Es war ein herzzerreißendes Motiv, das Fotografen am vergangenen Donnerstag im San Mamés von Bilbao knipsten.
Fatis Verletzungs-Albtraum
Ansu Fati lag in den Armen seines Trainers Xavi. Das Wunderkind des FC Barcelona, als welches es vor gut zwei Jahren bekannt wurde, musste schon wieder verletzt ausgewechselt werden. Sein Klub war in Sorge und diese verwandelte sich wenig später in traurige Gewissheit: Fati zog sich eine proximale Sehnenverletzung in der Kniesehne zu. Er muss lange aussetzen - schon wieder.
Seit dem großen Durchbruch im Spätsommer 2019 hat der 19-Jährige eine Verletzungshistorie erlebt, welche es wohl mit derer der Barca-Ikone Lionel Messi in dessen ganzer Karriere aufnehmen kann. Fatis Status als legitimer Messi-Nachfolger ist ins Wanken geraten.
Fati: Barca-Debüt mit 16 Jahren
Bereits mit zehn Jahren war das große Talent in Barcelona angekommen. Seine Familie war schon einige Jahre zuvor von Guinea-Bissau, in dem westafrikanischen Land ist Fati auch geboren, nach Andalusien in der Nähe von Sevilla ausgewandert. Beim FC Sevilla wurde dann schnell klar, dass der kleine Junge einer für einen der beiden Fußball-Großmächte Spaniens war: Entweder einer für den FC Barcelona, oder einer für Real Madrid.
Beide Klubs unterbreiteten der Familie ein Angebot. „Wir waren in Sevilla und Real Madrid bot mir sogar noch bessere Konditionen für meinen Sohn als Barca“, sagte Bori Fati. Doch trotzdem entschied er sich mit seinem Sohn für Barca, wegen des attraktiver wirkenden Gesamtpaketes.
Der Junge aus Guinea-Bissau überzeugte in der prestigeträchtigen La Masia, der Jugendakademie der Katalanen. Mit 16 Jahren und 298 Tagen feierte er dann sein Profi-Debüt für die Blaugrana. „Ich habe ihn für Barca debütieren gesehen, jetzt kann ich in Ruhe sterben“, sagte Bori Fati nach der Partie im August 2019, bei der ihm die Tränen kamen.
Sein Filius selbst blieb nach dem Spiel noch lange auf dem Rasen des Camp Nou stehen. „Weil ich es nicht glauben konnte“, wie er später verriet. Und auch Messi meldete sich auf Instagram zu Wort: „Ich bin sehr froh darüber, dass die Jungs aus unserem Haus sich ihren Traum erfüllen, im Camp Nou zu spielen.“
„Ich werde niemals aufgeben“
Nur sechs Tage nach seinem Debüt erzielte Fati sein erstes Tor für Barca in La Liga. Im dritten Spiel folgte sein zweites und sein erster Assist. Im Dezember 2019 folgte sein erster Treffer in der Champions League, das Siegtor bei Inter Mailand kurz vor dem Abpfiff. Damit war Fati der jüngste Torschütze in der Liga und auch der jüngste in der Königsklasse. Bei einem Klub, der schon unzählige Talente aus La Masia in den Profifußball begleitete. Fati wurde im Sommer 2020 dann auch zum Nationalspieler Spaniens und erzielte im zweiten Länderspiel seinen ersten Treffer.
Fati hatte nicht nur Katalonien, sondern die ganze Fußball-Welt im Sturm erobert.
Im November 2020 folgte dann die erste schwere Verletzung einer verheißungsvollen Karriere. Ein Meniskuseinriss zeigte sich als enorm hartnäckig, fast ein ganzes Jahr pausierte Fati. Seit das Wunderkind im September 2021 sein Comeback feierte, kamen weitere Verletzungen hinzu: Knieprobleme zwangen ihm zu einer erneuten Pause und dann erlitt er eine Oberschenkelverletzung, die ihn erneut über zwei Monate außer Gefecht setzte.
Nun hatte der Offensivspieler sein abermaliges Comeback gefeiert - und ist schon wieder in dem Albtraum eines jeden Fußballers gelandet, aus dem er einfach nicht aufzuwachen scheint. „Leider muss ich den schlimmsten Teil des Fußballs durchleben, aber ich werde niemals aufgeben“, schrieb Ansu auf Instagram.
Am Montag traf sich nun das Team von Fati und die Ärzte des FC Barcelona. Alle Beteiligten wissen, dass diese Jahre entscheidend für die Entwicklung des Talents sind, welches nun den Status eines Talents loswerden muss. Es gibt einige junge Fußballer, die an Verletzungen zu Beginn ihrer Karriere zerbrochen sind, das ist kein Geheimnis.
Fati nicht sicher: OP oder konservative Behandlung?
Die Bilder in Bilbao haben gezeigt, wie schwer es für Fati sein wird, den neuerlichen Rückschlag aus psychologischer Sicht zu verdauen. Und jetzt scheinen sich die Experten um ihn herum auch noch nicht einig zu sein.
Die Ärzte von Barca sind wohl der Meinung, dass Fati an der Kniesehne operiert werden sollte. Doch das Umfeld des spanischen Nationalspielers ist sich da nicht so sicher und erwägt eine konservative Behandlung. Fatis Physiotherapeut soll laut El Nacional sogar empfohlen haben, nicht zu operieren. Das Treffen am Montag endete damit, dass Fati sich mehr Zeit für eine Entscheidung erbat.
Es steht zu befürchten, dass der Fall Fati dem Leiden von Samuel Umtiti ähneln könnte. Der Franzose kam als einer der besten Innenverteidiger der Welt nach Barcelona und ließ eine Verletzung nicht operieren, um mit Frankreich an der WM 2018 teilzunehmen. Seitdem ist er nicht mehr der Spieler gewesen, der nach Katalonien gekommen war.
Eine konservative Behandlung könnte ein Risiko darstellen, eine OP ist aber eben auch immer eines. Die Hoffnung aller Barca-Fans ist nun, dass Fati seine Verletzung bis zur kommenden Saison komplett kuriert hat und dann bei Null anfangen kann.
„Wir brauchen ihn, wir haben einen beeindruckenden Fußballer verloren, das betrifft uns alle, vor allem aber Ansu. Wir müssen ihn mental wiederherstellen und dafür sorgen, dass er die Verletzungen vergisst“, sagte Xavi und versprach: „Wir werden jetzt einen umfassenden und spezifischen Plan aufstellen, um sicherzustellen, dass er sich nie wieder verletzt.“
Vorbild für Fati dürfte nun nicht mehr nur aus fußballerischer Sicht Lionel Messi sein. Der Superstar hatte zu Beginn seiner außergewöhnlichen ebenfalls mit der ein oder anderen Verletzung gekämpft. Danach verpasste er für Barca niemals mehr als wenige Wochen. Und auch das nur sehr selten.