Antonio Rüdiger trug den Matchwinner auf seinen Schultern. Und Luka Modric genoss den Moment. Schließlich hat der Mittelfeldstar von Real Madrid solche Augenblicke zuletzt immer seltener erlebt. Mit seinem zweiten Saisontor führte der Kroate die Königlichen in La Liga zu einem späten 1:0-Sieg gegen den FC Sevilla und zeigte ganz nebenbei, dass sein Stern trotz des fortschreitenden Alters noch längst nicht verglüht ist.
„Er wird nie seinen Glanz verlieren“
Die „Magie von Modric“ verzauberte auch die spanische Presse. „Er spielt in dieser Saison nicht viel, aber er wird nie seine Klasse und seinen Glanz verlieren“, schrieb die Marca und hob den Wert des 38-Jährigen hervor: „Ein bisschen Modric kann viel bewirken.“ Auch für die AS ist „Modrics Feuer noch nicht erloschen“.
Der Treffer in der 81. Minute war Ausdruck seines ganzen Könnens. Eine zu kurze Kopfballabwehr von Sevillas Loic Badé nahm der erst sechs Minuten zuvor eingewechselte Modric in Weltklassemanier aus der Luft und schlenzte den Ball dann fast aus dem Stand mit dem rechten Fuß unhaltbar ins rechte Eck.
Modric kopiert elf Jahre altes Traumtor
Der leichte Kontakt des Pfostens und die Flugbahn des Balles erinnerten an ein Modric-Tor vor elf Jahren, als er in der Champions League im Old Trafford gegen Manchester United die Wende einläutete und das drohende Achtelfinal-Aus abwendete.
„Wir trainieren das jeden Tag“, sagte Modric nach der Partie ganz bescheiden über seinen Geniestreich.
Sein Trainer Carlo Ancelotti geriet hingegen regelrecht ins Schwärmen und sprach von einem „großartigen Tor“ und einem „Traumtor“. „Wir haben Luka in der Kabine hochleben lassen, denn das hat er sich heute verdient“, berichtete Ancelotti.
Für den Italiener war der ebenso sehenswerte wie wichtige Siegtreffer zugleich ein Sinnbild für die Zwickmühle, in die ihn Modric immer wieder bringt. „Er zeigt, dass es sehr schwer ist, ihn auf der Bank sitzen zu lassen“, sagte Ancelotti und bezeichnete den Routinier als Vorbild in Bezug auf seinen Einsatz im Training.
Ancelotti schwärmt - und macht Modric noch älter
„Jeder denkt, dass es das Ende seiner Karriere ist, aber er denkt nicht so. Denn er zeigt, dass er fit ist und dass es ihm gut geht“, betonte Ancelotti - und machte den Edeltechniker sogar älter als er ist: „Er sieht nicht aus wie ein Spieler, der 39 Jahre alt ist. Und das ist eine objektive Tatsache.“ Tatsächlich wird Modric erst am 9. September 39.
Gegen den Zahn der Zeit kämpft der Ballon-d‘Or-Gewinner von 2018 schon länger an. Modric arbeitet seit Jahren mit dem kroatischen Personal Coach und Kinesiologen Vlatko Vucetic zusammen. „Luka macht die ersten Übungen vor dem Aufstehen“, sagte Vucetic vor knapp eineinhalb Jahren in einem Interview mit dem Kurier.
Schon damals sah er Modric noch weit entfernt von einem möglichen Karriereende. „Mit 40 zu einer Weltmeisterschaft ist zumindest möglich“, sagte Vucetic.
Ob Modric so lange weiterspielt, ist aber aktuell nicht die wichtigste Frage. Sondern vielmehr: Wo?
Modric entscheidet selbst
„Es liegt in der Hand von Luka, was er machen will“, sagte Ancelotti nun. „Wir müssen seine Entscheidung abwarten.“
Der Coach zog Vergleiche zu Toni Kroos und Nacho, deren Verträge ebenfalls am Saisonende auslaufen. „Aber ich spreche das Thema nicht an. Der Klub wird in den kommenden Monaten Zeit haben, diese Frage zu klären.“
Wegen Modrics Reservistenrolle kamen zuletzt vermehrt Spekulationen über das Ende seiner zwölfjährigen Ära bei den Königlichen auf. Schon im vergangenen Jahr soll Al-Hilal den Mittelfeldstrategen mit einem Gehalt von 200 Millionen Euro für drei Jahre nach Saudi-Arabien gelockt haben. Modric entschied sich damals für einen Verbleib in Madrid.
Zuletzt gab es auch Gerüchte über Angebote aus den USA oder eine mögliche Rückkehr in seine Heimat zu seinem Ex-Klub Dinamo Zagreb.
„Ich respektiere ihn sehr, daher kann ich ihm keinen Ratschlag geben“, meinte Ancelotti. „Er wird genau wissen, was er tun muss.“
Letztlich gehe es darum, ob Modric seine Rolle als Edelreservist annimmt. Denn im Mittelfeld hat die nächste Generation um Eduardo Camavinga, Federico Valverde und Aurélien Tchouaméni mittlerweile mehr und mehr das Zepter übernommen. Und da aktuell der formstarke Toni Kroos als ordnende Hand unter Ancelotti gesetzt ist, bleibt für Modric vorwiegend nur die Bank.
Gemessen an seinen Einsatzzeiten liegt Modric mit nur 1476 Minuten klubintern nur auf Platz 15. „Die Qualität der Minuten ist wichtiger als die Anzahl“, erklärte Ancelotti. Und wenn Modric seine Kurzeinsätze weiter so veredelt wie am Sonntag, könnte er auch in Zukunft noch wertvoll für Real Madrid sein.