Wartungsarbeiten
Liebe Nutzerinnen und Nutzer, aktuell führen wir Wartungsarbeiten auf sport1.de durch, um unser Angebot für Sie weiter zu verbessern. Die Seite wird währenddessen nicht aktualisiert. Wir bitten um Ihr Verständnis und entschuldigen uns für die Unannehmlichkeiten.
Ihr SPORT1-Team
HINWEIS SCHLIESSEN
Home>Handball>Handball-WM>

Das Drama des alles überragenden WM-Keepers

{}
{ "placement": "banner", "placementId": "banner" }
{ "placeholderType": "BANNER" }

Das Drama des überragenden WM-Keepers

Mit Emil Nielsen hat Dänemark einen überragenden Rückhalt im Tor. Dieser trat ein großes Erbe an und musste in seinem Leben bereits viele Hindernisse und Schicksalsschläge überwinden.
Emil Nielsen steht mit Dänemark im Finale der Handball-WM
Emil Nielsen steht mit Dänemark im Finale der Handball-WM
© IMAGO / NTB
Philipp Schmidt
Mit Emil Nielsen hat Dänemark einen überragenden Rückhalt im Tor. Dieser trat ein großes Erbe an und musste in seinem Leben bereits viele Hindernisse und Schicksalsschläge überwinden.

Es waren die längst zur Normalität gewordenen Bilder, die sich nach dem Einzug Dänemarks ins Finale der Handball-WM abspielten: Wieder einmal hatte Emil Nielsen - wie Superstar-Kollege Mathias Gidsel - eine überragende Leistung gezeigt, wieder einmal richteten sich die Blicke der wartenden Reporter vor allem auf ihn.

{ "placeholderType": "MREC", "placement": "rectangle", "placementId": "rectangle" }

Der 27 Jahre alte Torhüter absolvierte den Interviewmarathon in seiner gewohnt stoischen und entspannten Art. Nichts deutete darauf hin, dass er soeben die nächste Weltklasseleistung hingelegt hatte: 38 Prozent der portugiesischen Würfe parierte er. In der ersten Hälfte, in der die dänische Defensive noch einige Probleme hatte, hielt er zwei Siebenmeter.

Emil Nielsen steht mit Dänemark im Finale der Handball-WM
Emil Nielsen steht mit Dänemark im Finale der Handball-WM

Dänemark war viel zu gut, als dass diesen Szenen am Ende spielentscheidender Charakter zukam. Schließlich gingen die Skandinavier trotz der kleinen Probleme mit einem Vier-Tore-Vorsprung in die Halbzeitpause und zogen danach schnell davon. Schaden kann es trotzdem nicht, einen Rückhalt im Tor zu haben, der zur Stelle ist, falls die Übermannschaft des Welthandballs doch einmal ins Stottern geraten sollte.

Dänen-Star lässt Gegner verzweifeln

Einige Torhüter konnten sich im bisherigen Turnierverlauf in den Vordergrund spielen, sei es Deutschlands Andreas Wolff bei der dramatischen Viertelfinalniederlage gegen Portugal oder Kroatiens Halbfinalheld Dominik Kuzmanovic. Nielsen erhält große Unterstützung von einem herausragenden Mittelblock. Eine Quote von 43 Prozent in acht Spielen sowie 112 Paraden sind dennoch absurd - und mit Abstand die besten Werte unter allen Keepern.

{ "placeholderType": "MREC", "placement": "rectangle", "placementId": "rectangle2" }

Im Viertelfinale brachte er die tapfer kämpfenden Brasilianer zur Verzweiflung (45 Prozent gehaltene Bälle) und vernagelte den dänischen Kasten in der zweiten Halbzeit für mehr als zehn Minuten. Gegen Portugal war die Partie spätestens nach einer Phase mit fünf teils spektakulären Paraden entschieden. Nielsen habe „einen tödlichen Cocktail für die Portugiesen gemixt, die zeitweise nur Zuschauer der dänischen Show“ waren, schrieb die Mundo Deportivo.

Vom Schicksal gebeutelt jetzt ganz oben

Der Weg des Überfliegers an die Weltspitze war steiniger, als es auf den ersten Blick den Anschein macht. Mit 17 debütierte er zwar nach einer erfolgreichen Jugendzeit für Aarhus Handbold in der ersten dänischen Liga und wurde bereits in der Saison 2015/16 zum besten Torhüter gewählt. Doch dann erkrankte er an Meningitis, einer Hirnhautentzündung. Eine lange Auszeit war die Folge.

Der dänischen Zeitung BT berichtete er im September 2017 von den harten Monaten, die er den Großteil des Tages in völliger Dunkelheit in seinem Zimmer verbringen musste. „Zum ersten Mal kann ich einem Journalisten sagen: ‚Ja, ich habe die Krankheit komplett überwunden.‘“ Zuvor habe er immer erklären müssen, dass er noch „Probleme mit dem Orientierungssinn und dem Gedächtnis habe. Das ist ein gutes Gefühl.“

Das Drama begann bei einem Geburtstag

Alles habe im April 2016 angefangen. „Ich saß auf der 70. Geburtstagsfeier des Großvaters meines Freundes und habe mich über eine Lampe geärgert. Sie war sehr hell und ich fand sie sehr, sehr störend.“ Nielsen musste sich hinlegen, später fuhr er zu einem Freund. „Da ist es total verrückt geworden. Ich bekam irrsinnige Kopfschmerzen und wurde von dem getroffen, was Ärzte ‚explosives Erbrechen‘ nennen. Ich musste mich überall übergeben und ich konnte nichts mehr tun. Ich habe mich auch im Schlaf übergeben und bin gegen Wände gelaufen - es war verrückt.“

{ "placeholderType": "MREC", "placement": "rectangle", "placementId": "rectangle3" }

Seine Mutter holte ihn am nächsten Morgen ab, gemeinsam fuhren sie ins Krankenhaus, wo es die niederschmetternde Diagnose gab. Doch Nielsen erkannte nicht sofort den Ernst der Angelegenheit und wollte schnell zu seinem in den Playoffs befindlichen Team zurückzukehren. „Ich durfte keinen Besuch empfangen. Die Ärzte kamen in gelben Gummianzügen, so wie man sie aus Filmen kennt.“

Schließlich musste geklärt werden, ob es sich eine hochansteckende bakterielle oder die mildere Virusvariante der Erkrankung handelt. Es war glücklicherweise „nur“ der Virus, Nielsen durfte nach zwei Wochen wieder nach Hause. Dort ging die Leidenszeit weiter. „Ich konnte es einfach nicht ertragen. Ich hatte zu Hause nie ein Licht angemacht“, sagte er. „Ich wusste, dass ich nicht wirklich in Lebensgefahr war. Aber ich war verdammt gelangweilt.“

Bei seiner ersten Reha-Sitzung nach mehreren Monaten Hausarrest sei ihm klar geworden, wie lange der Weg zurück sein würde. „Ich konnte die Bewegungen einfach nicht koordinieren. Das war ein großer Schock für mich.“ Im Dezember 2016 stand er nach acht Monaten erstmals wieder im Aarhus-Tor. Und zehn Monate später waren dann auch die letzten Anzeichen der Erkrankung verschwunden.

{ "placeholderType": "MREC", "placement": "rectangle", "placementId": "rectangle4" }

Bittere Erfahrung ließ Nielsen reifen

Sein Fazit: „Ich bin dadurch stärker geworden. Ich bin reifer geworden und schätze es jetzt viel mehr, ins Fitnessstudio zu gehen.“ Sogar der „beschissenen Heimtrainer“ mache ihm nun Spaß. „Mir ist klar geworden, wie privilegiert ich eigentlich bin.“ Bereits damals war sein großes Ziel die dänische Nationalmannschaft.

Während seiner Genesung hatte er einen Vertrag beim dänischen Topklub Skjern unterschrieben. 2018 gewann er dort die dänische Meisterschaft und zog ins Viertelfinale der Champions League ein. 2019 folgte der nächste große Schritt mit dem Wechsel nach Nantes, 2022 ging es nach Barcelona, wo er im Starensemble längst die unangefochtene Nummer eins ist. Doch in der Nationalmannschaft musste er sich sein Standing erst hart erkämpfen.

Als er 2019 schon festes Kadermitglied im Team von Trainer Nikolaj Jacobsen war, wurde er von ihm ausgeschlossen. Der Vorwurf: mangelnde Professionalität. Nielsen soll sich in der Folge sogar nicht an ein Trainingsprogramm gehalten haben, was ihm vorgeschrieben wurde. „Wir wollen ihn, wir wollen ihn unbedingt. Aber zuerst muss Emil es wollen“, stellte Jacobsen klar. Und Nielsen, der lange mit Gewichtsproblemen kämpfte, wollte.

{ "placeholderType": "MREC", "placement": "rectangle", "placementId": "rectangle5" }

Schicksalsschlag während Olympia in Paris

Ein Jahr später kehrte er in die Auswahl zurück. Seiner Stärken war er sich stets bewusst. „Ich kann Dinge tun, die andere nicht können.“ Spätestens bei seiner ersten WM-Teilnahme stimmte es auch im Kopf. Dänemark gewann Gold, da Nielsen jedoch hinter der Torwart-Legende Niklas Landin kaum spielte, zählt der Titel für ihn nicht so richtig. Als sein erstes richtiges Turnier bezeichnete er deshalb die EM 2024 in Deutschland, bei der er den Gastgeber im Halbfinale zur Verzweiflung brachte.

Bei den Olympischen Spielen in Paris verhalf er seinem Team zu einem Kantersieg im Auftaktspiel gegen Frankreich. Am nächsten Tag die Schocknachricht: Seine Mutter teilte ihm den Tod seines Vaters mit. Nielsen blieb beim Tag und behielt die Information für sich. „Ich habe versucht, es zu verbergen, aber ich habe oft auf dem Spielfeld geweint“, sagte er der Zeitung Jyllands-Posten.

Sportlich steckte Nielsen auch dieses persönliche Drama weg, auch im Viertel- und Halbfinale leistete Nielsen einen wichtigen Beitrag, im Finale gegen Deutschland gehörte die Bühne Landin, der nach 283 Länderspielen mit der olympischen Goldmedaille abtrat.

Nielsen hat trotz seines noch jungen Alters bereits viel erlebt - und könnte auf die Nachfolge einer Handballlegende nicht besser vorbereitet sein. Das hat er bei der aktuellen WM, die mit dem großen Finale gegen Kroatien (ab 18 Uhr im SPORT1-Liveticker) zu Ende geht, längst gezeigt.