Ein Interview hat sie der Öffentlichkeit noch nie gegeben. Vielversprechende Transfers und lukrative Sponsoren-Deals tütet sie dagegen am laufenden Band ein: Marina Granovskaia.
Die mächtigste Frau im Weltfußball
Die 46-Jährige ist beim FC Chelsea seit Jahren die Macherin im Hintergrund. Ebenso geschätzt wie gefürchtet, haben ihre Verhandlungsstrategien der Geschäftsfrau im Laufe der Jahre - in Anlehnung an die knallharte erste britische Premierministerin Margaret Thatcher - den Namen "Iron Lady" (Eiserne Lady) eingebracht.
Bayern-Boss Rummenigge schwärmt von Granovskaia
Angesprochen auf die Chelsea-Direktorin, geriet Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge jüngst regelrecht ins Schwärmen. Granovskaia habe vor allem während der Corona-Krise in den vergangenen Monaten ein exzellentes Händchen bewiesen, sagte Rummenigge The Athletic.
Der FC Chelsea sei "einer von nur zwei oder drei Klubs", die finanziell stabil sind. "Die Zahlen von Chelsea sehen sehr positiv aus. Marina hat sehr gute Arbeit geleistet", lobte der 65-Jährige.
Doch wer genau ist die Frau, die bei den Blues als verlängerter Arm von Klub-Besitzer Roman Abramowitsch gilt?
Granovskaias Macht beim FC Chelsea wächst kontinuierlich an
Granovskaia ist Russin, besitzt aber auch einen kanadischen Pass. An der Staatlichen Universität Moskau studierte sie in den 1990er Jahren zunächst Musik und Tanz, schwenkte später auf Fremdsprachen um.
Granovskaia spricht fließend Russisch, Englisch, Französisch, Italienisch und sogar etwas Deutsch. Sie versteht es exzellent, Strippen zu ziehen und sich Netzwerke aufzubauen, gilt als Workaholic und ist extrem fleißig.
Beim FC Chelsea steht Granovskaia seit 2013 in der Verantwortung. Nach dem Rücktritt von CEO Ron Gourlay übernahm sie den Posten als Sportdirektorin. Mit dem Abgang des Technischen Direktors Michael Emenalo im November 2017 wuchs ihre Macht weiter an.
Granovskaia gilt als engste Vertraute Abramowitschs. Vor 23 Jahren startete sie ihre berufliche Laufbahn in dessen Ölkonzern, bevor sie später als seine "Beraterin" zum FC Chelsea stieß.
Über die Jahre bewies die "Iron Lady", wie sie aufgrund ihres knallharten Durchsetzungsvermögens häufig genannt wird, ihr Geschick in harten und humorlosen Transfer- und Vertragsverhandlungen. Das bekam 2013 auch Bayer Leverkusen zu spüren.
Granovskaia bügelt Chelsea-Legende John Terry ab
Damals zog Granovskaia die Fäden beim Transfer von André Schürrle zum FC Chelsea. Für den zu diesem Zeitpunkt 22-Jährigen zahlten die Londoner eine Ablösesumme von 22 Millionen Euro.
Die Geschäftsfrau habe einen toughen, kompetenten Eindruck gemacht, erinnerte sich Leverkusens damaliger Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser, und sie habe sich auffallend im Hintergrund gehalten. "Mir sind Leute lieber, die nicht so in die Öffentlichkeit drängen. Vielleicht ist das auch eine ihrer großen Stärken", konstatierte Holzhäuser.
Dass mit ihr nicht zu spaßen ist, musste einst auch Defensiv-Legende John Terry erfahren.
"Nimm ihn oder geh!", soll sie dem langjährigen Kapitän zugeknurrt haben, als dieser bei einem Vertragsangebot zögerte. Sie soll es auch gewesen sein, die José Mourinho an die Stamford Bridge zurücklotste. Und sie war ebenfalls verantwortlich für den Rekord-Sponsorendeal mit Nike, der dem Klub bis 2032 mehr als 65 Millionen Euro pro Jahr einbringt.
Granovskaia lässt Real Madrid verzweifeln
2019 ließ die Chelsea-Direktorin Real Madrid beinahe verzweifeln.
Eden Hazard, der sieben Jahre lang für den FC Chelsea wirbelte, wollte unbedingt zu Real - und der Zidane-Klub wollte unbedingt Hazard.
Doch obwohl der Offensiv-Mann vertraglich nur noch für ein Jahr an die Stamford Bridge gebunden war, blieb Granovskaia in den Verhandlungen knallhart. Sie gab erst nach, als der spanische Rekordmeister ihr mehr als 100 Millionen Euro Ablöse plus erfolgsabhängige Bonuszahlungen bot.
Granovskaias Erfolge beim Traditionsklub aus dem Westen Londons lesen sich beeindruckend: Sie organisierte einst auch den Umzug in das moderne neue Trainingszentrum Cobham und forcierte die Jugendarbeit, die im Laufe der vergangenen Jahre auf der Insel Maßstäbe gesetzt hat.
"Sie hat bei Chelsea die Macht. Roman vertraut ihr total."
Und eben solche setzte sie in England auch in Sachen Transfererlöse. Seit 2012 verkauften Granovskaia und Co. Spieler für 946 Millionen Euro und sind damit die klare Nummer eins auf der Insel. Es folgt der FC Liverpool mit satten 330 Millionen Euro weniger.
Die Russin gilt als mächtigste Frau im Weltfußball. Beim Tuchel-Klub ist Granovskaia längst Mitglied im Vorstand. "Sie hat bei Chelsea im Prinzip die Macht. Roman vertraut ihr total. Sie hat kein Interesse daran, ein Star zu sein. Trotzdem kann es keinen Zweifel daran geben, wer das Sagen hat und wer die Richtung vorgibt", zitiert der Evening Standard eine vereinsinterne Quelle.
Ihre Macht demonstrierte Granovskaia zuletzt auch bei der Entlassung Frank Lampards. Die Sportdirektorin soll immer wieder mit der Klub-Ikone aneinandergeraten sein.
Dabei ging es offenbar um den Umgang mit Kepa Arrizabalaga, dem bis heute teuersten Torwart der Welt, den Granovskaia 2018 für 80 Millionen Euro verpflichtete - und den Lampard zum Ende der vergangenen Saison zur Nummer zwei degradierte.
Ehemaliger Lehrer bezeichnet Granovskaia als "graue Maus"
Aber auch gegenteilige Auffassungen in der Transferplanung sollen bei den Konflikten zwischen Granovskaia und Lampard eine gewichtige Rolle gespielt haben. So kam es wenig überraschend, dass der Chefcoach im Januar beurlaubt wurde, Thomas Tuchel übernahm im Anschluss.
Über das Privatleben der Russin ist derweil nur wenig bekannt. In einem der seltenen Zitate über ihre Person wird sie von einem ehemaligen Lehrer als "graue Maus" beschrieben. Der Daily Mail sagte der Pädagoge: "Ich erinnere mich daran, sie unterrichtet zu haben, allerdings an nichts Außergewöhnliches."
Umso außergewöhnlicher ist der anschließende Werdegang der Iron Lady.