner Station in München mit seinem neuen Verein SSC Neapel im Oktober 2018 in der Champions League wieder bei PSG antrat, zog er einen wenig schmeichelhaften Vergleich zum FC Bayern, der seiner Ansicht nach nicht den Willen gehabt habe, die Strukturen zu ändern und den Generationenwechsel voranzutreiben. „Vor einem Jahr spürte ich hier in Paris das Vertrauen von lediglich vier oder fünf Bayern-Spielern. Jetzt spüre ich die Unterstützung des ganzen Klubs“, sagte Ancelotti damals.
Wie so oft in seiner Trainerkarriere, in der er sich den Ruf als Spielerfreund erworben hat. Von Cristiano Ronaldo über Toni Kroos bis hin zu Zlatan Ibrahimovic - die Stars schwärmten stets von Ancelottis Umgänglichkeit. Bestärkend wirkten dessen Erfolge, vor allem beim AC Mailand, FC Chelsea und bei Real Madrid. Mit den Königlichen gewann er 2014 die lang ersehnte „Décima“, deren zehnten Titel in der Champions League. Auch Titel Nummer 14 und 15 holte Ancelotti mit Real.
Beim FC Bayern reichte es zum Meistertitel 2017. Die Unterstützung der Kabine und des Vereins verlor er final bald danach wegen seiner eigentümlichen Aufstellung in Paris, mit der er unter anderem die langjährigen Führungsspielern Franck Ribéry, Arjen Robben und Mats Hummels vor den Kopf stieß. Dieses Trio auf die Bank zu setzen, wirkte damals wie ein gezielter Affront.
Für die Bayern zu entspannt
Als eines der letzten Bilder aus Ancelottis Münchner Zeit blieb in Erinnerung, wie er mit Fitnesstrainer Giovanni Mauri rauchte. Für den FC Bayern war auch das zu viel des Laissez-faire und der Dolce Vita. Ancelotti stand und steht für beides. In München scheiterte er auch daran. Als der italienische Bauernsohn aus Reggiolo in der Po-Ebene im Sommer 2018 das Traineramt beim SSC übernommen hatte, fühlte er sich beruflich wieder wohl.
„Man lebt hier wie ein Gott“, teilte Ancelotti während seiner Zeit mit. Zumal er dort auf die Vorzüge des süßen Lebens schon beim Aufstehen blickte. „Du wachst morgens auf und hast sofort diese Landschaft mit dem Golf von Neapel, Capri und dem Vesuv vor Augen“, schwärmte Ancelotti einmal und bezeichnete die Menschen als fröhlich, offenherzig, leidenschaftlich und zugleich respektvoll.
Auch das klang wie ein Kontrast zu seinen Eindrücken aus seiner Münchner Zeit.