Ottmar Hitzfeld hätte in China mehr Geld verdienen können, als der FC Bayern ihm je überwiesen hat. Er hat es selbst bestätigt.
So will China Fußball-Großmacht werden
Anderthalb Jahre nur hätte er arbeiten müssen beim Meister Guangzhou Evergrande, 25 Millionen Euro hätte er bekommen. Netto. Und die Prämien noch nicht mitgerechnet.
Hitzfeld lehnte ab, kümmert sich lieber um seine Enkel. Aber die Geschichte zeigt, welche Summen man in China zu bewegen bereit ist, wenn es um den Fußball geht.
Das 377-Millionen-Euro-Investment eines chinesischen Konsortiums in Manchester City: ein weiteres Beispiel.
Dass der chinesische Markt ein Zukunftsmarkt für den Fußball ist, hat sich herumgesprochen. Aber es sind nicht nur die europäischen Klubs, die etwas haben wollen: Es ist auch China selber.
Montenegro steht besser da
Xi Jinping, seit zwei Jahren Staatspräsident, hat schon vor seinem Amtsantritt mitgeteilt, dass er in Sachen Fußball drei Träume hat: "Dass sich China für die WM qualifiziert, dass China eine WM ausrichtet und dass China eine WM gewinnt."
Ein großes Ziel, wenn man den gegenwärtigen Zustand des chinesischen Fußballs bedenkt: Von zehn Versuchen, sich für eine WM zu qualifizieren, scheiterten neun - der eine gelungene endete 2002 mit drei Niederlagen in drei Vorrundenspielen.
In der FIFA-Weltrangliste ist China 84. Hinter Zypern, Montenegro, Antigua und Barbuda, was in dem Fall keine grobe Verfälschung der Verhältnisse ist. Die chinesische Liga? Jahrzehntelang eine von Korruption und Manipulation zersetzte Peinlichkeit.
Befehl vom Staatschef
Ein Unding für Chinas Machthaber, zumal der Fußball - solange es nicht der eigene ist - längst auch in China hunderte Millionen Zuschauer begeistert.
Also befahl Xi Jinping im Februar 2015 "die Wiederbelebung des chinesischen Fußballs" – wobei "befahl" in dem Fall wörtlich zu verstehen ist. Widerstände? Würden "hinweggefegt".
Einen 50 Punkte langen Aktionsplan hat der chinesische Staatsrat dazu verabschiedet, 20.000 Schulen sollen bis 2017 ihren Schwerpunkt auf die Fußballausbildung legen, 100.000 besser präparierte Talente bis dahin hervorgebracht worden sein.
Bemerkenswert außerdem: Der Plan sieht vor, dass der Fußballverband unabhängig werden soll von der Politik und ihrem oft schädlich wirkenden Einfluss.
Auch die geschäftlichen Kooperationen mit den Klubs in Europa dienen dem Ziel, Chinas Fußball voranzubringen - Knowhow-Transfer, auch die Sicherung von Zugang und Einfluss sind die Stichworte.
Geschäftsgrößen wittern Rendite und Prestige
Für die nationale Aufgabe machen auch die großen Geschäftsleute nun viel Geld locker: Das verspricht unter diesen Bedingungen Rendite, Prestige und das Wohlwollen der politisch Mächtigen - was im autoritären Riesenreich alles eng zusammenhängt.
Immobiliengigant Wang Jianlin - angeblich 24,2 Milliarden Euro schwer - kaufte in diesem Jahr mit seiner Firma einen 20-Prozent-Anteil von Atletico Madrid ein und für rund eine Milliarde Euro den Sportvermarkter Infront.
Hinter dem ManCity-Deal steckt der Medienmogul Ruigang Li, dessen Holding China Media Capital kurz zuvor auch die Fernsehrechte an Chinas erster Liga kaufte und dafür 230 Millionen Euro pro Saison zahlt. Rein wirtschaftlich gesehen ein hoffnungsloser Mondpreis.
Vorzeigeklub Guangzhou
Auch hinter Meister Guangzhou, Chinas Vorzeigeklub, stehen mächtige Männer: Bauunternehmer Xu Jiayin erkannte schon vor Xi Jinpings Aufbaubefehl das Wachstumspotenzial, machte Evergrande mit seinem Geld zum Serienmeister und Sieger der asiatischen Champions League.
Guangzhou holte teure Spieler und Trainer wie Marcello Lippi und statt Hitzfeld dann eben Luiz Felipe Scolari, den nächsten Weltmeister-Coach.
2014 stieg auch E-Commerce-Riese Alibaba bei Evergrande ein. Marco Pezzaiuoli, Ex-Trainer von 1899 Hoffenheim, ist dort Nachwuchskoordinator.
Eine große Talente-Akademie hat der Klub auch aufgebaut, in Kooperation mit Real Madrid. Und nach Angaben von Besuchern ist in Qingyuan keine Knochenmühle entstanden, sondern ein modern wirkendes Fußballinternat.
Auch der DFB leistet Ausbildungshilfe in China, Kanzlerin Angela Merkel und Ministerpräsident Li Keqiang leiteten im vergangenen Jahr eine sportliche Kooperation in die Wege.
"Sie kapieren das Spiel nicht"
Bleibt die Frage, warum eine politische und wirtschaftliche Großmacht eigentlich auf solche Entwicklungshilfe angewiesen ist. Warum ein fußballbegeistertes Milliardenvolk noch keinen einzigen Weltklasse-Fußballer hervorgebracht hat.
Kulturelle Barrieren, die sich zu lang verfestigt hätten, sagen Kritiker. Physisch und technisch seien die chinesischen Fußballer der Weltelite mindestens ebenbürtig, befand Mads Davidsen, dänischer Techniktrainer beim Erstligisten Shanghai SIPC, vor einiger Zeit im SZ-Magazin.
Sie seien aber über Jahre, vielleicht Jahrzehnte einfach falsch trainiert worden: "Sie kapieren einfach das Spiel nicht."
Es gibt noch viel zu tun auf dem Weg zur Fußball-Großmacht.