Der Fußballolymp öffnet seine Pforten: Karim Benzema hat den Ballon d‘Or 2022 gewonnen und darf bei dieser Aufzählung nun in einem Atemzug mit Lionel Messi, Cristiano Ronaldo, Johan Cruyff und Franz Beckenbauer genannt werden.
Die Krönung des Skandal-Königs
Vergangene Saison wuchs der französische Nationalspieler über sich hinaus, 44 Tore und 15 Vorlagen - und das in 46 Partien. Hinzu kommen zahlreiche Titel: Meister in Spanien (+ Torschützenkönig), Champions-League-Sieger (+ Torschützenkönig) und die Trophäe im Supercup (+ Spieler des Spiels). (DATEN: Die Tabelle von La Liga)
Benzema ist der perfekte Stürmer. Sucht man ihn auf dem Platz, ist er meist dort, wo sonst niemand steht. Der 34-Jährige tut das, um seinen Mitspielern Freiräume zu kreieren. Trotzdem ist er eine Tormaschine. Mit 86 Treffern in der Champions League ist er der viertbeste Torschütze in der Geschichte der Champions League!
Dennoch - zu Ronaldos Zeiten wirkte kaum jemand so einsam im Kader der Madrilenen wie Benzema. Immer stand er im Schatten. Der Stürmer gilt nicht als typischer Glamour Boy, sondern als französisches Problemkind. (NEWS: Alle aktuellen Infos zu La Liga)
Denn Benzema ist anders als die anderen.
Karim Benzema: Aufgewachsen in Armut
Doch der Reihe nach: Geboren im Jahr 1987 in Lyon als Sohn eines Algeriers und aufgewachsen im Elendsviertel Bron, einem Vorort von Lyon, schloss er sich bereits in der Jugend Olympique an. Sein Vater schickte ihn aus Angst vor einer drohenden kriminellen Karriere auf das Internat des französischen Erstligisten.
Benzema biss sich durch und gab im Jahr 2005 schließlich sein Debüt für die Profis. Zwei Jahre später feierte er seinen ersten Einsatz in der Nationalmannschaft.
Zusammen mit Hatem Ben Arfa und Samir Nasri gehörte der Mittelstürmer zur Generation 87, die als würdige Nachfolger der Weltmeistermannschaft um Zinédine Zidane galt.
Als er im Jahr 2008 zum ersten Mal in die Nationalmannschaft berufen werden sollte, sorgte er allerdings direkt für großes Raunen - im negativen Sinne. Gegenüber Journalisten ließ der heutige Real-Star den Satz „Frankreich ist für Sport, meine Heimat ist Algerien“, fallen.
Benzema wurde direkt als Söldner bezichtigt - es ist das erste Kapitel einer skandalträchtigen Karriere.
Anklage wegen Sex mit minderjährigen Prostituierten
Ein Jahr später machte die „Lolita Affäre“ in den französischen Medien die Runde.
Die Prostituierte Zahia Dehar war noch minderjährig, als Benzemas Nationalmannschaftskollege und Bayern-Legende Franck Ribéry Sex mit ihr hatte. Auch Benzema wurde deshalb angeklagt, stritt den Sex mit Dehar anders als Ribéry jedoch vehement ab.
Die Staatsanwaltschaft sah es auch als „zumindest zweifelhaft“ an, dass die junge Frau wirklich Sex mit Benzema gehabt habe, wie sie ausgesagt hatte.
Am Ende wurden beide freigesprochen, da es unmöglich nachzuweisen sei, ob Ribery das Alter der Prostituierten gekannt hatte.
Ihr Ansehen, besonders in der französischen Heimat, war dennoch nachhaltig beschädigt worden - und einige forderten gar ihren Rauswurf aus der Nationalmannschaft.
Frankreich erlebt in Südafrika ein Debakel
Der nächste Eklat ließ nicht lange auf sich warten. Bei der WM 2010 in Südafrika sorgte die Équipe Tricolore für einen Skandal, der die Fußball-Nation erschütterte.
Was war passiert?
Nach dem peinlichen Vorrunden-Aus bei der EM 2008 sollte das Turnier als eine Art Wiedergutmachung an das französische Volk angegangen werden. Schließlich reiste man als Vize-Weltmeister an die Südspitze des afrikanischen Kontinents.
Das Turnier endete im absoluten Desaster, Frankreich schied bereits in der Vorrunde als Letzter in einer Gruppe mit Uruguay, Mexiko und dem Gastgeberland Südafrika aus!
Der eigentliche Skandal ereignete sich allerdings abseits des Platzes. In der Halbzeitpause während des Spiels gegen Mexiko beschimpfte Stürmer Nicolas Anelka Trainer Raymond Domenech auf das Übelste.
Der Vorfall geriet aufgrund eines Maulwurfs im Team einen Tag später an die Öffentlichkeit und Anelka wurde vom französischen Fußballverband von der WM ausgeschlossen.
WM 2010: Benzema und Co. rufen zum Boykott auf
Benzema und Co. waren mit dieser Entscheidung allerdings nicht einverstanden und verweigerten das öffentliche Training.
Zudem kommt es zwischen Kapitän Patrice Evra und Fitnesstrainer Robert Duverne auf dem Trainingsplatz fast zu Handgreiflichkeiten.
Die beiden Streithähne können mit Müh und Not voneinander getrennt werden. Der Rest der Mannschaft verlässt geschlossen den Platz, Trainer Domenech bleibt fassungslos zurück.
Er war es dann auch, der eine Erklärung der Mannschaft noch auf dem Trainingsgelände vorlas. Team-Manager Jean-Louis Valentin tritt daraufhin sofort zurück. Selbst Staatspräsident Sarkozy äußerte sich, Anelkas Entgleisung sei „inakzeptabel“.
Benzema, dessen Ansehen in Frankreich zuvor bereits gelitten hatte, wurde vom französischen Volk mit als Sündenbock ausgemacht.
Benzema und die Sextape-Affäre
Dennoch blieb er zunächst weiterhin ein Teil der Nationalmannschaft, allerdings nahm auch dieses Kapitel (vorerst) ein jähes Ende.
Im Jahr 2015 ereignete sich der nächste Mega-Skandal rund um die Les Bleus. Im Mittelpunkt: Karim Benzema und Mathieu Valbuena.
Benzema soll Valbuena dazu gedrängt haben, Erpresser zu bezahlen, die mit der Veröffentlichung eines intimen Videos drohten. Valbuena reagierte fassungslos, „zuerst habe ich es nicht geglaubt, ich dachte sie bluffen“, beschrieb der 38-Jährige die Vorgänge.
Der Fall landete vor Gericht. Fast sieben Jahre zog sich der Rechtsstreit hin. Im November 2021 wurde Benzema dann wegen Beihilfe zur versuchten Erpressung zu einem Jahr Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe von 75.000 Euro verurteilt.
Der 34-Jährige hatte den Prozess zuvor als „Farce“ beschrieben. Er gab an, dass ein Polizeibeamter unredliche Methoden angewandt habe, um ihn in den Vorfall hineinzuziehen. Sein Anwalt sprach damals von „Schikane“.
Sowohl Benzema als auch Valbuena wurden aufgrund der Sextape-Affäre aus der Nationalmannschaft aussortiert.
Eine Karriere zwischen Titel und Skandalen
Nach fünfeinhalb Jahren wurde Benzema 2021 aber wieder zurückgeholt. Zu gut waren seine Leistungen bei Real, zu schmerzhaft sein Fehlen in der Offensive Frankreichs.
Abgesehen von den Nachwehen des Rechtsstreits war es in den vergangenen Jahren zudem auch abseits des Platzes etwas ruhiger um Benzema geworden und er überzeugte vor allem sportlich.
Und rein sportlich betrachtet, konnte bei der Wahl in diesem Jahr kein Weg an Benzema führen.
Bleibt zu hoffen, dass er in Zukunft auch abseits des Platzes nur noch positive Schlagzeilen schreibt.