Wenn Fatih Terim etwas von der Seitenlinie ruft, wirkt es, als würde er seine Spieler auffressen wollen: die Augen streng funkelnd, die Zähne gefletscht, fast wie ein Rottweiler, der gleich zuschnappt.
Als der Imperator die Bühne betrat
Vieles von dem, was die 70 Jahre alte Trainer-Legende im Repertoire hat, ist zum ikonischen Bild geworden, ob in der Türkei oder anderswo in der Welt – als Bild eines Mannes, der sich in der Rolle des Imperators gefällt.
1996 führte er die Türken erstmals zu einer Europameisterschaft, 2008 sogar ins Halbfinale gegen Deutschland. Und auch 2016 waren die Ay-Yildizlilar (deutsch: Mond-Sterne) unter seiner Regentschaft bei der Euro dabei.
Der Imperator
Seine größten Erfolge fanden aber auf Vereinsebene statt: Achtmal wurde Terim mit Galatasaray Istanbul türkischer Meister, dreimal Pokalsieger. 2000 holte er an derselben Stätte den UEFA-Pokal.
Zwischenzeitlich machte er sogar beides: Nationalcoach und Trainer von Gala, wo er längst mehr als eine Legende ist - der Imperator eines Klubs, eines ganzen Landes, das er fest in seinen Händen hält.
Was viele vergessen: Terim spielte selbst mal für die Gelb-Roten, lange ist das jetzt her, heute sogar genau 50 Jahre, als er am 8. Juli 1974 – einen Tag nach Deutschlands WM-Triumph über die Niederlande – seinen ersten Vertrag in der türkischen Hauptstadt unterschrieb.
Terims erster Trainerjob
Seitdem ist einiges passiert für den früheren Libero, dem vieles gelang, aber eines nicht: der Meistertitel als Spieler, trotz zahlreicher Versuche bis 1985, als er seine Karriere als Kapitän von Galatasaray schließlich beendete.
Schon damals schien klar, dass dieser Terim kein ganz normaler Profi ist. Sein autoritäres Gebaren brachte ihm bereits 1987 seinen ersten Trainerjob beim türkischen Erstligisten MKE Ankaragücü ein.
Von dort ging es steil nach oben bis zur Position des Nationalcoachs 1993, als endlich klar wurde, dass der „Imperator“, wie er wenig später getauft wurde, nicht mehr aufzuhalten ist.
Während ihn seine Siege immer auszeichneten und zum erfolgreichsten Trainer der türkischen Geschichte machten, bekam er nicht selten auch Gegenwind – vor allem während seiner dritten Amtszeit als Nationalcoach von 2013 bis 2017.
Damals fiel er durch launische Auftritte bei Pressekonferenzen auf, die ihm auch den Ärger wohlgesinnter Journalisten einbrachten.
„Wo leben wir denn hier? Leben wir in Nordkorea? Wer ist dieser Mann? Man kann ihm nicht mal eine Frage stellen. So eine Pressekonferenz kann es nicht geben. Fatih Terim hat eine schreckliche Hegemonie innerhalb der türkischen Medien aufgebaut. Die Kollegen hätten ihm ja fast zur Niederlage gratuliert“, sagte ein türkischer Reporter nach der 0:2-Schlappe gegen Island im Oktober 2016.
Damals vergeigten die Türken die Quali für die WM in Russland – Terim musste im Juli 2017 gehen.
Innige Beziehung zu Erdogan
Einer der Hauptvorwürfe gegen den „Imperator“: seine offenkundig allzu innige Beziehung zu Präsident Recep Tayyip Erdogan. Dieser hatte ihn immer wieder verteidigt und 2014 sogar das neue Stadion des Istanbuler Clubs Basaksehir nach ihm benannt.
„Ich bedanke mich bei Herrn Erdogan, weil er mir gegenüber nie seine aufrichtige Freundschaft versteckt hat“, sagte Terim bei der Einweihung.
Löste Terim seine Probleme in der Türkei trotz aller Querelen zumeist sehr machtvoll, wollte dem „Imperator“ genau das im Ausland nicht gelingen.
Als er im Sommer 2001 – nach einem krachend gescheiterten Engagement bei der AC Florenz – Trainer bei der AC Mailand wurde, schien fast ebenso schnell klar: Auch das wird nix.
Pirlo schreibt über Terim
Der damalige Mittelfeldstar und Italien-Legende Andrea Pirlo wusste Terims Auftreten in Mailand Jahre später in seiner Autobiografie zusammenzufassen.
„Fatih war ein sehr bemerkenswerter Typ, der gegen Regeln sehr allergisch zu sein schien. [...] Beispielsweise kam er zum Mittagsessen oft verspätet an, wenn er das so wollte. Bei Aktivitäten, in denen er die AC Mailand offiziell vertreten musste, konnte er auch mal ohne Krawatte erscheinen und haute dann, ohne jemandem Bescheid zu sagen, früher ab, um zu Hause türkisches ‚Big Brother‘ zu gucken“, schrieb Pirlo in „Ich denke, also spiele ich“.
Kein Wunder also, dass sich die Wege bereits im November desselben Jahres wieder trennten.
Terim scheitert
Ein weiteres Auslandsabenteuer wagte Terim nur in Griechenland, wo er im Dezember 2023 Chefcoach bei Panathinaikos Athen wurde. Nachdem es lange so ausgesehen hatte, als würde Terims Mannschaft nach dem Titel greifen, zerschlugen sich die Träume im vergangenen Mai. Der Vertrag mit dem türkischen Trainer wurde infolgedessen wieder aufgelöst.
„Vierzehn Jahre sind eine lange Zeit ohne Titel (Panathinaikos zuletzt 2010 griechischer Meister; Anm. d. Red.). Aber das Gleiche passierte auch bei Galatasaray. Als ich die Mannschaft jedoch übernahm, besiegten wir alle Gegner und waren nicht mehr aufzuhalten“, hatte er zuvor gesagt – und doch sollte sich der „Imperator“ dieses Mal irren.