"Gute Freunde kann niemand trennen / Gute Freunde sind nie allein / weil sie eines im Leben können / füreinander da zu sein"
Umstrittene Deals unter Freunden
Als der Gassenhauer-Texter Kurt Hertha 1966 Franz Beckenbauer diese schlichten Zeilen in den Mund legte, hatte er wahrscheinlich keine Ahnung, dass er ziemlich genau die spätere Lebenswirklichkeit nicht nur der künftigen Lichtgestalt, sondern gefühlt aller Strippenzieher des Weltfußballs beschrieben hatte.
Der Fußball ist längst ein Milliardengeschäft, doch noch immer wird er von einer überschaubaren Gruppe von Menschen geführt, bei denen die Trennlinie zwischen dem Privaten und Geschäftlichen eine höchst theoretische ist. Von guten Freunden eben.
Passionierter Regelbrecher
Ein besonders guter Freund im Fußball-Kosmos war Robert Louis-Dreyfus. Das Geschäft und das Private vermischte sich bei dem 2009 an Leukämie gestorbenem Top-Manager irgendwie immer. Genauso wie Geld und Fußball.
Der Harvard-Absolvent, den stets die Aura des Unangepassten und passionierten Regelbrechers umwehte, zerrissene Jeans, Strubbelmähne, Zigarre, ist eine der zentralen Figuren der DFB-Affäre um die WM 2006.
Dreyfus lieh dem Organisationskommitee (OK), das muss mittlerweile als Fakt angenommen werden, jene 6,7 Millionen Euro, mit denen - möglicherweise, vielleicht – die fehlenden Stimmen für die deutsche Bewerbung im FIFA-Exekutivkomitee geholt wurden. So stellte es der Spiegel vergangene Woche in seiner Titelgeschichte "Das gekaufte Sommermärchen" dar.
Oder die Gelder wurden – möglicherweise, vielleicht - als Gebühr dafür eingesetzt, der FIFA 2002 einen Zuschuss von 170 Millionen Euro zur Organisation der WM aus den Rippen zu leiern. So erklärte es DFB-Präsident Wolfgang Niersbach am Donnerstag bei seiner jetzt schon legendären Pressekonferenz.
Zwanziger bezichtigt Niersbach der Lüge
Einig sind sich beide Seiten dagegen, dass das Privat-Darlehen von Louis-Dreyfus kam. Es war nicht das erste Mal, dass RLD einem deutschen Fußballfunktionär ein wenig unter die Arme griff. 2000 gab er Uli Hoeneß nach dessen Angaben das Startkapital zu dessen Börsenzockerei, die ihn letztlich ins Gefängnis führte.
Insgesamt zehn Millionen Euro ließ RLD dem damaligen Bayern-Manager zukommen. Hoeneß zahlte Louis-Dreyfus das Geld bald zurück.
Wieso kein Bank-Kredit?
Doch die Fragen bleiben: Wieso nahm Hoeneß das Geld 2000 überhaupt an? Wieso setzte er nicht sein Privatvermögen zum Zocken ein?
Warum nahmen das OK und der DFB das Geld 2002 (oder wann auch immer) überhaupt an? Hatte der DFB keine 6,7 Millionen Euro? Wieso liehen sie sich das Geld nicht von einer Bank? Wollten sie die Zinsen sparen? Oder steckte doch etwas ganz anderes hinter der Zahlung?
Und wer war dieser Robert Louis-Dreyfus überhaupt, dass er Uli Hoeneß und Franz Beckenbauer eben mal so mehrere Millionen Euro lieh? Und wofür überhaupt?
Fakt ist: RLD war schwerreich, schon von Geburt an. Er stammte aus einer der größten französischen Unternehmensdynastien, die Louis Dreyfus Group macht ihr Geld mit Immobilien, dem Bau von Schiffen, dem Anbau und Verkauf von Zitrusfrüchten und ist auch im Energiesektor tätig.
Dreyfus' Cousine ist ein Hollywood-Star
RLD aber konnte mit dem Familienunternehmen lange nichts anfangen. Zitrusfrüchte sind einem geborenem Rebellen vielleicht zu langweilig. Er ging in die USA, wo auch seine Cousine Julia Dreyfus als Schauspielerin (u.a. Seinfeld) Karriere machte.
Seine erste selbst verdiente Million soll RLD mit Pokern verdient haben. Danach sanierte er einen Pharma-Riesen - und ging schließlich zu Adidas.
Von 1993 bis 2001 führte RLD den fränkischen Sportartikel-Giganten Adidas. Um genauer zu sein: RLD machte den Konzern wieder dazu. Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger galt Adidas als altbacken und langweilig, Nike dagegen galt als hip – und zahlungskräftig. Sogar der FC Bayern überlegte damals, zu Nike zu wechseln.
"Robert hatte damals gerade bei Adidas begonnen, da kam von Nike eine sehr gute Konzeption", erinnerte sich Hoeneß vor Jahren. "Unter Jäggi (Dreyfus'-Vorgänger, die Red.) damals wären wir wohl zu Nike gewechselt. Aber mit Dreyfus bot Adidas wieder eine Perspektive. Entscheidend war, dass wir seit 30 Jahren gut mit Adidas arbeiten. Aber das Nike-Angebot war sehr aggressiv, es hat uns sehr geholfen, keine Frage."
Geholfen, den Preis in die Höhe zu treiben.
Vierfache Abfuhr für Nike
2001 versuchte Nike erneut, beim FC Bayern einzusteigen. Doch Bayern und Adidas, Hoeneß und RLD, erneuerten ihre Partnerschaft. Nike soll deutlich mehr als Adidas geboten haben.
Ähnlich soll es auch beim DFB gewesen sein. Zweimal, 2002 und 2006, versuchte Nike, Ausrüster zu werden, zweimal boten die Amerikaner mehr als Adidas, zweimal erhielten sie eine Abfuhr.
Gefälligkeitsabschlüsse unter Freunden? Logische Deals aus alter Verbundenheit zum Unternehmen? Oder nicht ganz sauber?
Gestellt wurden diese Fragen immer wieder. Doch die Befragten handelten immer so, wie Beckenbauer schon 1966 sang:
"Lass doch die andern reden / was kann denn schon gescheh'n / wir wollen heut und morgen
nicht auseinander geh'n."
Bei Riberys Wechsel nach München Finger im Spiel
Einen Zusammenhang zwischen RLDs Privatdarlehen und dem Zuschlag für Adidas als Partner des FC Bayern hat zumindest Hoeneß bisher immer vehement bestritten. Das kann man glauben oder nicht, aber es gilt die Unschuldsvermutung.
Unstrittig ist dagegen, dass der Rekordmeister und RLD, Hoeneß, Beckenbauer und Dreyfus auch nach dessen Ende bei Adidas weiter verbunden blieben.
Den Transfer von Franck Ribéry von Olympique Marseille nach München regelte man 2007 etwa sehr reibungslos ab. Ein Deal unter Freunden. Dreyfus hatte 1996 nebenbei die Mehrheit bei OM übernommen und davon geträumt, den Klub zum "FC Bayern des Süden" zu machen.
Das klappte nicht ganz, zumal RLD das Investment 2006 beinahe ins Gefängnis gebracht hätte. Wegen Transferbetrugs und Veruntreuung von Geldern wurde er von einem französischen Gericht schuldig gesprochen, kam aber mit einer Bewährungsstrafe und einer hohen Geldbuße davon. Die Geschicke bei OM leitet mittlerweile seine Witwe.
Es bleibt alles in der Familie.