Es schien fast so, als ob ein Spielmanipulationsskandal aus dem Jahr 2013/14 den spanischen Klub CA Osasuna zehn Jahre später die Teilnahme an der Conference League kosten würde. Doch nach Einspruch des Teams steht nun fest: Osasuna wird sich in der kommenden Saison auf der europäischen Bühne präsentieren dürfen.
Der Verein, der niemals aufgibt
Der Weg dahin war allerdings ein langer für einen einzigartigen Verein. Einer mit Spielern, die fest in der Region verankert sind und es den passionierten Fans des Klubs wieder ermöglicht, sich mit dem Team zu identifizieren.
Ein Rückblick: Gegen Ende der Saison 2013/14 steckte Osasuna mitten im Abstiegskampf von La Liga. Da fiel der Führung des Vereins auf, dass die Konten auf einmal um 2,4 Millionen Euro leichter waren. Das lag unter anderem an eigenen Funktionären, die zwei Spielern des bereits feststehenden Absteigers Real Betis Geld dafür angeboten hatten, dass diese sich gegen Kellerkind Real Valladolid extra anstrengen und anschließend gegen Osasuna einen Gang herunterschalten sollten.
Betis gewann tatsächlich auch gegen Valladolid und verlor gegen Osasuna, letztendlich traten aber alle drei Teams den Gang in die Zweitklassigkeit an.
Ein einzigartiger Vereinsname
All das 80 Jahre, nachdem der Club Atlético Osasuna zum ersten Mal im spanischen Oberhaus aufgelaufen war. Auf die Geschichte des Vereins, der 1920 in Pamplona, Hauptstadt der autonomen Region Navarra im Norden Spaniens, gegründet wurde, können die Anhänger ansonsten auch stolz sein. Alleine der Vereinsname ist unverwechselbar. Osasuna: Das baskische Wort für „Gesundheit“.
Die Gründungsväter legten fest, der Klub solle unpolitisch sein, um alle Einwohner Navarras zu vereinen. Heute folgt der Verein als einer der wenigen noch dem demokratischen Prinzip. Denn neben Real Madrid, dem FC Barcelona und dem Athletic Club aus Bilbao ist der CA Osasuna einer von vier von Mitgliedern geführten Vereinen in Spanien. Und die Anhängerschaft Osasunas wächst immer weiter.
Zwischen TikTok und Stierläufen
Laut La-Liga-Angaben kommen über 60 Prozent der Abonnenten der Social-Media-Kanäle Osasunas aus dem Ausland. Diese halfen in der Hinrunde, den Fangesang „Osasuna nunca se rinde“ - zu Deutsch: „Osasuna gibt niemals auf“ viral gehen zu lassen. Auf TikTok unterhält der Verein mittlerweile fast vier Millionen Follower.
Nach außen schmückt sich Pamplona mit seinen rund 200.000 Einwohnern einmal im Jahr mit dem Sanfermines-Fest, das traditionell vom 7. bis 14. Juli stattfindet. Dabei werden eine Woche lang zahlreiche Stiere 825 Meter durch die Altstadt Pamplonas bis zur Stierkampfarena getrieben. Die Stierläufe sorgen auch im öffentlichen Fernsehen für Rekordeinschaltquoten.
So richtig in Feststimmung dürften in diesem Jahr aber nicht alle Einwohner gekommen sein. Zum denkbar ungünstigen Zeitpunkt, nur wenige Tage vor dem Fest, wurde der - mittlerweile nichtige - Ausschluss Osasunas aus dem internationalen Geschäft verkündet.
Turbulente Zeiten nach dem Abstieg
Noch schlechter war die Atmosphäre in der Stadt aber gewiss beim Abstieg 2014. Die darauffolgende Zweitliga-Saison wurde ebenfalls zum blanken Horror für die Nordspanier; nur ein Punkt trennte sie vom ersten Abstiegsplatz. Ein Tor in der Nachspielzeit verhinderte den Abstieg in die dritte Liga und damit „das Verschwinden des Klubs“, wie Ángel Alcade, Leiter der Nachwuchsabteilung, die unter anderem Javi Martinez und César Azpilicueta herausbrachte, feststellte.
In der anschließenden Spielzeit richtete sich der Blick wieder nach oben und Osasuna stieg erneut in die erste Liga auf. Allerdings blieben Los Rojillos dort nur eine Saison, ehe es erneut runterging. 2019 stieg Osasuna dann wieder auf und hatte seitdem nichts mehr mit dem Tabellenkeller zu tun. Nach dem Aufstieg lockte der Klub zudem Neuzugänge mit einer eher unorthodoxen Methode.
Chimy „geboren, um für Osasuna zu spielen“
„Unsere Fans sind unser größtes Kapital. Wir haben nicht viel Geld oder das Talent anderer Teams, aber wir haben unsere Fans“, erklärte Sportdirektor Braulio Vázquez und ließ potenziellen Neuzugängen einfach Videomaterial der stolzen Osasuna-Anhänger zukommen.
Neben Pervis Estupiñán folgte auch ein gewisser Chimy Ávila den Lockrufen aus Pamplona. Gemäß Vázquez sei Chimy „geboren, um für Osasuna zu spielen.“
Denn während der CA Osasuna sich auf dem Platz über leidenschaftliches Auftreten und Kampfgeist definiert, glich auch Chimys Weg in Spaniens oberste Spielklasse dem eines Kampfes. Der Argentinier wuchs in Empalme, einer ärmlichen Gegend in Rosario, mit acht Geschwistern auf und schoss laut eigener Aussage nachts Elfmeter, auf die von bewaffneten Zuschauern gewettet wurde, um Geld für die Familie einzutreiben.
In Chimys Heimatviertel war es „leichter, eine Pistole statt einen Ball zu finden“, verriet er The Guardian. Bereits mit zehn Jahren zierte das erste Tattoo seinen Körper, im Laufe der Jahre kamen einige weitere hinzu. Auf seiner Brust steht der Name seiner Frau Maria, die er bereits als Jugendlicher heiratete. Sie und der Fußball holten Chimy aus den ärmlichen Verhältnissen. Seine Reise führte über den argentinischen Klub San Lorenzo und den spanischen Zweitligisten Huesca schließlich nach Pamplona.
Rekordjubel und Krankenhausfahrt
Der Ort, an dem die Fußballer und ihre Fans eine Einheit bilden. Im heimischen Estadio El Sadar, benannt nach dem anliegenden Fluss, wurde 2009 bei einem Siegtreffer über Real Madrid ein Jubel mit 115,17 Dezibel gemessen. Dieser Wert liegt in etwa zwischen der Lautstärke eines Rockkonzertes und der eines Düsenjets, der in 100 Metern Entfernung startet. Mit diesem Wert hält Osasuna bis heute den Rekord in einem spanischen Stadion.
Aber auch abseits des Platzes passt es im Norden Spaniens zwischen Spielern und Fans. Als Beispiel dient die Anekdote aus der vergangenen Saison, in der Stürmer Ante Budimir von einer 78-Jährigen Frau auf der Straße erkannt wurde. Sie wartete auf ein Taxi, dass sie zu einer Untersuchung ins Krankenhaus bringen sollte, doch es kam keins. Also fragte sie kurzerhand Budimir, ob er sie dorthin bringen könne.
Der ehemalige Stürmer des FC St. Pauli stimmte zu und knipste noch ein Selfie mit ihr, prahlte aber in der Öffentlichkeit nicht mit dieser Geste. Erst Wochen später kam die Geschichte durch die Tochter der Frau an die Öffentlichkeit.
Osasuna teilt gegen UEFA aus
In derselben Spielzeit stand Budimir noch in der Startelf des Finales der Copa del Rey gegen Real Madrid, das die Madrilenen aber für sich entschieden. Doch Osasunas größter Triumph der Saison ist nun der feststehende Einzug in das internationale Geschäft, das das Team von Trainer Jagoba Arrasate mit Platz sieben erreichte.
Auch weil die Vereinsführung dem Credo, niemals aufzugeben, folgte. Sie verpasste einem offiziellen Statement der UEFA auch noch den Slogan „Stark bei den Schwachen und schwach bei den Starken“ - ein eindeutiger Seitenhieb an UEFA-Boss Aleksander Ceferin.
Fast schon selbstredend wurden bereits Fan-Banner in Pamplona damit bestickt. Möglich, dass die Fans von Eintracht Frankfurt diese bald zu sehen bekommen. Die beiden Teams könnten in der Conference League aufeinandertreffen.
Zuletzt war Osasuna in der Spielzeit 2006/07 international vertreten. Damals scheiterte das Team in der Champions-League-Qualifikation am Hamburger SV, erreichte anschließend aber das Halbfinale des UEFA-Cups. Dort war schließlich gegen den späteren Titelträger FC Sevilla Endstation.
Ein ähnlicher Lauf ist dem Club Atlético Osasuna auch in der kommenden Spielzeit zuzutrauen. Denn dieser Verein hat bereits gezeigt, dass er anscheinend jegliche Art von Widerständen überwinden kann.