Noch am Dienstagabend gab sich Florentino Pérez kämpferisch.
Der Sonnenkönig und seine Ruine
"Wir werden daran arbeiten, dieses Projekt zu verwirklichen. Wir denken, es ist das Beste und es ist unsere Verantwortung", verkündete der Präsident von Real Madrid am Ende eines 45-minütigen Gesprächs mit der französischen Sportzeitung L'Équipe.
Zu diesem Zeitpunkt begann der Rückhalt der elf weiteren Gründerteams der Super League bereits zu bröckeln. Dennoch hielt Pérez, der in der Gründungserklärung des umstrittenen Projekts als erster Vorsitzender der Super League firmierte, an der Idee fest. (Super League: Die internationalen Pressestimmen zum neuen Wettbewerb)
Pérez kämpft um Super League - während sie schon zerfällt
"Die Situation ist so ernst, dass sich jeder einbringen muss. Die Situation ist so ernst, dass sich alle einig sind, dieses Projekt durchzuführen und eine Lösung zu finden. Es ist niemand unter Druck geraten", bekräftigte Pérez noch.
Der Druck wurde letztlich doch zu groß und während der Real-Boss noch dabei war, seine Super League zu verkaufen, zerfiel sie in seinem Rücken bereits in ihre Einzelteile.
Eigentlich hätte Pérez noch am späten Dienstagabend beim spanischen Radiosender Cadena SER über die Pläne zur Super League referieren sollen, doch diesen Auftritt sagte der 74-Jährige kurzfristig ab. Und während die englischen Teams der Reihe nach ihren Rückzug erklärten, musste sich Pérez plötzlich in einer Krisensitzung unter anderem mit Juventus-Boss Andrea Agnelli über das weitere Vorgehen beraten.
Noch in der Nacht auf Mittwoch wurde ein Statement veröffentlicht, wonach die Super League ihre Pläne überdenken will. "Wir werden die angemessenen Schritte erwägen, um das Projekt umzugestalten", hieß es darin.
Agnelli bestätigt das Aus für die Super League
Und Agnelli betonte am Mittwoch bei Reuters: "Ich bin weiterhin von der Schönheit dieses Projekts überzeugt." Damit wäre der beste Wettbewerb der Welt geschaffen worden, ergänzte der Italiener, "aber zugegebenermaßen glaube ich nicht, das dieses Projekt jetzt noch in Gang ist."
Für Pérez, der sich in den vergangenen Tagen als Retter des Fußballs inszeniert hatte, ist das ein herber Schlag. Sein großes Prestige-Projekt ging innerhalb von zwei Tagen in Flammen auf. Plötzlich ist er der Angeschmierte.
Pérez: "Wenn die oben Geld haben, rieselt es runter"
Dabei konnte er einen der Hauptkritikpunkte, dass es den Topklubs mit der Gründung einer exklusiven Liga darum geht, noch mehr Kohle zu scheffeln, trotz aller Beteuerungen nur schwer entkräften.
"Die sagen, es ist eine Liga für die Reichen. Aber das ist nicht wahr. Es ist eine Liga, um den Fußball zu retten", sagte Perez in einem TV-Interview in der Sendung El Chiringuito am Montag, "das Geld geht an alle, es ist eine Pyramide. Wenn die oben Geld haben, rieselt es runter."
Sein persönliches Vermögen liegt laut der aktuellen Forbes-Liste bei 2,1 Milliarden US-Dollar (rund 1,7 Milliarden Euro). Von seinen privaten Geldern steckt der Bauingenieur, der das größte spanische Bauunternehmen Grupo ACS führt, aber kaum etwas in seinen Klub.
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Pérez führt Real Madrid aus der Krise
Als er 2000 zum Präsidenten der Königlichen gewählt wurde, führte Pérez den Klub aus der wirtschaftlichen Krise, unter anderem durch den Verkauf des ehemaligen Vereinsgeländes an mehrere Privatunternehmen.
Pérez, den auch der Ruf eines Sonnenkönigs begleitet, gilt als Begründer der erfolgreichen Ära der Galácticos nach der Jahrtausendwende. Er lockte Superstars wie Ronaldo, David Beckham und den jetzigen Trainer Zinédine Zidane zum Klub, der seither fünfmal die Champions League gewann.
2005 waren die Madrilenen erstmals der weltweit umsatzstärkste Fußball-Klub. Der Gesamtumsatz wurde 2020 nach Einnahmeverlusten in Höhe von 106 Millionen Euro auf 681,2 Millionen Euro beziffert.
Schuldenlast der Topklubs – Pérez sieht düsteres Szenario
Trotz der Corona-Pandemie konnte Real das vergangene Jahr laut einem Bericht des Wirtschaftsunternehmens KPMG mit einem leichten Plus von 0,3 Millionen Euro abschließen. Die hohen Verluste konnte der Klub durch gestiegene Werbeeinnahmen und hohe Spieltagseinnahmen kompensieren. In 18 Heimspielen erzielten die Königlichen satte 120,1 Millionen Euro.
Dennoch schiebt der Klub einen hohen Schuldenberg vor sich her. Gemäß den in der Gazzetta dello Sport sollen diese Schulden bei knapp über 900 Millionen Euro liegen. Zudem verschlingt der Umbau des Bernabéu 114 Millionen Euro.
Andere Topvereine plagen noch größere finanzielle Sorgen. Die Super League, die den Gründungsmitgliedern durch den Geldgeber JP Morgan insgesamt 3,5 Milliarden Euro in Aussicht gestellt hatte, klang daher nur allzu verlockend.
Schließlich warnte auch Pérez vor dem finanziellen Kollaps. "Die neue Champions League mit 36 statt 32 Klubs soll im Jahr 2024 starten", sagte er, "2024 aber werden alle diese Klubs tot sein".
Ob Pérez daher seinen Traum einer Super League, den er schon 2009 erstmals äußerte, tatsächlich komplett aufgeben wird, bleibt abzuwarten.
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Mit Sport-Informations-Dienst (SID)